Frage an Kerstin Andreae von Beate M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Insbesondere Vertreter aus konservativen Reihen machen sich dafür stark, den Familiennachzug für 'subsidiär Schutzberechtigte' auch nach Ende der temporären Aussetzung bis März 2018 nicht zulassen.
– Ist für Sie der Nachzug von Ehepartnern/Kindern von Flüchtlingen unter nur 'subsidiärem Schutz' - also z.B. syrischen Kriegsflüchtlingen - ein Weg, der schnellstens wieder verfügbar sein sollte?
– Befürworten Sie die in einigen Bundesländern existierenden Landesaufnahmeprogramme, die den Familiennachzug auf der Basis privater Bürgschaften ermöglichen?
– Werden Sie sich nach der Wahl in Ihrer Partei dafür einsetzen, ein dementsprechendes bundesweites Programm zu realisieren?
Danke für Ihre Stellungnahme dazu.
Sehr geehrte Frau Meier,
die Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär geschützten Personen (beispielsweise Bürgerkriegsflüchtlinge) hat massive negative Auswirkungen auf die Familien. Darin sind sich alle Fachleute, NGOs sowie ehrenamtliche Helferinnen und Helfer einig. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat eine Petition aufgesetzt, bei der auch die konkreten Schicksale dargestellt werden. Oftmals sind es die Kinder, die mit ihren Müttern alleine in überfüllten Flüchtlingslagern jahrelang auf eine Familienzusammenführung warten müssen. Die Trennung von der Familie ist ein zentrales Integrationshemmnis. Wer ständig Angst um seine engsten Angehörigen im Krieg in Syrien oder Irak haben muss, hat weniger Kraft hier in Deutschland anzukommen. Wer an seine Familie denkt und sich sorgt, kann sich nicht auf Integrationskurs, Schule, Ausbildung oder den neuen Job konzentrieren. Die Perspektive, möglicherweise erst nach langem Warten wieder vereint zu sein, treibt zudem die betroffenen Familienmitglieder, auf gefährlichen Wegen nach Europa und Deutschland zu kommen. Die Möglichkeit des Zusammenlebens mit der eigenen Familie ist eines der zentralen Grundrechte. Für geflüchtete Menschen ist die Einheit der Familie oft nur schwer möglich: Sie werden durch Krieg, Vertreibung oder auf der Flucht getrennt oder einzelne Familienmitglieder versuchen allein zu flüchten. Nach einem erfolgreich durchlaufenden Asylverfahren besteht dann eigentlich die Möglichkeit des Familiennachzugs. Doch gegenwärtig ist der Nachzug massiv beschränkt - auch deshalb, weil einerseits die Beantragung und Bearbeitung der Visa zum Familiennachzug, vor allem in den Anrainerstaaten Syriens, über ein Jahr dauert. Andererseits hat die große Koalition im Asylpaket II beschlossen, dass alle Personen mit einem sogenannten subsidiären Schutz, zum Beispiel Bürgerkriegsflüchtlinge, zusätzlich bis zu zwei Jahre warten müssen, bis sie überhaupt einen Antrag auf Nachzug stellen können. Diese Entscheidung führt dazu, dass viele - besonders syrische - Familien mehrere Jahre voneinander getrennt leben müssen. Unbegleitete Minderjährige sind von den Einschränkungen des Familiennachzugs besonders betroffen: Denn ein mögliches Nachzugsrecht der Eltern erlischt mit Vollendung des achtzehnten Lebensjahres, so dass die Familien dauerhaft getrennt bleiben. Hinzu kommt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge offenkundig seine Anerkennungspraxis geändert hat und immer mehr syrische AsylantragstellerInnen nur den subsidiären Schutzstatus erhalten. Damit sind sie vom Familiennachzug erst einmal ausgeschlossen. Wer Integration will, muss Geflüchteten, die wahrscheinlich viele Jahre in Deutschland leben werden, Perspektiven auf ein Zusammenleben mit den Familien bieten. Ihre Grundrechte dürfen nicht beschnitten werden.
Wir wollen außerdem die UN-Aufnahmeprogramme aus Flüchtlingslagern (Resettlement-Kontingente) deutlich ausbauen. Resettlement ist eine Ergänzung zum bestehenden Flüchtlingsschutz der Genfer Flüchtlingskonvention. Das individuelle Asylrecht wird dadurch nicht angetastet. Auch humanitäre Visa, die Schutzbedürftigen ermöglichen, sicher nach Europa zu kommen und hier Asyl zu beantragen können legale Fluchtmöglichkeiten schaffen. Wenn wir gleichzeitig Erstaufnahmeländer (wie z. B. Jordanien, den Libanon) darin unterstützen, menschenwürdige Aufnahmebedingungen zu gewährleisten und den Flüchtlingen eine echte Integrationsperspektive in ihrem Land anzubieten, werden sich weniger Menschen alleine auf den Weg machen oder sich in die Hände von Schlepperbanden begeben.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Andreae