Frage an Kerstin Andreae von Tim W. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Andreae,
ich habe eine Frage bezüglich dem Abstimmungsverhalten Ihrer Fraktion: Ist es richtig, dass die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Jahr 2004 mehrheitlich für den Bau von Stuttgart 21 votiert hat. Wenn ja, können Sie mir heute noch die Gründe nennen, warum Ihre Fraktion damals das Projekt unterstützt hat?
Mit dieser Frage möchte ich niemandem "ans Bein pinkeln" - im Gegenteil. Ich bin S21-Gegner und Grünen-Wähler seit ich an die Wahl-Urne darf, bin nur etwas irritiert, weil immer wieder behauptet wird, die Grünen hätten das Projekt damals mitgetragen. Wenn dem so ist, wüsste ich heute gerne die Gründe :-)
Ich bedanke mich im Voraus für Ihre Antwort und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Tim Wohlbold
Sehr geehrter Herr Wohlbold,
die Behauptung, die Grünen hätten im Bundestag 2004 für Stuttgart 21 gestimmt, wurde von der ehemaligen Grünen Jutta Dithfurth verbreitet. 2004 gab es keine Abstimmung dazu im Deutschen Bundestag, sondern erst 2005. Da ich seit 2002 Mitglied des Bundestages bin und schon immer gegen Stuttgart 21, kann ich dazu sehr persönlich Stellung nehmen.
Zunächst einmal konnte der Bundestag nicht über Stuttgart 21 als Projekt abstimmen, Stuttgart 21 war immer alleiniges Projekt der Deutsche Bahn AG, d.h. nur die Bahn kann das Gesamtprojekt stoppen. 2005 wurde lediglich über die Mitfinanzierung abgestimmt.
Volker Kauder behauptete im Deutschen Bundestag als erster, die GRÜNEN hätten 2005 für Stuttgart 21 gestimmt. Er bezieht sich auf eine Beschlussempfehlung 15/5572 des Deutschen Bundestages (siehe unten).
Wahr ist, dass die GRÜNEN in dieser Beschlussempfehlung verhindert haben, dass sich der Deutsche Bundestag für Stuttgart 21 ausspricht.
Die Beschlussempfehlung 15/5572, auf die sich Kauder beruft, referiert zunächst den Inhalt von drei Anträgen zur TEN-Magistrale 17. Diese Beschlussempfehlung wurde für erledigt erklärt, weil man sich überparteilich einstimmig auf eine gemeinsame Entschließung geeinigt hatte.
Im gemeinsamen Entschließungsantrag heißt es dann lediglich: “An der Modernisierung des Bahnknotens Stuttgart beteiligt sich der Bund in Höhe der von bis zu 453 Mio Euro.”
“Modernisierung des Bahnknotens” heißt aber nicht “Stuttgart 21″, sondern, dass der Bahnknoten Stuttgart ausgebaut werden soll, was für die GRÜNEN eine Modernisierung des Kopfbahnhofs bedeutet hat. Die GRÜNEN hätten nie einem gemeinsamen Antrag zugestimmt, der ein Bekenntnis zu Stuttgart 21 enthält und haben es auch nicht getan.
Die von Volker Kauder zitierte Aussage, Stuttgart 21 solle nicht mehr in Frage gestellt werden, findet sich nicht etwa in dem gemeinsamen Entschließungsantrag, sondern in dem CDU/CSU-Antrag, der durch den gemeinsamen Entschließungsantrag für erledigt erklärt wurde.
Ich hoffe, damit konnte ich die Unklarheiten beseitigen und wünsche viel Erfolg beim gemeinsamen Kampf gegen Stuttgart 21.
Mit freundlichen Grüßen,
Kerstin Andreae
Quellen und weiterführende Links:
Die von Volker Kauder zitierte Beschlussempfehlung:
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/15/055/1505572.pdf
Offener Brief von Winfried Hermann, MdB an Volker Kauder, MdB:
http://www.winnehermann.de/2010/2010/10/29/brief-an-den-cducsu-fraktionsvorsitzenden-dr-volker-kauder/
PM von Winfried Hermann zum Beschluss von 2005:
http://www.winnehermann.de/archiv/verkehr/strassen-schienen-bw/050315_stuttgart21.pdf