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Katrin Göring-Eckardt
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Gregor D. •

Frage an Katrin Göring-Eckardt von Gregor D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Göring-Eckardt

Cem Özdemir sagte, es habe ihm niemand erklären können, warum man Großkaliber im Schützensport braucht. Nun, sind Sie bitte so freundlich und erklären mir, warum man IRGENDEIN Hobby braucht? Der eine sitzt stupide vor dem Fernseher, der andere geht zum Oktoberfest und noch ein anderer geht auf den Schießstand. Zum Glück kann das (noch) jeder frei entscheiden und niemand braucht zu erklären, warum er dies oder jenes tut.
Wenn man Hobbies hinterfragt, so möchte ich Sie daran erinnern, daß beim Fußbal über 20 Menschen pro Jahr sterben, beim Motorradfahren über sechshundert. Und jetzt meine Frage: Sollen wir diese Hobbies auch verbieten, oder gibt es einen Grund warum wir Fußball oder Motorrad BRAUCHEN?

Zum Thema Aufbewahrung möchte ich Sie fragen, wie GENAU Sie es sich vorstellen die Waffen in einem Schützenhaus aufzubewahren. Ich bin 1.Vors. in einem Verein und hätte dann die Verantwortung für ein paar hundert Waffen. Ganz davon abgesehen, ob ich die Verantwortung übernehmen würde und ganz davon abgesehen daß zigtausende von Euro für einen neuen Bunker unseren Verein pleitegehen lassen würden, möchte ich einige Fragen an Sie stellen:
Wer genau soll dann Zugriff zu dem Tresor haben? Pro Abend werden bei uns etwa 1.000 - 2.000 Schuß abgegeben.
Wer soll das zählen?
Wo wäre der Vorteil? Zunächst ist unser Vereinsheim die ganze Woche (außer an zwei Abenden) völlig leer und liegt direkt am Waldrand (wie andere Vereinsheime auch). Es ist DIE Einladung für einen Einbrecher. Selbst wenn wir die Verbrecher außer Acht lassen, denken wir an den "Fall des Amoks". Gesetzt den Fall ich hätte einem solchen Täter eine Waffe ausgegeben und gesetzt den Fall ich würde ihn auch noch beim Schießen beaufsichtigen, was genau soll ich tun wenn er sich umdreht und die Waffe auf mich richtet?
Und meine letzte Frage: was und wann werden Sie endlich etwas gegen die illegalen Waffen in Deutschland etwas tun, die nachweislich weit gefährlicher sind?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Dr. Gaida,

die Gefährlichkeit illegaler Waffen ist völlig unbestritten. Wir Grüne waren es, die immer wieder zu verstärkten Anstrengungen aufgefordert haben und beispielsweise die viel zu lange verzögerte Einführung des nationalen Waffenregisters verlangt haben, um eine genaue Übersicht zu bekommen, wer wo was besitzt und lagert. Es war zudem vor allem Bündnis 90/Die Grünen, die eine schärfere Gangart gegen das öffentliche Tragen von Messern eingefordert und sogar teilweise durchgesetzt haben. Sie sehen, wir sind auf diesem Auge keineswegs blind.

Dennoch können wir die Probleme bei der unbegrenzten Lagerung von Schusswaffen und Munition in Privatwohnungen nicht gegen die Probleme des illegalen Besitzes und Gebrauchs von Waffen ausspielen. Ihre Beispiele Motorradfahren und Fußball sind ein wenig vergleichbar mit dem Hinweis auf die Zahl der Verkehrstoten gemessen an dem Schaden durch Atomkraftwerke. Lassen Sie mich generell anmerken, dass sich bestimmte Exzesse nur schwer statistisch messen lassen. Wie wollen Sie die Zahl von 12 ermordeten Kindern in Winnenden ins Verhältnis setzen mit anderen Straftaten? Das geht nicht. Wenn Sie mit den Eltern, Geschwistern und Freunden dieser Kinder und Jugendlichen sprechen, verliert das Argument der mangelnden empirischen Relevanz dieser Amoktaten auch deutlich an moralisch vertretbaren Überzeugungskraft.

Mir persönlich geht es übrigens auch darum, denjenigen in die Augen sehen zu können, deren Kinder, Freunde, Verwandte durch eben diese Waffen getötet wurden, die Orte Erfurt und Winnenden sind dafür Mahnung. Ich kann und will nicht darüber hinwegsehen. Ich kann und will nicht hoffen, dass schon nichts wieder passieren wird. Ich kann und will auch nicht viele andere Gründe, die zu den furchtbaren Taten geführt haben, außeracht lassen. Aber die Frage des Waffenbesitzes eben auch nicht.

Natürlich weiß auch ich, dass die übergroße Mehrheit der Sportschützen verantwortungsvoll mit Waffen und Munition umgeht. Es geht uns also nicht darum, irgendjemanden zu kriminalisieren.

Aber: Auch die Waffen von Sportschützen bleiben Waffen - und haben damit ein tödliches Potential. Das haben wir bei den verschiedenen Amokläufen auf traurigste Art vorgeführt bekommen. Und auch wenn es zumeist nicht die Schützen selbst waren, die aus einer Sportwaffe eine Mordwaffe gemacht haben, so haben wir doch die Verantwortung, Lösungen für dieses reale Problem zu finden.

Natürlich ist das nicht so ganz einfach zu realisieren, das wissen wir. Sie werfen auch genau die Fragen auf, für die eine Lösung nicht sofort auf der Hand liegt: Wie sichert man die Waffen im Schützenhaus? Wie die Munition? Wie kann man das alles so gestalten, dass es für die Schützen auch noch eine praktikable und finanzierbare Lösung ist?

Es ist nicht so, dass wir meinen, auf alle diese Fragen schon die perfekte Antwort zu haben. Deswegen sind wir auch mit Schützen im Gespräch, denn niemandem nutzt eine Regelung, die nicht umsetzbar ist und die keine Probleme löst.

Uns geht es darum den Wunsch nach Sicherheit und den Wunsch der Schützen nach Ausübung ihres Hobbys in Einklang zu bringen. Es mag sein, dass wir zu einer etwas anderen Bewertung kommen als Sie, wenn es darum geht, wer deswegen welche Abstriche machen muss.

Mit freundlichen Grüßen
Katrin Göring-Eckardt

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