Frage an Katja Dörner von Martin F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Guten Tag Frau Dörner,
können Sie mir erklären wieso die EU ständig korrupte und labile Länder aufnimmt? Geht diese rücksichtslose EU-Expansion nicht zu weit? An Griechenland können wir sehen, was passiert wenn man diese Art von Länder aufnimmt. Länder die mehr Kosten als Nutzen.
Wie stehen Sie zu diesem Thema?
Sehr geehrter Herr Hoch,
Griechenland muss in seinem Reformkurs weiterhin unterstützt werden, denn es befindet sich in einer prekären Lage: finanziell, sozial und wirtschaftlich. Auf dem griechischen Staatshaushalt lastet aktuell ein Schuldenberg von rund 318 Mrd. Euro. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 26 Prozent. Angesichts der sehr angespannten Lage ist die beschlossene Verlängerung des zweiten Hilfspakets bis Ende Juni richtig und wichtig, um den griechischen Staat vor dem Staatsbankrott zu bewahren.
Griechenland hat in den vergangenen Jahren Fortschritte bei Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen gemacht. Das muss anerkannt werden. Es macht keinen Sinn, Hilfe auf halbem Weg abzubrechen. Ein Rückzug der europäischen Partner wäre völlig unverantwortlich und würde die Solidarität und das gemeinsame Bekenntnis zu Europa aufkündigen. Stattdessen muss sichergestellt werden, dass die notwendigen Reformbestrebungen nicht daran scheitern, dass über ihnen das Damoklesschwert der Zahlungsunfähigkeit schwebt. Griechenland hat sich dazu verpflichtet, alle Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern einzuhalten. Die griechische Regierung hat zugesagt, in Absprache mit den europäischen Institutionen vorzugehen und einen Primärüberschuss zu erzielen, der im jetzigen wirtschaftlichen Umfeld realistisch und angemessen ist. Mit der Verpflichtung Athens auf Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen, Stabilität des Finanzsektors, Beförderung der wirtschaftlichen Erholung, Umsetzung weiterer wirtschaftlich sinnvoller und gerechter Strukturreformen und Maßnahmen gegen die soziale Krise sind die erforderlichen Voraussetzungen gelegt, um das zweite Hilfspaket erfolgreich abschließen zu können.
Die soziale Situation in Griechenland ist dramatisch. Die vorhandene Flexibilität muss genutzt werden, um die soziale Krise zu lindern. Vor dieser Krise im Herzen Europas die Augen zu verschließen, wie es manche Kommentare aus der CDU/CSU zeigen, ist zynisch und europäisch verantwortungslos. Massenarbeitslosigkeit, soziale Verwerfungen und Perspektivlosigkeit für große Teile der griechischen Bevölkerung dürfen nicht einfach hingenommen werden. Deshalb muss auch die EU Griechenland unterstützen, die soziale Krise abzumildern.
Ginge es nach konservativen Hardlinern in Europa und Deutschland, dann würde Griechenland aus der Eurozone ausscheiden. Ein Grexit wäre aber nicht nur für Griechenland und die Eurozone wirtschaftlich verheerend, sondern auch das Scheitern eines der wichtigsten europäischen Integrationsprojekte: des Euro. Nationale Nabelschau, chauvinistische Parolen und parteipolitisches Kalkül zersetzen die europäische Idee. Die rechtspopulistischen Stammtischparolen aus den Reihen der CDU und CSU gegen Griechenland in den letzten Wochen sind europäisch verantwortungslos. Auch das starrköpfige Auftreten von Wolfgang Schäuble verhärtet nur die Fronten und gießt Öl ins Feuer. Aber ebenso die wechselhafte, provokante Kommunikation und der Theaterdonner der griechischen Regierung. Insbesondere die inakzeptablen Drohungen des Verteidigungsministers Kammenos, von der rechtspopulistischen ANEL, sind kontraproduktiv und nicht europäisch. Dafür war und ist kein Platz in Europa. Es darf keinen Zweifel geben, dass die Mitgliedsstaaten auch künftig zusammenhalten und gemeinsam eine für alle Seiten tragbare Lösung finden. Die Debatten der vergangenen Wochen wurden viel zu stark nach der Logik des Nullsummenspiels geführt: einer verliert, was der andere gewinnt. Dieses Spiel ist nicht nur zutiefst uneuropäisch, sondern auch extrem gefährlich, da es nationale Fronten verhärtet, statt belastbare Kompromisse zu finden. Das nationale Gepolter muss daher sowohl in Deutschland als auch in Griechenland ein Ende haben. Alle Beteiligten müssen zu einem Kurs zurückkehren, der von gegenseitigem Verständnis, Verhandlungsbereitschaft, Vertrauen und Solidarität geprägt ist.
Mit freundlichen Grüßen
Katja Dörner