Frage an Kerstin Andreae von Rolf H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Andreae,
zu Ihrer Rede „IHK“ v.18.12. auf Ihrer WebPräsenz.
Ihr Vorgänger, W.-Sprecher Mathias Berninger / ´06 Haushaltsdebatte/ weniger Bürokratie/ hat sich für die
„Abschaffung der Zwangsmitgliedsschaft“ ausgesprochen.
WARUM jetzt diese KEHRTWENDE ?
Gegenfragen:
1. Können Sie mir erklären, warum eine eine GmbH die ruht - also ohne Umsatz u. Gewinn- trotzdem noch Zwangsgebühr bezahlen muss? Der GmbH-Inhaber wird somit (zeitlebens) zum Zwangsarbeiter“ der IHK..
Für tausende ICH-GmbHn -bei nur noch 3 Jahren „IHK-Schonfrist“- blüht genau das gleiche.
2. Wie soll man hier „Freiheitsrechte“ nach GG Art.2 verstehen?
Die Zwangsmitgliedschaft bringt keine angemessene Gegenleistung.
Vor 160 Jahren mag das wohl noch anders gewesen sein (seit der >>Badischen Revolution<< sind Bürger, Handwerker, Arbeiter und Bauern in einer „Kammer“ vertreten).
Da war die Kammer das einzige „mittelbare“ Organ. Heute gibt es inzwischen ca.1 600.
3. Warum liegt die Wahlbeteiligung bei nur 4% - 10%? Genau so viele sind mittlerweile gegen den Kammerzwang, zum Teil zusammengeschlossen, wie z.B. unter http://www.bffk.de .
4. Glauben Sie wirklich, dass man bei dieser geringen Wahlbeteiligung noch von „Gesamtinteresse“ der Wirtschaft sprechen kann, die „Hoheitliche Aufgaben“ rechtfertigt und somit die Zwangsmitgliedschaft berechtigt ist?.
5. Wissen Sie überhaupt, wie dieses „Parlament“ zustande kommt?
Mit 10 „Stützunterschriften“ kann man sich dort aufstellen lassen.
Wenn es gar in einer Wahlgruppe nur zwei zu Wählende gibt und nur drei dafür kandidieren, ist die Wahl ins „IHK-Parlament“ ein Kinderspiel.
6. Sind das demokratischen Wahlen, wenn Wahldetails nicht veröffentlicht werden?
7. Ist Ihnen bekannt wozu die „gepriesene“ Selbstverwaltung führen kann? Betrachten Sie mal die momentane „Schieflage“ bei den IHKn in Schwerin, Lüneburg-Wolfsburg und in Ffm (siehe Presse und Medien).
MfG
Rolf Hofmann
noch Zwangsmitglied der IHK Südlicher Oberrhein / Nachfolgekandidat (06-11)
Sehr geehrter Herr Hoffmann,
Ich möchte Ihnen gern meine Position zur Kammermitgliedschaft näher erläutern. Ich kann nachvollziehen, dass manche Mitglieder mit der Arbeit ihrer Kammern unzufrieden sind. Die von Ihnen erwähnten IHKen in Schwerin oder Lüneburg-Wolfsburg sind leider nicht die einzigen, bei denen es erheblichen Ärger gibt. Häufig ist die Arbeit der Kammern intransparent, die Beteiligung der Mitgliedsunternehmen gering. Damit können wir uns nicht einfach abfinden. Ich bin deswegen dafür, die bisherigen Strukturen einer genauen Prüfung zu unterziehen, wie wir Grünen es auch in unserem Bundestagswahlprogramm fordern. Und endlich die nötigen Reformen einzuleiten, damit den Missständen bei den Kammern ein Ende gemacht wird. Dazu gehört für mich beispielsweise, dass die Wahlbeteiligung erhöht und die Arbeits- und die Entscheidungsstrukturen transparenter gestaltet werden. Bei aller Kritik an dem Agieren mancher Kammern finde ich es aber problematisch, als Lösung aller Probleme die Pflichtmitgliedschaft abzuschaffen. Denn damit würden nicht nur die von Ihnen angesprochenen "Gegenleistungen" für Unternehmen wegfallen. Die Dienstleistung für Mitglieder ist bei Weitem nicht der einzige Tätigkeitsbereich der Kammern, sie sind auch zur Erfüllung weit darüber hinausgehender hoheitlicher Aufgaben gesetzlich verpflichtet. Besonders wichtig ist ihre Rolle bei der Ausbildung. Wer sollte diese Aufgaben erfüllen, wenn die Kammern davon entbunden würden, weil sie ohne die Pflichtmitgliedschaft nicht mehr dazu herangezogen werden können? Die hoheitlichen Aufgaben würden automatisch in den Verantwortungsbereich des Staates übergehen. Die Folgen sind nicht zu unterschätzen: Die Mitwirkungsmöglichkeiten für einzelne Unternehmen wären bei einer rein staatlichen Verwaltung deutlich beschränkter als in den heutigen Kammerstrukturen, bei allen Defiziten, die die diese unbestritten aufweisen. Alle Steuerzahler müssten für die Kosten aufkommen, die dadurch verursacht werden, obwohl vornehmlich die Wirtschaft davon profitiert. Es wären nicht nur staatliche Mehrausgaben nötig, sondern es müssten auch neue bürokratische Strukturen geschaffen werden. Dass staatliche Stellen die Aufgaben wirklich besser erledigen würden, kann man bezweifeln. Auch das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, dass die Selbstverwaltung durch die Kammern einer staatlichen Wahrnehmung solcher Aufgaben vorzuziehen. Die Pflichtmitgliedschaft ist aus meiner Sicht somit auch ein Instrument, um die Wirtschaft bei wichtigen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben wie z.B. der Bildung angemessen zu beteiligen. Wir Grüne wollen das duale Ausbildungssystem reformieren und haben dafür ein Konzept namens DualPlus entwickelt, in dem die Kammern eine tragende Rolle spielen sollen. Wir setzen uns deswegen dafür ein, sie grundlegend zu reformieren, damit sie ihren Verpflichtungen gegenüber den Mitgliedsunternehmen, aber auch der Gesellschaft angemessen nachkommen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen meine Position verdeutlichen und Ihre Fragen
beantworten konnte,
mit freundlichen Grüßen
Kerstin Andreae