Frage an Katja Kipping von Maximilian W. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Kipping,
1) Wie passt ihre aktuelle Forderung nach einem Maximaleinkommen mit der rechtsstaatlichen Eigentumsgarantie in Artikel 14 GG zusammen?
Es ist offenkundig, dass Schranken und Verpflichtung des Eigentums auch die theoretische Möglichkeit bieten eine sehr hohe Besteuerung von Einkommen und Eigentum per Gesetz durchzusetzen. Eine automatische Enteignung ab einem gewissen Einkommen dürfte der Tatsache, dass die Enteignung als Ausnahme und nicht als Regel festgelegt ist aber zuwiderlaufen.
2) Wer legt diese Grenze nach welchen Maßstäben fest? Ist diese Grenze flexibel?
3) Können sie sich wirklich nicht vorstellen, dass manche Menschen für die Gesellschaft einen höheren Nettowohlfahrtsgewinn als 40.000€ erwirtschaften?
Mein Einkommen liegt zwar weit abseits dieser Zahlen aber ich bin davon überzeugt, dass es Tätigkeiten aus Forschung, Privater Unternehmung und Industrie gibt, die ein solches Einkommen rechtfertigen.
4) Welche Vorteile hat die Beschränkung für die Gesellschaft? Eine Mindestgrenze für Einkommen halte ich auch für durchaus sinnvoll, kann mir aber nicht vorstellen, welchen Vorteil es für mich als Bürger hat, das Einkommen anderer zu beschränken.
5) Können sie sich auch vorstellen, dass eine solche Grenze negative Auswirkungen hat? Abwanderung von Höchsteinkommen und damit verbundene Steuer- und Investionsausfälle wären zwei Dinge die mir spontan einfallen.
Mit freundlichen Grüßen
Maximilian Winter
Sehr geehrter Herr Winter,
besten Dank für Ihre Anfrage, die ich natürlich gern beantworte.
zu 1) Ich spreche mich ja genau nicht für ein Verbot aus, mehr als 40.000 Euro zu verdienen, sondern dafür, dass man über dieser Nettoeinkommensgrenze die Steuer so deutlich anheben kann, dass faktisch ein Einkommenskorridor entsteht.
Im Grundgesetz steht ja auch, Eigentum verpflichtet und im Grundgesetz ist das Demokratieprinzip verankert.
Eine zu hohe Konzentration von Einkommen auf einzelne Personen ist meiner Meinung nach problematisch für die Demokratie, aus diesem Grund muss es hier zu einem Abgleich der verschiedenen Ansprüche des GG kommen. Wie sagen dazu die Juristen so schön: auf dem Wege der praktischen Konkordanz.
Im dritten Heft des Magazins prager frühling haben wir übrigens den Einkommenskorridor - eingebettet Thesen zur Demokratie - hergeleitet. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten: www.prager-fruehling-magazin.de.
zu 2) Eine solche Grenze kann in einer Demokratie nur durch die dazu legitimierten Gremien und Verfahren festgelegt werden. Momentan also durch Bundestag und Bundesrat. Ich persönlich streite auch für die Einführung der Möglichkeit, bundesweit Volksentscheide durchzuführen. Dann könnte auch die Bevölkerung als oberster Souverän z.B. entsprechende Steuergesetze beschließen.
zu 3) Dazu möchte ich Sie im Gegenzug fragen: Glauben Sie wirklich, dass die Höhe des Einkommens in der heutigen Gesellschaft objektiv danach bemessen wird, wer welche Leistung an und für die Gesellschaft erbringt?
zu 4) Zu den Vorteilen habe ich mich ja schon im "Freitag" geäußert: "Die Demokratie erodiert jedoch von beiden Seiten der Einkommensschere. Soziale Ungleichheiten führen zu Machtdifferenzen. Während die einen so wenig Geld haben, dass sie kaum ihre demokratischen Grundrechte wahrnehmen können, erfolgt auf der anderen Seite eine zunehmende Akkumulation von Reichtum – und zwar in einem solchen Maße, dass das Einkommen nicht mehr nur in ein Mehr an Lebensgenuss umgesetzt wird, sondern in politischen Einfluss. Akkumuliertes Vermögen enthält mittels politischer Einflussnahme durch aufgekaufte Medienkonzerne sowie über Lobbyarbeit das Potenzial akkumulierter Macht – und das jenseits demokratischer Legitimationsverfahren. Demokratie wird so erpressbar. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Forderung nach einem Maximaleinkommen Attraktivität. Der Korridor sollte zwischen 1.000 bis 40.000 Euro liegen. Die Kappung der Einkommen könnte man durch drastische Steuererhöhung für Wohlhabende erreichen. Einen derartigen Vorschlag hat vor kurzem die Redaktion des Magazins prager frühling vorgelegt. Jeder Bürger sollte in jeder Lebenssituation mindestens 1.000 Euro monatlich zur Verfügung stehen. Es ist zudem nicht ersichtlich, welche Leistung es rechtfertigt, mehr als das Vierzigfache des Mindesteinkommens als Lohn zu erhalten. Durch die drastische steuerliche Abschöpfung hoher Privateinkommen hätte die öffentliche Hand wesentlich mehr Mittel zur Verfügung."
zu 5) Erstens setze ich mich ja nicht nur für mehr soziale Rechte und höhere Steuern für Superreiche in der BRD ein, sondern in einem ersten Schritt europaweit und dann natürlich perspektivisch weltweit. Die sozialen Kämpfe sind längst global, davon zeugen die Weltsozialforen. Insofern könnte solch ein Einkommenskorridor in jedem Land Europas auf die politische Agenda gesetzt werden. Natürlich sollte die Höhe jeweils entsprechend vor Ort ermittelt und in demokratischen Verfahren herausgearbeitet werden, da sich ja die Kaufkraft und die Armutsquoten in den Ländern doch deutlich unterscheiden.
Außerdem kann man der Steuerflucht begegnen, indem man die Steuerstaatsbürgerschaft einführt. Soll heißen: Wenn ein deutscher Staatsbürger bzw. eine Staatsbürgerin ihren/seinen Wohnort in eine Steueroase verlagert, dann muss er zumindest die Differenz der Steuer begleichen, die er hier zahlen müsste, zu der Steuer, die er in seiner neuen Heimat zahlen muss. Wenn nicht, wird die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. Das ist nicht so revolutionär, wie es sich anhört, in den USA ist das längst Praxis.
Nur um Missverständnisse zu vermeiden: Jeder soll die Möglichkeit haben, seinen Lebensort selbstbestimmt zu wählen. Nur geht es darum, zu verhindern, dass ausgerecht die Superreichen ihren Lebensmittelpunkt nur mit dem Ziel der Steuervermeidung verlegen und die öffentliche Hand leer ausgeht, während die Mittelschicht das Steueraufkommen zu großen Teilen trägt. Also sollte man wenigstens die Steuern, die man durch Verlagerung des Wohnortes in eine Steueroase einspart, nachzahlen.
Mit freundlichen Grüßen
Katja Kipping