Frage an Katja Dörner von Ludwig B. bezüglich Wirtschaft
EEG-Novelle 2016
Hallo Fr. Dörner
mich interessiert Ihre Meinung und Position zum Brief von Hr. Hans-Josef Fell zur EEG-Novelle 2016 - siehe folgender Link.
Hr. Fell ist der Ansicht, dass die EEG-Novelle in der vorliegenden Form unbedingt gestoppt werden muss.
Hintergrundinformationen finden Sie hier:
Danke!
Schöne Grüße
L. Brackmann
Sehr geehrter Herr Brackmann,
vielen Dank für Ihr Schreiben zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2016. Bitte entschuldigen Sie die späte Antwort.
Das ursprüngliche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hatte sich als effizienter Motor der Energiewende etabliert. Bis zur Novelle stammten rund 33 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien. Das war eine grüne Erfolgsgeschichte. Das EEG war die Grundlage für das Entstehen einer neuen, leistungsstarken und nachhaltigen Industrie und die Perspektive einer klimaverträglichen Energieversorgung in Bürgerhand. Doch die Bundesregierung wollte diesem Gesetz seinen Erfolg nehmen und es dramatisch verändern. Die Klimaschutzkonferenz von Paris hatte einen klaren Handlungsauftrag formuliert: Alle Länder müssen ihre Anstrengungen für den Klimaschutz erheblich verstärken, um den weltweiten Temperaturanstieg auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Diesem Signal müssten gerade im Energiewendeland Deutschland Taten folgen, denn der CO2 Ausstoß in Deutschland war im Jahre 2015 gegenüber den Vorjahren sogar gestiegen. Es wären daher zusätzliche Anstrengungen bei der Umsetzung der Energiewende erforderlich gewesen – dies hätte auch der deutschen Wirtschaft und der regionalen Wertschöpfung gedient. Die Große Koalition tat das Gegenteil. Sie hat den Ausbau der Erneuerbaren Energien gegenüber dem Trend der letzten Jahre auf weniger als die Hälfte abgebremst. Dies ist ein Zeichen für den Paradigmenwechsel in der Energiepolitik. Mit dem Ausbremsen der Erneuerbaren sichert Schwarz-Rot wider aller klimapolitischen und ökonomischen Logik Kohlestrom weitere Jahre die Vorherrschaft auf dem deutschen Strommarkt.
Diese Verschlechterung geht Hand in Hand mit weiteren gesetzlichen Veränderungen außerhalb des EEG, die insbesondere die Nutzung von Eigenstrommodellen immer stärker einschränkt, zugleich aber Subventionen für Kohlekraftwerke einführt. Diese rückwärtsgewandte Weichenstellung entzieht der Energiewende die breite Akzeptanz und unterminiert die Investitionsbereitschaft von Bürgerinnen und Bürgern, Hausbesitzern und vieler kleinerer und mittlerer Unternehmen, die auf die Nutzung erneuerbarer Energien setzen. Die von der Großen Koalition und der Bundesregierung vorgebrachten Beweggründe für die Gesetzesnovelle werden von uns Grünen explizit nicht geteilt. Das fängt bereits beim Grundsatz an, die Festlegung der Vergütungshöhe für Ökostrom weitestgehend auf Ausschreibungen umzustellen. Das ist keineswegs europarechtlich so vorgegeben. Denn die EU-Kommission ermöglicht es beispielsweise, dass Windkraftanlagen mit einer Leistung von bis zu 18 MW von der Ausschreibungspflicht befreit werden können. Im Gesetzentwurf wird die Grenze jedoch von Schwarz-Rot willkürlich bei 0,75 MW gezogen.
Bleibt die Frage der Stromnetze und der steigenden Redispatch- und Einsatzmanagementkosten. Ohne jede substanzielle Analyse schiebt die Koalition diese der Windenergie in die Schuhe und begründet damit die Reduktion des Ausbauziels. Dass Atom- und Kohlestrom, z. B. aus den Kraftwerken Brokdorf und Moorburg, die Netze verstopfen, bleibt ebenso unberücksichtigt wie die Tatsache, dass wichtige Netzausbaumaßnahmen wie die Thüringer Strombrücke sowie die West- und die Ostküstenleitung in Schleswig-Holstein bald in Betrieb gehen und für Entlastung sorgen werden. Das drastische Ausbremsen der Windenergie ist also eine falsche Therapie, der keine ernsthafte Diagnose über die tatsächlichen Ursachen zugrunde liegt. Statt den Eneuerbaren-Ausbau auszubremsen, müssten zuerst Kohle- und Atomkraft stillgelegt werden. Und statt Windenergie abzuregeln, sollte eine Nutzung am Ort der Erzeugung auch durch die so genannten Sektorkoppelung ermöglich werden. So könnte z. B. Ökostrom in Wasserstoff umgewandelt und ins Erdgasnetz eingespeist oder direkt über Wärmespeicher in Heizungssysteme fließen. Vor dem Hintergrund der teils rückwärtsgewandten, teils vorgeschobenen Ziele sowie der überbordenden Bürokratisierung sehen wir Grünen in der EEG-Novelle insgesamt eine politisch motivierte Schikane, die Menschen und Unternehmen davon abhalten soll, sich für die Energiewende und Klimaschutz zu engagieren.
Substanzielle Änderungen sind für uns unverzichtbar: Der 45-Prozent-Deckel für Ökostrom bis 2025 muss weg, ebenso die einmalige Vergütungskürzung für bereits weit fortgeschrittene Windkraftprojekte. Zudem brauchen wir jährlich mindestens 2.500 MW netto Windkraftzubau an Land, die Wiederbelebung des PV-Ausbaus auf Dächern sowie eine Perspektive für die Bioenergien. Und nicht zuletzt müssen substanzielle Verbesserungen für die Bürgerenergien her, damit aus dem verkorksten Gabriel-EEG, doch noch ein akzeptables Gesetz werden kann.
Auch die generelle Umstellung auf Ausschreibungen halten wir für falsch. Wir wollten die Einspeisevergütung und das Referenzertragsmodell unter Anpassung der dynamischen Degression erhalten. Windenergie an Land ist heute schon die günstigste Form der Erneuerbaren Energien und günstiger als Strom aus neuen konventionellen Kraftwerken. Viele alte Windanlagen fallen ab 2020 aus der Förderung und sollten durch moderne und günstigere ersetzt werden ("RePowering"). Deshalb ist ein "netto" Ausbauziel wichtig. Neben der Wind- ist die Sonnenenergie das Rückgrat der zukünftigen sauberen Energieversorgung. Daher muss das Ausbauziel bei der Photovoltaik auf 5.000 MW pro Jahr angehoben und der 52 GW-Deckel gestrichen werden. Außerdem muss die EEG-Umlage auf eigenverbrauchten Strom aus Erneuerbaren Energien, die sogenannte „Sonnensteuer" weg. Wir wollen stattdessen den Eigenstrom aus schmutziger konventioneller Energieerzeugung mit der vollen EEG-Umlage belasten.
Bioenergie ist flexibel einsetzbar. Ihr kommt im Energiemix der Zukunft aufgrund des von ihr leistbaren Beitrages zum Ausgleich der fluktuierenden Einspeisung von Sonnen- und Windenergie eine besondere Bedeutung zu, vorausgesetzt, dass die Anlagen mit nachhaltigen Einsatzstoffen betrieben werden und für den flexiblen Betrieb umgerüstet werden. Das EEG 2016 hätte Regelungen für bestehender Biomasseanlagen enthalten müssen, welche eine Anschlussfinanzierung erhalten, sofern sie auf einen effizienten, flexiblen und nachhaltigen Betrieb umgerüstet werden und der Anbau von Energiepflanzen nachhaltig erfolgt. Die Regierung tat hier aber nichts.
Mit freundlichen Grüßen
Katja Dörner