Frage an Kerstin Andreae von Marc W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Andreae,
wer sich mit den Themen Demokratie und Wirtschaft befasst stellt bald fest, daß das Wirtschaftswachstum, daß sich alle ja so sehr erhoffen nicht mehr der Allgemeinheit dient ,sondern einer immer kleiner werdenden Wirtschaftselite. Während diese Wirtschaftselite immer größeren Einfluß auf die Politik nimmt, geht es den Menschen und der Umwelt immer schlechter. Versuche Probleme wie Rentensicherung, ein kränkelndes Gesundheitssystem und Umweltverschmutzung in den Griff zu bekommen müssen ins leere laufen, so lange Organisationen wie WTO, Weltbank und IWF die Interessen der Superreichen rücksichtslos durchsetzen.
Für viele Menschen ist die Macht des Stärkeren (durchgesetzt durch Unrechtpositivismus) am eigenen Leibe spürbar.
Viele Menschen wünschen sich, daß Sie sich als Politiker in einem demokratischen Staat auf die Seite der Menschen stellen.
Wie stehen sie zu den oben genannten Organisationen (WTO, IWF, Weltbank)?
Was halten sie von dem in diesem Jahr in Heiligendamm abgehaltenen G8-Gipfel?
Glauben Sie, daß diese Intitutionen und dieser Gipfel den Menschen Gutes tun oder schließen Sie sich meiner Meinung an, daß das alles transnationalen Konzernen und Kapitaleignern dient, während die große Masse der Menschen immer härter um´s Überleben kämpfen muß, um den Hunger der Reichen zu stillen?
Mit freundlichen Grüßen
Marc Wilnauer
Sehr geehrter Herr Wilnauer,
ich bin der Ansicht, dass wir reformierte globale Institutionen brauchen. Sie abzuschaffen oder stark zu schwächen, wird weder uns noch den Entwicklungsländern nutzen.
Auch Entwicklungsländer halten ein regelgestütztes Welthandelssystem für notwendig. So trägt beispielsweise die Streitschlichtung der WTO zur Lösung von Handelskonflikten bei. Hiermit existiert bei aller Kritik an Einzelentscheidungen ein Mechanismus, der das "Recht des Stärkeren" zwar nicht aufhebt, aber multilateral einbindet. Aktuell haben die "Niederlagen" der EU im Streit um die Subventionspraxis beim Zucker und der USA beim Streit um Baumwollsubventionen den Druck auf diese Staaten erhöht, ihre Politik zu ändern.
Ein gerechtes Handelssystem setzt jedoch voraus, dass möglichst alle Teilnehmer von den Handelsregeln profitieren. Wie sich das Welthandelssystem entwickelt, entscheidet sich in den so genannten Welthandelsrunden der Welthandelsorganisation (WTO). Die Handelspolitik muss mit den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung, des Umweltschutzes, der sozialen Gerechtigkeit und der Beachtung sozialer Mindeststandards, der Armutsbekämpfung, der Sicherung des Wettbewerbs und des Gesundheits- und Verbraucherschutzes in Einklang gebracht werden.
Seit langem belegen Umwelt-, Gewerkschafts- und Entwicklungsgruppen die G8 mit scharfer Kritik. Es stellt sich einfach die Frage, ob der "Club der Reichen" mit seinem begrenzten Mitgliederkreis noch in die Welt von heute passt. Ist das der richtige Ort, um globale Fragen wie Klimawandel und Armut zu diskutieren, wenn ganze Kontinente nicht am Tisch sitzen? Vom Standpunkt globaler Gerechtigkeit und repräsentativer Teilhabe scheint die Antwort klar. Solche Weichenstellungen gehören besser unter das Dach der UNO. Ich teile deshalb die Kritik an der fehlenden Legitimität der G8. Der Bundesregierung werfe ich vor, die Debatte über die Rolle der G8 über ihre längst fällige Transformation und eine Stärkung der Vereinten Nationen zu vernachlässigen. Dieses Versäumnis ist eigentlich unverständlich, denn es liegen hoch interessante und zukunftsweisende Vorschläge auf dem Tisch. Eine noch von Kofi Annan eingesetzte hochrangige Expertenkommission hat zum Beispiel im Jahr 2006 detaillierte Pläne für eine kräftige Aufwertung des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen (ECOSOC) vorgelegt. Es gibt also durchaus mögliche Alternativen zum exklusiven Zirkel der G8.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Andreae MdB