Frage an Kerstin Andreae von Harry S. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Andreae,
können Sie mir sagen, wie viele Tage vor der ersten Abstimmung Ihnen die schriftliche Form des konsolidierten Lissabon Vertrags vorlag? Schätzen sie die Zeit, die gegeben wurde, für sie und ihre Kollegen im Bundestag für ausreichend ein, sich mit diesem enorm wichtigen Vertrag auseinanderzusetzen?
Mir geht es um die Frage, ob die Abgeordneten genug Zeit hatten, den Vertrag komplett durchzuarbeiten. Ich bedanke mich für ihren Einsatz und ihre Arbeit.
Mit freundlichen Grüßen
Harry Schmierer
Sehr geehrter Herr Schmierer,
meine Meinung über den Vertrag konnte ich mir bereits vor der Veröffentlichung des konsolidierten Vertrages in einem langen Prozess bilden. Denn wir Grünen haben uns intern und öffentlich intensiv mit dem Inhalt des Vertrags von Lissabon und mit seinem Vorläufer, dem Verfassungsvertrag, der in einem öffentlich tagenden Konvent zur Zukunft Europas (Februar 2002-Juli 2003) erarbeitet und von allen EU-Mitgliedstaaten einstimmig beschlossen wurde, auseinandergesetzt. Wir unterstützen den Vertrag von Lissabon, weil er überfällige Reformen an der Europäischen Union ermöglicht und die seit Jahren währende Reformdebatte abschließt. Er macht mehr europäische Politik möglich: beispielsweise in der Außenpolitik, in der Energiepolitik, aber auch in der Innen- und Justizpolitik. Er wertet die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger bei der Wahl zum Europäischen Parlament auf, denn dieses kann künftig in viel mehr Bereichen mitentscheiden und den Präsidenten der Kommission wählen. Und er gibt den nationalen Parlamenten mehr Rechte. Der Vertrag von Lissabon macht die EU insgesamt demokratischer, effizienter und transparenter. Er ist in schwierigen Verhandlungen von Vertretern der unterschiedlichen Mitgliedsstaaten ausgearbeitet worden. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben diesen Prozesses begleitet und erst kürzlich mit der Erarbeitung des sogenannten Lissabonbegleitgesetzes einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung des Lissabonvertrags in Deutschland geleistet.
Der am 13. Dezember 2007 zwischen den Mitgliedsstaaten ausgehandelte Vertrag wurde von der Bundesregierung am 28. Februar 2008 als Gesetzentwurf vorgelegt und den Abgeordneten zugeleitet. Mit diesem Gesetz sollte der Vertrag durch das Parlament in deutsches Recht überführt und damit ratifiziert werden. In der Plenarsitzung des Bundestages vom 13. März 2008 wurde der Gesetzentwurf erstmals beraten und federführend an den Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union überwiesen. Zwischen Februar und April 2008 gab es drei öffentliche Expertengespräche im Europa-Ausschuss. Nachdem die Diskussionen im federführenden und den mitberatenden Ausschüssen abgeschlossen waren, wurde der Gesetzentwurf am 24. April 2008 in einer Plenarsitzung des Bundestags beraten und abgestimmt. Zwischen der ersten Vorlage des Gesetzes und der Abstimmung lagen also fast zwei Monate, in denen wir Abgeordnete uns ein Bild machen konnten. Nun hatten Sie speziell nach der konsolidierten Fassung des Vertragswerks gefragt. Sie wurde am 15. April 2008 und somit vor der Abstimmung im Deutschen Bundestag unter diesem Link online gestellt: http://www.consilium.europa.eu/cms3_fo/showPage.asp?id=1296?=DE&mode=g
Der Hintergrund dieser Verzögerung, die auch wir kritisiert haben, ist, dass der Vertrag nach seiner Unterzeichnung von allen Staats- und Regierungschefs am 13. Dezember 2007 zunächst in eine konsolidierte Form gebracht werden, in alle Amtssprachen der EU übersetzt (das sind derzeit 23) und von SprachjuristInnen geprüft werden musste. Eine erste und nicht konsolidierte Fassung des neuen Vertrages, die jedoch nur schwer lesbar war, lag bereits seit August 2007 vor.
Unsere Grünen Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker aus dem Europaausschuss, dem Auswärtigen Ausschuss und der Parlamentarischen Geschäftsführung haben dafür gesorgt, dass alle Grünen Abgeordneten schon im Vorfeld der Einbringung des konkreten Gesetzentwurfs ins Parlament ständig auf dem aktuellen Stand der Debatten um den Lissabonvertrag waren. Ihre intensive Auseinandersetzung mit der Thematik ist eine wichtige Voraussetzung für die Entscheidungsfindung der Grünen Bundestagsfraktion gewesen. Auf Grundlage der von unseren Fachpolitikern erarbeiteten Argumentationspapiere haben wir Grünen in unseren Fraktionssitzungen die Details der Verhandlungen und Rechtsakte zum Lissabonvertrag diskutiert und unsere Positionen in den entsprechenden Ausschusssitzungen und im Parlament vertreten. Diese Form der Arbeitsteilung ist sinnvoll, denn nur so können bei der Fülle von Fragen, mit der wir Abgeordnete uns beschäftigen, so komplexe Themen wie der Lissabonvertrag mit der nötigen Sorgfalt und Tiefe bearbeitet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Andreae