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Katrin Göring-Eckardt
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Frage von Tanja G. •

Frage an Katrin Göring-Eckardt von Tanja G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Göring-Eckardt,

zu
Ihrer Antwort betr. Hassprediger vom 21.1.08 an Herrn Schmitz:

Haben Sie bei der Begriffsanwendung mit zweierlei Maß gemessen?
Ein unpassendes (im übertragenen Sinne gemeintes) Wort des Herrn Beckstein rechtfertigt nach Ihrer Meinung die Verwendung des Begriffs Hassprediger, während nach Ihrer Auslegung Herr Meisner nur "verstaubte Ansichten" geäußert hat und nicht als Hassprediger zu bezeichnen ist.

Im letzten Absatz Ihrer Antwort haben Sie dann die Katze aus dem Sack gelassen: Kirchenleute (und dazu noch ein Kardinal!) dürfen alles!
Hier drängt sich ein Beispiel auf:
Martin Luther hatte bekanntlich öffentlich zum Mord an Juden und Bauern aufgerufen. War er nach Ihrer Meinung auch kein Hassprediger?
Falls doch:
Wie soll man die Kirchenleute bezeichnen, die diesen Hassprediger verherrlichen?
Was soll man davon halten, daß dieser Hassprediger sogar die Leitfigur der Ev. Kirche ist?
Ist es aus Ihrer Sicht korrekt, daß es in Deutschland "Martin-Luther-Straßen" gibt?

Die Hetzschriften des Martin Luther dürfen nicht durch den Hinweis auf den damaligen Zeitgeist und andere Leistungen verharmlost werden. Zu Ihren Gunsten gehe ich davon aus, daß Sie dies auch nicht beabsichtigen.

Mit freundlichen Grüßen
Tanja Großmann

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Sehr geehrte Frau Großmann,

vielen Dank für Ihre Email.

Ihren Aussagen über Martin Luther, seinen antisemitischen Äußerungen und dem Umgang der evangelischen Kirche damit möchte ich mit Blick auf die Zeit des Nationalsozialismus begegnen.

Während Adolf Hitler in Deutschland an der Macht war, gab es viele berühmte evangelische Widerstandskämpfer die gegen das Naziregime gekämpft haben. So zum Beispiel Dietrich Bonhoeffer (1906-1945), deutscher Theologe und lutherischer Christ oder Corrie ten Boom (1892-1983), Mitglied der holländischen reformierten Kirche, die jüdische Mitbürger in ihrem Haus in Amsterdam versteckte, waren in der Untergrundbewegung gegen Hitler tätig. Diese und viele weitere Protestantinnen und Protestanten haben sich damals auf ihren evangelischen Glauben gestützt und beriefen sich in ihrem Kampf für die Freiheit auf Martin Luther.

Andererseits kann die Rolle der Evangelischen Kirche während der Zeit des Nationalsozialismus keineswegs nur positiv beurteilt werden. Die Schuldfrage wurde und wird intensiv diskutiert und die evangelische Kirche hat diesbezüglich seit 1945 mehrere Erklärungen abgegeben. Unter anderem wurde das Stuttgarter Schuldbekenntnis 1945 veröffentlicht und „Ein Wort zur Judenfrage“ von der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland 1950 verabschiedet. Jüngst dokumentierte der evangelische Pressedienst anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus 2005 Bilanz und Perspektiven des jüdisch-christlichen Dialogs.

Martin Luthers Wirken und seine Ideen von Freiheit und Individualität haben Kirche, Christentum und Gesellschaft verändert – und zwar positiv. Seinem Anstoß hat die Kirche wesentlich ihre Befreiung von weltlichen Belangen zu verdanken, und die Welt die Befreiung von kirchlicher Bevormundung. Der Grundsatz von Gleichheit und Würde, die unterschiedslos jedem Menschen zukommt, ist tief im christlichen Menschenbild verankert. Er wurde mit reformatorischem Eifer –auch gegen die Kirche- verteidigt und ist letztlich ein Grundpfeiler der Entwicklung hin zu Demokratie und Achtung der Menschenrechte geworden.

Mit freundlichen Grüßen,
Katrin Göring-Eckardt

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