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Frage von Inge R. •

Frage an Katja Mast von Inge R. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Mast,

als Mutter einer schwerstbehinderten Tochter bitte ich Sie um eine Stellungnahme zu der Verfahrensweise bei der Umsetzung der Urteile des Bundessozialgerichtes zum Rechtsanspruch auf die Regelbedarfsstufe 1.

Im Juli 2014 hat das Bundessozialgericht entschieden, dass behinderten erwachsenen Kindern gerade auch beim Zusammenleben mit ihren Eltern die Regelbedarfsstufe 1 zuzuordnen ist. Obwohl inzwischen die ausführlichen schriftlichen Entscheidungsgründe zu den Urteilen des Bundessozialgerichtes vorliegen, wird die Umsetzung dieser Urteile von den meisten örtlichen Sozialhilfeträgern verweigert. Dies wird damit begründet, dass eine Verwaltungsanweisung vom BMAS an die Grundsicherungsämter erlassen werden soll, wie mit der Entscheidung umzugehen ist.

Auf meine Anfrage vom 6. Januar 2011 - http://www.abgeordnetenwatch.de/sigmar_gabriel-575-37578--f273946.html#q273946 - hatte Ihr Parteikollege Sigmar Gabriel noch versichert, dass "das Ziel des vollen Regelsatzes als unumstößlich vereinbart" angesehen, und dass "die Verzögerung der Ausführung nicht hinnehmbar" sei.

Wie stehen Sie als Behindertenbeauftragte dazu, dass die Umsetzung dieser Urteile des obersten Gerichtes der Sozialgerichtsbarkeit in Deutschland durch einige Sozialämter bereits umgesetzt wird, während die Umsetzung in anderen Regionen durch überflüssige bürokratische Vorgänge - anscheindend auf Anweisung des BMAS - weiterhin verzögert und verweigert wird, obwohl die Rechtslage inzwischen deutlich geklärt wurde und die vollziehende Gewalt laut Grundgesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) "an Gesetz und Recht gebunden" ist?

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Sehr geehrte Frau Rosenberger,

vielen Dank für Ihre Anfrage zur Umsetzung der Urteile des Bundesozialgerichts. Ich habe hierzu beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales um eine Stellungnahme gebeten, welche ich Ihnen angefügt habe. Meiner Einschätzung nach bleibt in diesem Fall die weitere Prüfung des BMAS abzuwarten und die voraussichtlich Ende März getroffene Entscheidung neu zu bewerten. Ich hoffe, dass bis dahin eine für alle Akteure einvernehmliche Lösung gefunden wird.

Mit freundlichen Grüßen

Katja Mast

Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion
für Arbeit und Soziales

Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales:

„Das Bundessozialgericht hat am 23. Juli 2014 in drei Urteilen entschieden, dass haushaltsangehörigen leistungsberechtigten Personen, die weder einen Einpersonenhaushalt führen noch gemeinsam mit einem Partner einen Paarhaushalt führen, anders als bislang von den Trägern der Sozialhilfe bewilligt und von der Mehrheit der Sozialgerichte entschieden, nicht die Regelbedarfsstufe 3, sondern die Regelbedarfsstufe 1 zustehe.

Das BMAS hat die Obersten Landessozialbehörden frühzeitig darüber in Kenntnis gesetzt, dass es Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidungen hat. Ihnen wurde daher empfohlen, bis zum Vorliegen der schriftlichen Urteilsbegründungen und ihrer Bewertung durch das BMAS der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts nicht zu folgen. Grund dafür war unter anderem, dass nach Auffassung des BMAS die Umsetzung der Urteile zu einer verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden und vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht gewollten Besserstellung von haushaltsangehörigen Personen gegenüber Ehepartnern führen würde.

Das Bundesozialgericht hat am 23. Dezember 2014 die Urteilsgründe veröffentlicht. Das BMAS hält die Entscheidungen des Bundessozialgerichts nach einer ausführlichen Prüfung der Urteilsgründe für wenig überzeugend. Den Obersten Landessozialbehörden wurde am 16. Februar 2015 eine ausführliche rechtliche Bewertung der BSG-Urteile zur Kenntnis übersandt.

Danach teilt das BMAS nicht die Auffassung des Bundessozialgerichts, die im Kern bedeutet, dass innerhalb einer Wohneinheit mehrere Personen mehrere Haushalte führen können, z.B. einen gemeinsamen Haushalt der Eltern und einen eigenen Haushalt des erwachsenen behinderten Kindes innerhalb einer Wohnung. Aufgrund dieses Haushaltsverständnisses dürfe zwar bei Paarhaushalten eine Haushaltsersparnis aufgrund des Zusammenlebens angenommen werden, nicht aber bei den weiteren haushaltsangehörigen Personen, weil diese einen eigenen Haushalt allein führen.
Das BMAS hat sich ausführlich mit den Änderungsanträgen, der Wortmeldungen der beteiligten Bundestagsabgeordneten, den Äußerungen im Vermittlungsverfahren sowie den Gesetzesbegründungen zur Regelbedarfsstufe 3 befasst. Für die vom Bundessozialgericht vertretene Auffassung findet sich weder in diesen Gesetzgebungsmaterialien noch im Wortlaut der Vorschriften noch in der Systematik der Regelbedarfsstufen noch in der Methodik der Regelbedarfsermittlung ein Anhaltspunkt. Vielmehr wollte der Gesetzgeber gerade nicht nur die regelhaft angenommene Haushaltsersparnis in Paarhaushalten, sondern die Haushaltsersparnis, die bei jeder weiteren in einen Mehrpersonenhaushalt lebenden Person eintritt, berücksichtigt wissen.

Diese Bedenken verbunden mit der oben dargestellten möglichen Benachteiligung von Ehepartnern, die aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts resultieren kann, bestätigen das BMAS in seiner Auffassung, dass eine Umsetzung der Urteile im Kern einer Normverwerfung gleichkäme. Da eine Nichtanwendung der vom Gesetzgeber beschlossenen Vorschriften über die Regelbedarfsstufe 3 im Kern bedeuten würde, dass die Verwaltung ihre Bindung an Recht und Gesetz aufgibt, hat das BMAS erhebliche Bedenken, die Obersten Landessozialbehörden aufzufordern, die Umsetzung der Urteile des BSG anzuordnen.

Vor diesem Hintergrund stimmt das BMAS das weitere Vorgehen mit den beteiligten Ressorts ab. Das BMAS beabsichtigt, bis Ende März 2015 zu diesem Sachverhalt eine Entscheidung zu treffen.“

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