Frage an Kerstin Andreae von Annett G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Liebe Kerstin Andreae,
als friedensbewegte Wählerin in Ihrem Wahlkreis interessiert mich Ihre Meinung zu den in Deutschland gelagerten US-Atomwaffen.
US-Präsident Obama hat sich für eine atomwaffenfreie Welt ausgesprochen. Er beruft sich dabei u.a. auf den 1968 abgeschlossenen Atomwaffensperrvertrag, in dem sich alle Unterzeichnerstaaten – inklusive Deutschland - „in redlicher Absicht“ zu vollständiger nuklearer Abrüstung verpflichten.
In der Bundesrepublik Deutschland sind trotz Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages bis heute Atomwaffen stationiert. Die Bundesluftwaffe hält im Rahmen der nuklearen Teilhabe Kampfflugzeuge bereit und macht mit ihnen Übungen, um im so genannten „Ernstfall“ die Atomwaffen zu ihrem Einsatz fliegen zu können.
Ein atomwaffenfreies Deutschland wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt und ein Beitrag zur Stärkung des Artikels VI des Atomwaffensperrvertrages.
Dieses Ziel begleitet die Grünen seit ihrer Gründung.
Sind Sie, Frau Andreae, bereit, im Falle einer Beteiligung an der zukünftigen Bundesregierung den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland in redlicher Absicht in die Verhandlungen zum Koalitionsvertrag aufzunehmen und diesen dort festzuhalten, soweit es Ihnen persönlich möglich ist? Dies mit dem konkreten Ziel, bei der nächsten Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages 2010 Deutschland öffentlich für atomwaffenfrei zu erklären, was die Einstellung von Übungsflügen für den Atomwaffeneinsatz, die Abrüstung der atomwaffenfähigen Trägersysteme der Bundeswehr sowie die Beendigung der Mitarbeit an der Planung für den Einsatz beinhaltet.
Über Ihre Antwort noch vor der Wahl freue ich mich.
Mit freundlichen Grüßen
Annett Gnass
Sehr geehrte Frau Gnass,
falls wir Grüne nach der Wahl in Koalitionsverhandlungen eintreten, werden wir uns für eine unverzügliche nukleare Abrüstung einsetzen. Riesige Waffenarsenale und ungleiche militärische Fähigkeiten waren und sind eine Quelle von Unsicherheit überall auf der Welt. Sie sind mit einer Politik der Krisenprävention und kollektiven Sicherheit nicht vereinbar. Die zentralen globalen Herausforderungen wie der Klimawandel, zerfallende Staaten oder die Weiterverbreitung von Atomwaffen sind mit Hochrüstung nicht zu lösen. Im Gegenteil. Diese Hochrüstung - insbesondere der USA und der NATO-Staaten - provoziert neue Rüstungswettläufe, militärische Begehrlichkeiten und asymmetrische Gegenmaßnahmen. Noch immer gibt es Tausende von Atomwaffen auf dieser Welt. Weil die Atomwaffenstaaten, allen voran die USA und Russland, ihrer Abrüstungsverpflichtung nicht nachkommen, wächst das Risiko, dass sich andere Staaten unter dem Deckmantel der zivilen Nutzung der Atomenergie oder mit Hilfe von Schmugglern Atombomben verschaffen. Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea haben gezeigt, wie es geht. Iran oder Brasilien stehen im Verdacht zu folgen. Während der Iran sanktioniert wird, wurde Indien 2008 von den Nuklearsanktionen befreit. Nun kann es - auch dank deutscher Hilfe - sein Atomwaffenprogramm ausbauen. Das untergräbt das im Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) gegebene Versprechen auf eine universelle Welt ohne Atomwaffen. Ergraute Staatsmänner wie Henry Kissinger, Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher, die für die nukleare Hochrüstung lange mitverantwortlich waren, haben die Gefahr erkannt. Sie und andere Prominente fordern heute, wofür die Grünen und die unabhängige Friedensbewegung seit ihrer Gründung streiten: eine Welt ohne Atomwaffen (Global Zero). Dies erfordert ein radikales Umdenken, weg von einer Politik der nuklearen Abschreckung. Der UN-Sicherheitsrat hat dazu erst diese Woche eine wichtige Resolution verabschiedet. Nun müssen konkrete Schritte folgen. Deutschland muss unverzüglich seine nukleare Teilhabe beenden und darauf hinwirken, dass die gesamte NATO im Rahmen ihrer Strategie-Überprüfung einen Plan zur Entnuklearisierung vorlegt. Die fortgesetzte Mitwirkung Deutschlands an der nuklearen Abschreckung ist sicherheitspolitisch nicht mehr zu rechtfertigen, schadet globalen Bemühungen um die Kontrolle und Abrüstung von Kernwaffen und trägt zudem dazu bei, dass wir künftig weltweit mehr Atomwaffen in mehr Händen haben als weniger. Denn ohne deutliche Abrüstungsbemühungen der Atomwaffenstaaten und der Atomwaffen-Teilhabe-Staaten droht das gesamte Nichtverbreitungsregime zu erodieren. Wer selbst nicht bereit ist, ohne Atomwaffen zu leben, kann dies auch nicht von anderen verlangen.
mit freundlichen Grüßen
Kerstin Andreae