Frage an Kerstin Andreae von Urs N. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Andeae!
Könnten Sie sich vorstellen, dass für den Fall einer Kostenexplosion im Strompreissektor mit ihren Folgen (Abwanderung von Untertnehmen, Massenentlassung bei Energieversorgern, Überlastung Einkommensschwacher) ein PLAN B zum Atommausstieg erarbeitet wird?
Und warum wird noch keine breite Diskussion darüber geführt, was geschehen soll, wenn in ca. 35 Jahren unsere Erdölvorräte aufgebraucht sind?
Mit freundlichen Grüßen
Urs Naumann
Sehr geehrter Herr Naumann,
Atomkraft macht unseren Strom nicht preiswert. Im Gegenteil: Seit 2003 ist der Strompreis um ca. 40 Prozent gestiegen, obwohl die AKWs am Netz waren. Die künftige Strompreisentwicklung ist weitgehend nicht kalkulierbar. Klar ist aber, dass der Atomausstieg kein Preistreiber wird. Selbst atomfreundliche Studien – etwa die Energieszenarien der Bundesregierung aus dem Jahr 2010 – zeigen keinen Zusammenhang zwischen Strompreis und Laufzeiten der AKWs. Fukushima hat gezeigt, dass ein Stromausfall eine Kernschmelze auslösen kann. Das kann auch hierzulande passieren. Das zunehmende Alter macht AKWs störanfälliger. Über 4.000 meldepflichtige Zwischenfälle gab es allein in den 17 deutschen Atomkraftwerken. Dem gezielten Absturz eines Passagierflugzeugs – seit dem 11.9.2001 eine unbestreitbare Bedrohung – hielte kein einziges AKW stand. Es ist eine Frage der Ethik und des Verstandes, alles dafür zu tun, das Risiko eines schweren Atomunfalls zu beenden. Daher darf es kein anderes Szenario geben, als den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomkraft.
Die Energiepolitik steht vor einer großen Herausforderung. Die Probleme der Klimaveränderung, des wachsenden Energiehungers, der zunehmenden Rohstoffknappheit und der steigenden Energiepreise müssen gleichzeitig gelöst werden und zwar so, dass kommenden Generationen die Zukunft nicht verbaut wird. Die weltweite Entwicklung der Öl- und Gaspreise ist immer noch der allergrößte Strompreistreiber. Dazu kommen noch die unverhältnismäßigen Gewinne der großen Energiekonzerne. Das Abschalten der Atomkraftwerke ist im Vergleich dazu vernachlässigbar. Langfristig ist deshalb der beste Schutz vor hohen Strompreisen eine 100-prozentige erneuerbare Energieversorgung und mehr Wettbewerb auf den Energiemärkten.
Die von Ihnen angesprochenen Erdölvorräte sind nicht nur endlich, ihr Abbau ist auch zutiefst umweltschädlich. Dazu kommt: Circa drei Viertel der in Deutschland verbrauchten energetischen Rohstoffe werden aus dem Ausland importiert, wo ihr Abbau oft unter menschenunwürdigen Bedingungen stattfindet. Wir brauche hier dringend mehr Transparenz und verbindliche internationale Umwelt- und Sozialstandards und eine Drosselung des Rohstoffverbrauchs durch Umstellung auf Erneuerbare Energien. Deutschland konnte dabei in den letzten Jahren große Erfolge verbuchen: Der Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergiebedarf stieg zwischen den Jahren 2000 und 2009 von drei auf neun Prozent, bei der Stromerzeugung sogar auf 17 Prozent. Der von uns Grünen vor gut zehn Jahren mit dem EEG eingeschlagene Weg fand inzwischen in über 40 Ländern der Erde Nachahmer. Diesen Weg müssen wir konsequent weitergehen, er ist aus meiner Sicht alternativlos!
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Andreae MdB