Frage an Kerstin Andreae von Klaus S. bezüglich Kultur
Sehr geehrte Frau Andrae,
Sie schrieben: "In einem Änderungsantrag habe ich zusammen mit weiteren Abgeordneten aus allen Fraktionen vorgeschlagen, dass der zum Ausdruck gebrachte Wille des nicht einsichts- und urteilsfähigen Kindes beachtet werden muss und dass die Frist, innerhalb der auch Nichtärzte ohne Narkose beschneiden dürfen, von sechs Monaten auf 14 Tage nach der Geburt verkürzt wird."
Wie kann ein nicht einsichts- und urteilsfähiges Kind 14 Tage nach seiner eigenen Geburt, seinen Willen zum Ausdruck bringen nicht beschnitten zu werden? Wie kann es dies 6 Monate nach seiner Geburt tun? Besteht bei Erreichen der Mündigkeit die Möglichkeit für das Kind gegen den Eingriff zu klagen?
Sie schrieben "Der Kern der Debatte dreht sich um die Auslegung des Kindeswohls in der grundrechtlichen Abwägung zwischen dem Recht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes, dem Recht und der Pflicht der elterlichen Fürsorge und der Frage der Religionsfreiheit des Kindes, die die Eltern stellvertretend für das Kind ausüben."
Jeden demokratischen Menschen freut das friedliche Zusammenleben der Religionen in Deutschland. Die Abwägung zwischen GG Art 2,2 und Art 4,2 dürfte spannend sein:
GG Art 2,2: Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
GG Art 4,2: Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet
Welche Überlegungen haben zu Ihrer persönlich Stimmentscheidung geführt?
Sehr geehrter Herr Saalfeld,
eine Beschneidung ist tatbestandlich - wie jede Operation - eine Körperverletzung, die durch rechtswirksame Einwilligung gerechtfertigt werden kann und dann straffrei ist. Bei Minderjährigen handeln grundsätzlich die Eltern stellvertretend für das Kind und sind dabei an das Kindeswohl gebunden. Die Wahrung der körperlichen Unversehrtheit und das Recht des Kindes, als vollwertiges und gleichberechtigtes Mitglied einer Religionsgemeinschaft aufzuwachsen, sind jeweils Aspekte des Kindeswohls. Der körperliche Eingriff bei einer Beschneidung ist ein irreversibler Eingriff mit niedriger Eingriffstiefe, soweit er medizinisch fachgerecht durchgeführt wird. Er wird zum Teil auch aufgrund von hygienischen und prophylaktischen Überlegungen durchgeführt. In den abrahamitischen Religionen ist das Beschneidungsgebot das erste und zugleich die Begründung des Bundes mit Gott. Daher ist es für Juden zentral und für die meisten Muslime unverzichtbar.
Der Staat muss bei einer rechtlichen Regelung darauf achten, dass die Beschneidung medizinisch fachgerecht von qualifizierten Fachleuten durchgeführt wird. Hierdurch verwirklicht er das Kindeswohl und schützt die Gesundheit des Kindes - Art. 2 GG. Im Falle einer Illegalisierung der Beschneidung käme es sicher häufiger zu nicht fachgerechten Eingriffen durch unqualifizierte Beschneider. Dies gilt es zu vermeiden. Jüdischer Glaube, Islam und Christentum gehören zu Deutschland. Dies wollte ich mit meinem Abstimmungsverhalten auch zum Ausdruck bringen.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Andreae