Kerstin Griese MdB
Kerstin Griese
SPD
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Frage von Femi K. •

Frage an Kerstin Griese von Femi K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Griese,

haben Sie vielen Dank für Ihre prompte Antwort. Ihre Argumente sind mir bekannt, doch leider gehen sie auch ein wenig an der bundesdeutschen (Arbeits)wirklichkeit vorbei.

Fakt ist doch, dass es zu wenig Erwerbsarbeit für alle Menschen im erwerbsfähigen Alter gibt. Offiziell haben wir 2,63 Millionen Arbeitslose in Deutschland. Das ist die offizielle Arbeitslosenzahl. Rund 800.000 De-facto-Arbeitslose führt die Bundesagentur für Arbeit nicht in der Arbeitslosen-, sondern in der separaten Unterbeschäftigungsstatistik. Darüber hinaus gibt es rund 4 Millionen Hartz-IV-Empfänger und -Aufstocker. (Quelle: www.o-ton-arbeitsmarkt.de).

Alle bisherigen Versuche, die Massenarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen, sind doch gescheitert. Hierzulande wächst seit der Verabschiedung der Hartz-IV-Gesetze das Interesse am Vorschlag des bedingungslosen Grundeinkommens. Es wäre eine Alternative zur Politik des Druckausübens auf Erwerbslose. Der Erfolg des Förderns und Forderns ist sowieso zweifelhaft – siehe o.g. Zahlen.

Wäre es dies nicht auch ein Grund für politische Parteien, das Modell BGE zumindest in Erwägung zu ziehen, mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen zu diskutieren und vielleicht regional zu erproben?

Beim Modell BGE geht es doch gar nicht darum, dass die Menschen dank des Grundeinkommens von nun an untätig herumsitzen sollen/können, sondern ganz im Gegenteil.

Mit freundlichen Grüßen

Femi Kusimo

P.S. Überhaupt scheint mir die Erwerbsarbeit eine Art Ersatzreligion geworden zu sein. Dies wird sehr schön in dem Dokumentarfilm „Frohes Schaffen“ deutlich, in dem der Regisseur Konstantin Faigle die "Absurditäten der Arbeitswelt" verdeutlicht und Ökonomen, Philosophen und Journalisten den "Mythos Arbeit" entzaubern lässt

Kerstin Griese MdB
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Kusimo,

schade, dass Sie gar nicht auf meine unter http://www.abgeordnetenwatch.de/kerstin_griese-778-78135--f447202.html#q447202 genannten Argumente eingehen. Denn es lohnt sich, sich in die Perspektive der Kinder hineinzuversetzen, die in einer Familie aufwachsen, die von Hartz IV lebt. Für die macht es jedenfalls kaum einen Unterschied, wie die soziale Transferleistung heißt, von der sie abhängig sind.

Ich bin weit davon entfernt, die Bedeutung der Erwerbsarbeit zu überhöhen. Denn ich weiß, dass viele Menschen, insbesondere wenn sie Kinder haben, gerne den zeitlichen Umfang ihrer Berufstätigkeit reduzieren möchten. Die Zahl derer, die völlig auf die Erwerbstätigkeit verzichten möchten, geht hingegen erheblich zurück. Gerade die immer besser ausgebildeten Frauen möchten, dass Familien- und Erwerbsarbeit partnerschaftlich geteilt werden. Insbesondere die Wirtschaft muss da noch lernen und viel mehr flexible Teilzeitangebote im Umfang von etwa 30 Wochenstunden machen. Die Politik und Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) setzen mit dem Elterngeld Plus und Vorschlägen für verbesserte Teilzeitregelungen die richtigen Rahmenbedingungen.

Selbstverständlich beschäftigen sich die Sozialpolitikerinnen und Sozialpolitiker quer durch die Parteien mit Vorschlägen wie dem bedingungslosen Grundeinkommen und haben darüber auch schon mit Sachverständigen gesprochen. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass solch eine Debatte niemals eine Alternative zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sein darf, so wie sie das in ihrer Frage andeuten. Für mich gehört die Zurückdrängung der weiterhin bedrückend hohen Langzeitarbeitslosigkeit zu den Prioritäten meiner Politik.

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat mittlerweile ein sehr gutes Programm gegen die Langzeitarbeitslosigkeit gestartet. Damit, und das ist mir besonders wichtig, wird gerade auch Familien und insbesondere Alleinerziehenden geholfen. So werden auch den Kindern neue Perspektiven eröffnet. Für deren Bildungschancen ist es überaus wichtig, in einer Familie aufzuwachsen, die einen geregelten Tagesablauf kennt.

Das neue Programm sorgt für eine bessere Betreuung in Aktivierungsnetzwerken, wo gut ausgebildete Fachkräfte die Langzeitarbeitslosen begleiten, coachen und vermitteln. Es ist notwendig, dass deren Alltag strukturiert wird und langzeitarbeitslose Menschen die Erfahrung machen können, gebraucht zu werden. Für Erwerbslose, die aufgrund gravierender gesundheitlicher Probleme nur geringe Chancen auf eine Festanstellung haben, ist es wichtig, schrittweise wieder in das Arbeitsleben einzusteigen. Das kann stundenweise beginnen und dann allmählich aufgestockt werden. Es braucht gezielte und passgenaue Fördermöglichkeiten, um Langzeitarbeitslosen den Weg in den Arbeitsmarkt zu bahnen.

Mit freundlichen Grüßen

Kerstin Griese

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