Frage an Katja Kipping von Steffen M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Katja Kipping,
gibt es aktuelle Vorschlage Ihrer Bundestagsfraktion zu den Kriegsflüchtlingen in Aleppo, die beinhalten, dass die besonders Hilfsbedürftigen (z.B. Geflüchtete mit Behinderungen, schwangere Frauen) nach Deutschland geholt werden, um ihr Überleben zu sichern?
Mit freundlichen Grüßen
Steffen Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Frage. Es gibt in der Migrations- und Flüchtlingspolitik sehr viele Baustellen, die direkt und indirekt mit der Aufnahme von Menschen aus Drittstaaten oder - was den größten Anteil an Einwanderung anbelangt - den aus der EU, zu tun haben. Etwa 60 Prozent aller Einwanderinnen und Einwanderer kommen aus anderen Ländern der EU nach Deutschland. Sie haben hierauf ein Recht (Freizügigkeit).
Was die Aufnahme von Geflüchteten aus Krisengebieten angeht, so gab es noch im Sommer 2013 den Antrag "Syrische Flüchtlinge schützen" (Drucksache 17/13933), die eine gemeinsame europäische Initiative zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge, die in Nachbarstaaten Syriens geflohen sind, forderte. Besonderer Anknüpfungspunkte sind hier humanitäre Fälle, insbesondere traumatisierte Flüchtlingskinder mit ihren Familien, Kranke, Frauen in prekären Lebenssituationen oder Angehörige religiöser Minderheiten. 2013 bis 2015 haben die Innenminister von Bund und Ländern insgesamt 20.000 Flüchtlinge aus der syrischen Krisenregion aufgenommen. Ein neues Aufnahmeprogramm des Bundes ist derzeit nicht in Sicht, obwohl Bundeskanzlerin Merkel im Zuge des IS-Terrors 2014 erklärt hatte, die Bundesrepublik wolle auch Irakflüchtlingen helfen. Dazu gab es von uns 2014 die Kleine Anfrage "Aktueller Stand der Einreisen und der Aufnahme von Syrien-Flüchtlingen" (Drucksache 18/3627) sowie 2015 die Kleine Anfrage "Aufnahme von syrischen Flüchtlingen zum Stand Mitte 2015" (Drucksache18/5799).
Daneben gab es Länderprogramme für syrische Flüchtlinge zur Aufnahme von Verwandten, und dazu entsprechende Anfragen z.B. der Berliner LINKEN zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge: Zwischenbilanz und Verpflichtungserklärungen (Drucksache 17/ 16720). Aktuell laufen noch einige Länderaufnahmeprogramme, u.a. in Hamburg, Schleswig Holstein, Brandenburg, die die Landtagsfraktionen der LINKEN parlamentarisch unterstützen.
Zu einem weiteren Thema: Die Sprachhürden beim Ehegattennachzug sind skandalös. Dementsprechend gab es die Kleine Anfrage zu Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. Juli 2015 (Drucksache18/9651) (nach ca. 20 weiteren kleinen Anfragen diesbezüglich in den letzten Jahren).
Eine Kleine Anfrage zu "Visaerteilungen im Jahr 2014" (Drucksache 18/4765) zur regelmäßigen parlamentarischen Nachfrage der Visapraxis der Bundesregierung - da insbesondere aus ärmeren Ländern, aus denen viele Asylsuchende kommen, Visumanträge überdurchschnittlich häufig abgelehnt werden - haben wir im April 2015 gestellt.
Außerdem erfragen wir regelmäßig die Informationen zur Asylstatistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Sie beleuchten ausgewählte Aspekte, die in der medialen Berichterstattung zumeist nur wenig Beachtung finden. So ist kaum bekannt, dass die Anerkennungsquote bei inhaltlichen Asylentscheidungen weitaus höher liegt als die offiziellen Zahlen vermuten lassen (Drucksache18/10575).
Interessant auch unsere kleine Anfrage "EU-Türkei-Abkommen zur Migrationsbekämpfung" (Drucksache 18/8542). Schutzsuchende dürfen nicht instrumentalisiert werden. Die Instrumentalisierung des Abkommens zur Flüchtlingsabwehr ist eindeutig und wird künftig wohl auch mit weiteren Drittstaatenabkommen verfestigt werden. Ebenso zu diesem Thema unsere Kleine Anfrage im Sommer 2016: " Umsetzung des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens" (Drucksache18/8654).
Ferner sind unsere Kleinen Anfragen auch zu "Entwicklungs- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung angesichts der Flüchtlingsbewegungen in der Türkei, in Syrien und im Nordirak" wichtig u.a. mit Fragen, in welche Flüchtlingsprojekte die von Deutschland anteilig finanzierten 6 Mrd. Euro in der Türkei fließen und welche staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen diese Projekte umsetzen (Drucksache18/8564).
Eine Nachfolge-Kleine-Anfrage zum Thema „Entscheidungen in Asylersuchen aufgrund von sexueller Orientierung“ ist gerade auf dem Weg, denn in vielen Ländern unterliegen LSBTTI, also Lesben, Schwule, Bi-, Transsexuelle, Transgender und intersexuelle Menschen einer besonderen Verfolgung und sind zur Flucht gezwungen. Immer wieder werden vor allem von Asylersuchen aus den Maghrebstaaten von LSBTTI als "offensichtlich unbegründet" oder mit anderen Argumentation durch das BAMF abgelehnt . Die Anfrage soll dies hinterfragen und die Rechtskonformität der Entscheidungen prüfen.
Freundliche Grüße
Katja Kipping