Frage an Katja Kipping von Luis T. bezüglich Soziale Sicherung
Liebe Frau Kipping,
ich hätte da eine Frage zum bedingungslosen Grundeinkommen. Genau wie Sie bin ich der Meinung , dass Hartz 4 abgeschafft werden muss. Ich möchte auch dass alle Menschen in Deutschland sozial abgesichert sind und ein menschenwürdiges Leben führen können; einfach weil sie Menschen sind. Deshalb unterstütze ich die Forderung ihrer Partei Hartz 4 durch eine sanktionsfreie Mindessicherung und längeres Arbeitslosengeld 1 zu ersetzen. Aber warum ein bedingungsloses Grundeinkommen? Warum sollen Gutverdiener und Firmenbosse einfach so 1000 Euro im Monat bekommen, obwohl sie es nicht brauchen? Könnte man das Geld nicht deutlich sinnvoller investieren?
Mit freundlichen Grüßen
L. T.
Lieber L. T.,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage.
Ein Grundeinkommen soll deswegen grundsätzlich allen Menschen zustehen, weil es damit alle Diskriminierungen und Stigmatisierungen, die mit einer Bedürftigkeitsprüfung (sozialadministrative Einkommens- und Vermögensüberprüfung) verbunden sind, abschafft. Wie Sie vielleicht wissen, führen diese zu massenhafter Nichtinanspruchnahme der zustehenden Leistungen. Auch ist bekannt, dass Leistungen, die manchen zustehen, manchen nicht (damit sind nicht Sonderbedarfe aufgrund von Behinderungen, chronischen Krankheiten usw. gemeint), regelmäßig genutzt werden, um einen Keil zwischen die jeweiligen Bevölkerungsgruppen zu treiben. In neoliberaler Absicht werden solche Leistungssysteme auch genutzt, um die Sozialleistungen zu kürzen oder nur in geringer Höhe zu zahlen.
Außerdem steht heute schon allen Menschen, ein steuerlicher Grundfreibetrag zur Sicherung des Existenzminimums zu - auch Menschen mit hohem Einkommen. Das Grundeinkommen bestätigt nur diesen Anspruch eines jeden Menschen auf ein Existenzminimum. Es ist faktisch ein ausgezahlter Grundfreibetrag bzw. im Falle einer negativen Einkommensteuer der Grundeinkommensanspruch.
Einige denken, dass mit dem Grundeinkommen nun auch die Reichen noch einen Extrabeitrag bekommen, dem ist also nicht so.
Analog ist das übrigens bei gebührenfreien Zugängen zu öffentlichen Gütern, Infrastruktur und Dienstleistungen (Bildung, bestimmte Kulturangebote, Parks und Museen, oder perspektivisch öffentlicher Nahverkehr usw.). Auch da wird keine Bedürftigkeitsprüfung durchgeführt - Reiche haben genauso wie Menschen mit weniger Einkommen freien Zugang.
Reiche sollen im Grundeinkommenskonzept aber kräftig zur Kasse gebeten werden, nicht nur um staatliche Ausgaben für öffentliche Güter, Infrastruktur und Dienstleistungen zu finanzieren sondern auch das Grundeinkommen und weitere sozialstaatlichen Leistungen. Unter dem Strich haben Reiche dann also weniger in der Tasche, mittlere und untere Einkommensschichten mehr.
So würden zum Beispiel beim Konzept der BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE (www.die-linke-grundeinkommen.de) alle mit bisher unter 7.000 Euro Bruttoeinkommen profitieren, umso weniger sie bisher Einkommen hatten, desto mehr. Umgekehrt würden alle mit bisher über 7.000 Euro Bruttoeinkommen weniger in der Tasche haben, umso mehr sie bisher Einkommen hatten, desto weniger.
Darüber hinaus gibt es noch spannende philosophische Begründungen für ein Grundeinkommen für alle Menschen, die ich hier leider nicht umfänglich darstellen kann. Diesbezüglich verweise ich gern auf das Buch "Grundeinkommen. Geschichte - Modelle - Debatten", erschienen im Karl Dietz Verlag Berlin.
Mit freundlichen Grüßen
Katja Kipping