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Frage von Guntram S. •

Frage an Katja Kipping von Guntram S. bezüglich Frauen

Sehr geehrte Frau Kipping,

auf der Seite http://www.emma.de/ausgabe/emma-novemberdezember-2013-311930 fordert Frau Schwarzer die "Abschaffung der Prostitution". Die bürgerliche Ehe in der seit 1977 durch die SPD geschaffenen "Rechts"-Lage, in der Männer eigentlich für diese Form der Beziehung sehr oft nur noch ZAHLEN dürfen, ist nach meinem Eindruck für nicht wenige Frauen auch nichts weiter als eine Form der Prostitution, zumindest für diejenigen, die trotz einer "emanzipierten" Einstellung an der Vorstellung festhalten, die materielle Verantwortung liege beim Mann.
Eine vollständige Sozialisierung der Familiengrundlasten würde das Unterhaltsrecht, welches m.E. nicht mehr zeitgemäß ist überflüssig machen und gleichzeitig Frauen signalisieren, dass Emanzipation auch von Frauen verlangt, im Grundsatz für sich selbst den Lebnesunterhalt zu erwirtschaften.
Wie steht die Linke zu:
- Abschaffung des Unterhaltsrechtes und damit der Trennung der wirtschaftlichen Beziehung von der Liebesbeziehung?
- Generelle Abschaffung der Besteuerung von Einkünften, umn so Prostituierten, die illegal anschaffen, den Weg zurück in ein legales Leben zu ermöglichen und Schwarzarbeit nicht länger zu stigmatisieren?
- ist eine Kontrolle illegaler Milieus überhaupt realistisch möglich oder sind nicht vielmehr am Ende diejenigen die Dummen, die sich "legal" verhalten?
- inwieweit ist "Illegalität" im Umfeld der Geschelchterbeziehung einfach nur eine willkürlich definierte, "moralische" Grenze, die jeder Jurist nach eigenem Gutdünken zieht?
Mit freundlichen Grüßen
Guntram Seiss

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Seiss,

vielen Dank für Ihre Frage, auch wenn ich Ihren Blick auf die Ehe nicht teile. Tatsächlich schreibt das BGB seit 1977 mit dem „Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts“ keine Form der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in der Ehe mehr vor. Bis 1977 hieß es dort in § 1356 BGB: „Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“ (ab 1958), davor „Die Frau ist, unbeschadet der Vorschriften des §. 1354, berechtigt und verpflichtet, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten.“ Insofern trifft tatsächlich zu, dass auch rechtlich bis dahin Männer in der Ehe auf die Rolle als Erwirtschaftende des monetären Familieneinkommens, Frauen auf die Erledigung von Haus-, Familien- und Sorgearbeit festgelegt waren. Seit 1977 ist nur noch geschlechtsneutral von „Ehegatten“ die Rede. Dass in der Ehe „Männer […] nur noch zahlen DÜRFEN“ ist daher unzutreffend. In der bürgerlichen Ehe wird Ehegatten von Rechts wegen nicht vorgeschrieben, wie Erwerbs- und Reproduktionsarbeiten aufgeteilt werden.

Zu Ihrer Frage bezüglich des Unterhaltsrechts und einer Trennung von wirtschaftlichen und Liebesbeziehungen: Tatsächlich gibt es eine Reihe von wirtschaftlichen Privilegierungen der Ehe als Lebensform, wie z.B. das Ehegattensplittung, welches abzulehnen ist. Es ist nicht einzusehen, dass der Staat eine bestimmte Lebensform privilegiert (besonderer Schutz und Förderung durch Staat und Gesellschaft sollten insbesondere denjenigen zu Gute kommen, die mit Kindern oder Pflegebedürftigen leben).
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Einstandsverpflichtungen in Partnerschaften, die sehr kritisch gesehen werden müssen. So wird bei Zusammenwohnenden, bei denen eine Person Hartz-IV bezieht, häufig eine Bedarfsgemeinschaft angenommen. DIE LINKE tritt dafür ein, dass z.B. der Sozialleistungsanspruch individualisiert wird. Es ist nicht einzusehen, warum die Tatsache, dass sich eine Person mit einer anderen eine Wohnung teilt, darüber entscheiden soll, ob eine bedürftige Person Anspruch auf Sozialleistungen hat oder nicht.

Bei der Frage des Unterhalts von Geschiedenen ist die Frage deutlich komplexer. In § 1569 BGB heißt es zum Beispiel Hinblick auf den Unterhalt nach einer Scheidung: „Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen.“ Ausnahmen werden z.B. definiert für Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes. Auch hier ist rechtlich nicht vorgeschrieben, wer diese Betreuungstätigkeiten zu übernehmen hat. Grundsätzlich ist diese normative Vorstellung der Selbstverantwortung von Geschiedenen richtig. Problematisch ist sie aber insbesondere für Frauen, die in wegen des beispielsweise in der alten Bundesrepublik noch sehr lange vorherrschenden Ideals der Hausfrauenehe nicht oder nur in geringem Maße berufstätig waren und sich auf die oben beschriebene Führung des Haushalts und die Kindererziehung konzentriert haben. Nach einer Scheidung tragen sie häufig die Lasten dieser Arbeitsteilung, z.B. in Form einer ungenügenden eigenen Alterssicherung oder einer Dequalifikation im Hinblick auf ihren Beruf.

Zu guter Letzt möchte ich noch kurz auf Ihre Frage bezüglich der generellen Abschaffung der Besteuerung von Einkünften eingehen. Diese halte ich für falsch. Die verfassungsmäßig vorgeschriebenen Staatsaufgaben lassen sich nicht allein über Verbrauchssteuern finanzieren. Dies wäre zudem hochgradig unsozial, da gerade Menschen mit geringen Einkommen einen deutlich größeren Anteil ihrer Einkommen für mehrwertsteuerpflichtige Verbrauchsgüter ausgeben, als Menschen mit sehr hohen Einkommen. Wenn Sie sich detaillierter über das Steuerkonzept der Linken informieren möchten, können Sie dies hier tun: http://www.die-linke.de/fileadmin/download/misc/20110129_Beschluss_Steuerkonzept.pdf

Mit freundlichen Grüßen,

Katja Kipping