Frage an Katrin Göring-Eckardt von Jürgen H. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Göhring-Eckardt,
dieser Tage habe ich in der Presse gelesen, daß das Aktionsbündnis Winnenden Ihnen eine Liste mit Unterschriften für eine weitere Verschärfung des Waffenrechts übergeben hat. Unter anderem sollen großkalibrige Faustfeuerwaffen generell verboten werden.
Mit dem Versuch solche Waffen zu verbieten werden Millionen legaler und zuverlässiger Waffenbesitzer als potenzielle Amokläufer abgestempelt. Von den Millionen illegaler Waffen, die sich im Volk befinden, redet niemand.
Ich bedauere den Verlust der vielen Menschenleben durch den Amoklauf von Winnenden zutiefst. Aber sogar das BKA veröffentlicht im Bundeslagebild Waffenkriminalität, daß "das Gefahrenpotential der Waffenkriminalität schwerpunktmäßig im illegalen Besitz und Führen von Waffen liegt".
In Großbritannien wurden im Jahr 1996 Faustfeuerwaffen verboten. Trotzdem sind die Straftaten durch Waffen seither weiter angestiegen. Erst im Juni 2010 hat im Norden Englands ein Amokläufer fünf Menschen und sich selbst erschossen.
Warum glaubt Ihre Partei, daß eine weitere Verschärfung des Waffengesetzes ein Mehr an Sicherheit bringt?
Freundlich Grüßt Sie, Jürgen Hölle
Sehr geehrter Herr Hölle,
haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben, zu dem ich gerne Stellung nehmen möchte.
Das Argument, von den legalen Waffenbesitzern gehe statistische keine relevante Gefahr aus, ist nicht neu. Sie wissen, dass schon die Abgrenzung von legalen und illegalen Waffen nicht immer ganz leicht ist. Viele Waffen im illegalen Handel sind – bei legalen Besitzern – gestohlen oder auf andere Weise abhanden gekommen. Die Gefährlichkeit der illegalen Waffen ist im Übrigen völlig unbestritten. Bündnis 90/Die Grünen waren es, die immer wieder zu verstärkten Anstrengungen aufgefordert haben und beispielsweise die viel zu lange verzögerte Einführung des nationalen Waffenregisters verlangt haben, um eine genaue Übersicht zu bekommen, wer wo was besitzt und lagert. Es war zudem vor allem Bündnis 90/Die Grünen, die eine schärfere Gangart gegen das öffentliche Tragen von Messern eingefordert und sogar teilweise durchgesetzt haben. Sie sehen, wir sind auf diesem Auge keineswegs blind.
Dennoch können wir die Probleme bei der unbegrenzten privaten Lagerung von Schusswaffen und Munition in Privatwohnungen nicht gegen die Probleme des illegalen Besitzes und Gebrauchs von Waffen ausspielen. In ihrer Aussagekraft sind die entsprechenden Argumente ein wenig vergleichbar mit dem Hinweis auf die Zahl der Verkehrstoten gemessen an dem Schaden durch die Atomkraftwerke. Lassen Sie mich generell anmerken, dass sich bestimmte Exzesse nur schwer statistisch messen lassen. Wie wollen sie die Zahl von 12 ermordeten Kindern in Winnenden ins Verhältnis setzen mit anderen Straftaten? Das geht nicht. Wenn Sie mit den Eltern, Geschwistern und Freunden dieser Kinder und Jugendlichen sprechen, verliert das Argument der mangelnden empirischen Relevanz dieser "Amoktaten" nun wirklich an einer auch moralisch vertretbaren Überzeugungskraft.
Worum geht es uns in unserem Antrag zur Reform des Waffenrechts? Wir wissen auch, dass bestimmte Personen Waffen zu Hause bereithalten müssen. Das gilt für Jäger, die in der Nacht gerufen werden, um beispielsweise ein angeschossenes Wild zu erschießen. Das gilt auch für den kleinen Kreis der wirklich gefährdeten Personen, die auf Waffen angewiesen sind. Haben wir aber bei den Sportschützen eine solche Situation, die es wirklich nötig macht, Waffen und Munition in der Wohnung zu lagern? Mit der persönlichen Zuverlässigkeit der Schützen selbst ist es eben nicht getan. In den Haushalten leben regelmäßig andere Menschen mit ihren oftmals nicht einmal in der Familie bekannten Problemen.
Ist es wirklich so weltfremd zu erwarten, dass sich auch der Schießsport von sich aus überlegt, wie er mit dieser Situation umgeht und welche Konsequenzen er zu ziehen gedenkt? Mit bloßer Prävention ist es hier nicht getan. Sie wissen selbst, dass auch die Vereine miteinander konkurrieren und so auch Personen Zugang gewähren, an deren Integrität möglicherweise doch gewisse Zweifel zulässig sind. Es wäre hier überaus hilfreich, wenn statt eines ständigen NEIN konkrete Vorschläge kommen würden, wie die Problematik der in Privatwohnungen gelagerten Waffen gelöst, oder zumindest entschärft werden könnte.
Eine wichtige Frage in dem hier erörterten Zusammenhang ist auch, was mit den überflüssig gewordenen Waffen geschehen soll. Auch sie ist nicht ganz unkompliziert. Die Frage des Verbleibs dieser Waffen stellt sich naturgemäß erst nach der gesetzlichen Umsetzung der von uns erhobenen Forderungen.
Wie ist die Rechtslage? Die fraglichen Waffen sind unabhängig von ihrem konkreten Gebrauchswert Eigentum des Schützen. Wir haben hier eine gewisse Parallele zu antiken Waffen und zu ererbten Waffen. Der Besitzer behält wenigstens zunächst seine Waffenbesitzkarte. Man kann ihn nicht einfach enteignen. Zentraler Punkt ist für uns, dass Waffen generell nicht in einem einsatzfähigen Zustand in der Wohnung gelagert werden, d.h. vollständig und gemeinsam mit der Munition. Nun wäre es in der Tat absurd, bestimmte Waffentypen vom Schießsport auszunehmen und dann aber in den Wohnungen zu lagern. Es wird wohl auf die Anwendung von Anti-Blockiersystemen hinauslaufen, wie wir sie von antiken Waffen kennen.
Nachzudenken wäre auch darüber, wie wir eine Rückgabe dieser Waffen analog zum Einsammeln illegaler Waffen entwickeln können. Da wir es aber hier mit zugelassenen Waffen zu tun haben, wäre darüber nachzudenken, eine Prämie für die Abgabe der Waffen zu zahlen. Anders als bislang oftmals üblich, dürfen sie aber nicht wieder in den Handel kommen. Sie müssten vernichtet werden.
Ich würde mich freuen, wenn es mir gelungen ist, Ihnen zumindest die Motive unserer politischen Forderungen deutlich gemacht zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Katrin Göring-Eckardt