Frage an Katrin Altpeter von Susanne L. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Altpeter,
Borreliose ist die häufigste, durch Zecken übertragene Erkrankung, die – wie Sie selbst einräumten – zu schweren chronischen Krankheitsverläufen führen kann. Vor der Landtagswahl 2011 in Baden-Württemberg, einem Zecken-Hochrisikogebiet, hatten Sie noch Ihre Unterstützung für eine landesweite Meldepflicht zugesagt. Eine entsprechende Petition wurde von der Landesregierung abgewiesen mit der Begründung, dass der zu erzielende Zusatznutzen der Meldung in einem angemessenen Verhältnis zum erforderlichen Aufwand stehen soll. Ist die gesetzliche Pflicht zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten (IfSG) abhängig von wirtschaftlichen Aspekten?
http://www2.landtag-bw.de/WP15/Drucksachen/1000/15_1675_d.pdf
Das Borreliose-Präventionsprogramm der Baden Württemberg-Stiftung ist ausgelaufen. Seitens des Wissenschaftsministeriums ist kein Forschungsprogramm zum Thema Borreliose- und Zeckenbekämpfung geplant. In Baden-Württemberg liegt eine Befallsquote von bis zu 40 % (Nähe Kraichtal) vor. Was unternehmen Sie, um das Erkrankungsrisiko einzudämmen?
http://www9.landtag-bw.de/WP15/Drucksachen/1000/15_1417_d.pdf
Im September sind Bundestagswahlen. Die SPD wirbt in ihrem Wahlprogramm für eine „ausreichende Versorgung für chronisch Kranke, Multimorbide und Menschen mit besonderem Bedarf“. In einem Offenen Brief an den Bundesgesundheitsminister haben mehr als 7000 Bürger die miserable Versorgungslage von Borreliose-Patienten beklagt. Werden Sie sich auch für diese Betroffenen einsetzen? Was gedenken Sie dagegen zu unternehmen und halten Sie Ihr Wahlversprechen diesmal auch ein?
Mit freundlichen Grüßen
S.Lutz
Mitglied bei OnLyme-Aktion.org
Sehr geehrte Frau Lutz,
ich danke Ihnen für Ihr Schreiben vom 6. Juni 2013, in dem Sie auf eine Petition zur Einführung einer Borreliose Meldepflicht und auf eine Landtagsanfrage zu diesem Thema verweisen.
Sie gehen außerdem auf den offenen Brief an Herrn Bundesgesundheitsminister Bahr ein.
Zu den Schwerpunkten in Ihrer Anfrage möchte ich gerne einzeln Stellung nehmen:
Meldepflicht
Das Land Baden-Württemberg setzt sich seit langem für eine bundeseinheitliche Meldepflicht für Borreliose ein und favorisiert diese Lösung.
Sollte es hier nicht zu einer bundeseinheitlichen Regelung kommen, werden wir, wie mehrfach deutlich gemacht, nach Auswertung der Erfahrungen mit der Meldepflicht in Rheinland-Pfalz, dem Saarland und auch Bayern die Einführung einer Meldepflicht in Baden-Württemberg prüfen.
Die Einführung einer Meldepflicht hängt im Übrigen nicht von wirtschaftlichen Interessen ab. Es stellt sich viel mehr die Frage, welche zusätzlichen Erkenntnisse mit der Meldepflicht gewonnen werden können. So sind beispielsweise Sentinel-Erhebungen besser dafür geeignet, Risikofaktoren für eine Infektion zu ermitteln, da hierbei zu jedem Fall detaillierte Informationen zu den persönlichen Expositionsrisiken erhoben werden können.
Forschung und Eindämmung des Erkrankungsrisikos
Vor dem Hintergrund der großen Bedeutung zeckenübertragener Erkrankungen in Baden-Württemberg wurden über mehrere Jahre Untersuchungen zur Zeckenbekämpfung gefördert. Wesentliches Ergebnis dieser Untersuchung (Universität Hohenheim gemeinsam mit dem Landesgesundheitsamt 2005 - 2007) war, dass das Erkrankungsrisiko durch Zeckenbekämpfungsmaßnahmen eingedämmt werden kann, beispielsweise durch natürliche Feinde wie Pilze, Nematoden (Fadenwürmer) oder Erzwespen. Allerdings sind solche weitreichenden Maßnahmen nur in kleinflächigen Bereichen zu erwägen.
Weitere Forschungsprojekte zur Zeckenbekämpfung sind seitens des Wissenschaftsministeriums zwar, wie Sie auch ausführen, nicht geplant; aus Landesmitteln (Förderprogramm BWPLUS) wird derzeit jedoch ein Forschungsprojekt "Ökologie von Zecken als Überträger von Krankheitserregern in Baden-Württemberg" finanziert, das federführend vom Karlsruher Institut für Technologie unter Beteiligung des Landesgesundheitsamtes durchgeführt wird. Die Faktoren, die für die Verbreitung der Zecken, ihre Populationsstärke- und Schwankungen und die Pathogenprävalenz in einer Population verantwortlich sind, sind bisher noch unzureichend bekannt.
Zeckenübertragende Erkrankungen sind nicht nur ein Problem in Baden-Württemberg. Daher halte ich es für notwendig, dass Forschungsprojekte zu diesem Thema auch über Bundesmittel gefördert werden. Unter Leitung des RKI in Berlin wurde das bundesweite Netzwerk "Lyme-Borreliose" gegründet. Ziel des Netzwerkes ist unter anderem die Formulierung von Forschungsdefiziten im Bereich Pathogenese, Diagnostik, Therapie und Verlauf der Lyme-Borreliose. Ein Positionspapier zu diesem Thema wurde Ende 2008 im Bundesgesundheitsblatt publiziert. Nach erfolgreicher Etablierung des Netzwerkes in Deutschland ist die Erweiterung auf europäischer Ebene geplant.
Auch unter Koordination des Landesgesundheitsamtes (LGA) sind mehrere Forschungsvorhaben durchgeführt worden, das LGA ist Mitglied der Landesarbeitsgruppe Borreliose und FSME Baden-Württemberg.
Sehr erfreulich ist aus meiner Sicht, dass die Entwicklung eines Impfstoffes weiter fortgeschritten ist: Eine im Mai 2013 in "Lancet" veröffentlichte Studie, an der auch die Universität Tübingen beteiligt war, beschreibt ein gutes Ergebnis der Impfstofftestung an 300 Probanden.
Angesichts des aktuellen Forschungsstandes kommt zur Prävention der Borreliose nach wie vor individuellen Schutzmaßnahmen die größte Bedeutung zu. Dies gilt bundesweit, wie es auch in den Schlussfolgerungen der Studie "Seroprävalenz der Lyme-Borreliose bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland" aus dem Jahr 2012 zum Ausdruck kommt. Datengrundlage waren Proben der KiGGS Studie.
Versorgung von Borreliose-Patienten
Zuverlässige Möglichkeiten zu Diagnose und Therapie müssen für die betroffenen Patienten zur Verfügung stehen:
Eine S3 Leitlinie zur Diagnose und Therapie ist bereits bei der AWMF ( Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaft) unter der Registernummer 013 - 080 angemeldet, sie wird allerdings erst bis 2014 fertig gestellt sein.
Vielfach geäußerte Bedenken, eine langwierige Borreliose-Behandlung werde nicht von den Kassen bezahlt, sind nicht nachvollziehbar. Dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Ärzte in Baden- Württemberg einem Regress unterzogen wurden, weil sie Borreliose-Patienten behandelt haben.
Für niedergelassene Ärzte finden, unter anderem organisiert von Ärztekammern und Kreisärzteschaften, regelmäßige Fortbildungen zum Thema statt, im Ärzteblatt sind Veröffentlichungen zu Borreliose zu finden, so dass hier eine zunehmende Sensibilisierung für das Thema erfolgt. (Von Ende Juni bis August 2013 können allein von Ärztekammern angeboten 6 Fortbildungsveranstaltungen mit dem Titelthema Borreliose gefunden werden.)
Wie Sie aus diesem Schreiben entnehmen können, messen wir dem Schutz der Bevölkerung vor Borreliose eine hohe Priorität bei.
Ich möchte Ihnen persönlich für Ihre Arbeit bei OnLyme-Aktion.org viel Erfolg wünschen, verbunden mit den besten Wünschen für Ihre Gesundheit.
Mit freundlichen Grüßen
Katrin Altpeter MdL