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Katrin Göring-Eckardt
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Horst R. •

Frage an Katrin Göring-Eckardt von Horst R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Göring-Eckardt,

ich habe mich heute (aus purer Langeweile) auf der homepage von Bundnis90/Grüne umgesehen, insbes. in Grundsatzprogramm und Satzung.
Dabei fiel mir das FRAUENSTATUT auf. Wenn ich § 4 dieses Statuts richtig verstehe, kann die Mehrheit der Frauen einer Bundesversammlung per Veto eine Beschlussvorlage von der Tagesordnung nehmen, mit der Folge, dass diese Vorlage der (gesamten) Bundesversammlung überhaupt nicht mehr zur Entscheidung vorgelegt wird. Eine dementsprechende Möglichkeit hat eine Mehrheit der Männer wohl nicht; mir ist zumindest kein entsprechendes Männerstatut aufgefallen.
Als Jura-Student hat sich mir unwillkürlich die Frage aufgedrängt, ob eine solche Regelung mit dem Gebot des Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG, der verlangt, dass die innere Ordnung einer Partei demokratischen Grundsätzen entsprechen muss, vereinbar ist. Unter demokratischen (Wahlrechts-)Grundsätzen versteht man grds. die Allgemeinheit, Freiheit, Gleichheit und Geheimheit von Abstimmungen (zu Art 20 GG). An der GLEICHHEIT hinsichtlich der Teilhabe der männlichen Mitglieder einer Bundesversammlung scheint es unter Einbeziehung des oben erwähnten FRAUENSTATUTS ein wenig zu hapern. Demnach wäre die Frage zu stellen, ob die innere Ordnung der Partei, der Sie angehören, den Vorgaben des GG entspricht.
Mich würde interessieren, wie Sie persönlich zu dieser Frage stehen bzw. wie Ihre Partei dazu steht.
Ich bedanke mich für Ihre Bemühungen.

Mit freundlichen Grüßen
H. Rumpel

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Rumpel,

vielen Dank für Ihr Interesse. Ihre Frage berührt ein ganz zentrales Anliegen der Grünen. Frauen mehr Mitspracherechte und -möglichkeiten in Politik und Gesellschaft zu ermöglichen, ist seit der Gründung der Grünen Prämisse unserer Politik. Auf diesem Weg sind wir in den letzten Jahren in einigen Bereichen deutlich vorangekommen. Das wird z.B. beim Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst, beim Gewaltschutzgesetz oder an den rot-grünen Maßnahmen in der Familienpolitik deutlich; Maßnahmen, die die Modernisierung unserer Gesellschaft in den vergangenen Jahren begleitet und unterstützt haben. Doch noch immer gibt es deutliche Defizite, denken Sie nur an das verstaubte Frauenbild einiger Konservativer, an das gravierende Lohngefälle zwischen Frauen und Männern, aber auch an die Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen von Wirtschaft und Hochschule. In der Politik begannen die Grünen mit der Frauenquote aktive Gleichstellungspolitik, die teilweise, wenngleich selten überzeugend, auch von anderen Parteien übernommen wurde. Der Anteil der Frauen im Bundestag hat sich durch entsprechendes Gender Mainstreaming in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht, von einer Balance kann aber noch immer nicht gesprochen werden.

Die „positive Diskriminierung“ von Frauen ist (nicht allein bei den Grünen) schon mehrfach Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen gewesen. Dabei wurden die bestehenden Regelungen für rechtmäßig erklärt. Eine entsprechende „positive Diskriminierung“ in den Satzungsvorschriften ist grundsätzlich zulässig. Die Satzungsautonomie genießt Verfassungsrang.

Die von Ihnen zitierte Regelung ist übrigens in letzter Zeit sehr selten zur Anwendung gekommen. Sie bezieht sich auf ein sogenanntes suspendierendes Veto. Falls ein Beschluss noch einmal vorgelegt wird, entfällt die Möglichkeit eines solchen Frauen-Vetos.

Mit freundlichen Grüßen

Katrin Göring-Eckardt

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