Frage an Kerstin Andreae von Andreas V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Andreae,
vielen Dank für ihre letzte Antwort zum Thema der Geheimdienstaffäre und dem Schutz der Bürgerrechte.
Vielleicht sind es nicht nur in- und ausländische Geheimdienste, die eine Totalüberwachung betreiben. Ich halte es für dringend geboten, auch Ämtern und Behörden klare Grenzen zu setzen.
Vor einigen Tagen war diesbezüglich im Gespräch, beispielsweise eBay-Verkäufe von Hartz-4 Empfängern von Behördenseite aus zu überwachen um Sozialbetrug zu verhindern. Kann das wirklich sein? Ist das die Art, wie unser Staat mit Empfängern von Sozialleistungen umgehen sollte (und überhaupt darf)? Dieser Generalverdacht seitens der Behörden zeigt eindrücklich, wie tief die Gräben zwischen Bürgern und Staat bereits sind. Ich meine, dass dies ein weiterer Schritt in Richtung Entwürdigung von bestimmten Personengruppen und einer neuen Form der 2-Klassen-Gesellschaft ist.
Es passt gut ins Bild, dass der Datenschutzbeauftragte Schaar feststellt, dass Finanzämter und Sozialbehörden immer öfter Informationen über Konten abrufen ( siehe http://www.badische-zeitung.de/wirtschaft-3/immer-mehr-kontenabfragen--77694357.html ).
Hier wäre doch einmal die Gelegenheit, durch klare gesetzliche Vorgaben etwas zu verändern hin zu mehr Vertrauen und weniger Kontrolle im Sinne einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft. Sehen Sie hier die Möglichkeit auf Bundesebene einen entsprechendes Gesetz voranzubringen?
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Velte
Sehr geehrter Herr Velte,
wie Sie zurecht anmerken, reden wir in Sachen Datenschutz nicht nur über die Spitzelaffären der Geheimdienste. Noch nie wurde so viel erfasst, gespeichert und übermittelt und immer häufiger werden Daten zur Überwachung oder Profilerstellung missbraucht. Die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung war und ist auch gerade vor dem Hintergrund des schwelenden, nach wie vor völlig unaufgeklärten Geheimdienste- und Überwachungsskandals von NSA, GHCQ und BND und Co., die mit vergleichbaren Mitteln gegen die Gesamtbevölkerung vorgehen, nicht nachvollziehbar. Der Datenschutz muss im Grundgesetz sowohl für staatliche als auch für private Stellen verbindlich festgeschrieben werden und wir brauchen ein verfassungsgemäßes Recht auf Informationsfreiheit. Wer an sozialen Netzwerken teilnimmt, muss besser über die Risiken informiert sein, die mit der Preisgabe persönlicher Daten verbunden sind. Es muss möglich sein, den Weg der eigenen Daten nachzuverfolgen, die Weitergabe zu unterbinden und ihre Löschung zu verlangen. Zudem ist eine wirkungsvolle Haftungsregelung für die illegale Weitergabe von Daten und bei Datenschutzpannen nötig. Wer trickst und täuscht, soll dafür höhere Bußgelder zahlen und für die Folgen der Verfehlungen haften.
Egal ob es um das Ausspähen von Arbeitnehmerdaten oder um private Daten geht: Die Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, wer was wann und wo speichert und übermittelt. Nur sie selbst – kein Arbeitgeber, kein Internetanbieter, keine Krankenkasse und auch nicht der Staat – dürfen bestimmen, wer Zugriff auf ihre Daten hat und was damit geschehen soll.
Wir haben bereits in den vergangenen Jahren durch parlamentarische Anfragen und Anträge auf diese Problematik hingewiesen und werden auch weiterhin in Sachen Datenschutz aktiv bleiben. Zuletzt hat die Grüne Bundestagsfraktion kurz vor Weihnachten einen entsprechenden Antrag auf den Weg gebracht ("Die Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter", Bundestagsdrucksache 18/182). Es liegt nun an der neuen Bundesregierung, durch eine entsprechende Gesetzesinitiative, den Datenschutz im Grundgesetz verbindlich festzuschreiben.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Andreae MdB