Frage an Katja Dörner von Uwe-Jens G. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Dörner,
ergänzend zur Frage von L. H. möchte ich Ihnen noch folgende Fragen stellen:
Sie werden mit den Sätzen zitiert "Impfskeptiker bringt man nicht durch Zwang zum Umdenken, sondern durch umfassende, unabhängige Beratung." und "Es gilt das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Und eine Masernimpfung bietet zwar auf der einen Seite Schutz, birgt aber auf der anderen Seite auch Risiken durch Nebenwirkungen."
1) Jedes Recht findet seine Grenzen, sobald es "die Rechte anderer verletzt" (Artikel 2, Satz 1 GG). Wenn ein ungeimpftes Kind ein anderes (oft auch ungeimpftes Kind) ansteckt, wird dann das "Recht auf körperliche Unversehrtheit" (des angesteckten Kindes) nicht auch verletzt? Wer trägt die Rechts- und anderen Folgen (z. B. finanzielle) in einem solchen Fall, wenn z. B. beim angesteckten Kind Komplikationen auftreten (z. B. bei den gerade diskutierten Masernerkrankungen eine Meningoenzephalitis)?
2) Es gibt genügend sinnvolle Beispiele in der Gesetzgebung und Rechtsprechung, in denen das gesellschaftliche bzw. öffentliche Interesse die privaten Interessen überwiegen, z. B. Grundstücksenteignungen beim Hochwasserschutz oder im Umweltinformationsgesetz § 8 Abs. 1: "... ist der Antrag abzulehnen, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt." Ist es nicht im öffentlichen/gesellschaftlichen Interesse, daß gerade KEINE Gefahr von Epidemien entsteht? Also warum sollte es gerade bei der Impfpflicht KEIN großes gesellschaftliches Interesse geben?
3) Ist Ihre Lebenserfahrung wirklich so, daß Sie glauben, daß mit einer Beratung das Problem gelöst ist? Impfgegner werden sich erfahrungsgemäß auch mit einer Beratung nicht von ihrer Meinung abbringen lassen, sie werden die Beratung "mitnehmen", weil es vielleicht mal vorgeschrieben ist. Für mich ist dieser Glaube derselbe, mit dem Vertreter des freien Marktes an die Wirksamkeit "freiwilliger Selbstverpflichtungen der Wirtschaft" glauben.
Mit freundlichen Grüßen
Uwe-Jens Greuel
Sehr geehrter Herr Greuel,
vielen Dank für ihre Ergänzung zur Frage von Herrn Horn. Die aktuelle Vielzahl an Masernerkrankungen, insbesondere in Berlin, hat ein wichtiges Thema in den Mittelpunkt gerückt: den Schutz vor leicht übertragbaren Infektionskrankheiten mittels Impfung.
Masern sind eine solche leicht übertragbare Infektionskrankheit, die zu erheblichen Schäden oder sogar zum Tod führen kann. Deshalb halten wir die Impfung gegen Masern für sehr sinnvoll. Sowohl Kinder, als auch Erwachsene, bei denen die Krankheit oft noch schwerer verläuft, sollten sich daher unbedingt impfen lassen. Und zwar nicht nur zum eigenen Schutz. Kinder und Erwachsene, die aufgrund anderer Vorerkrankungen nicht geimpft werden können, sind auf unser aller Solidarität angewiesen, gerade auch in Kindergärten, Schulen, am Arbeitsplatz oder im Krankenhaus. Je mehr Menschen geimpft sind, umso weniger können die Masern übertragen werden. Das Ziel, in allen Altersgruppen eine Impfquote von mindestens 95% zu erreichen, wurde aber bisher nur bei Kindern erreicht. Um die Impfquote zu erhöhen, setzen wir auf Aufklärung und Transparenz. Und die Zahlen sprechen für sich: Waren es 2004 gerade einmal 65,7 Prozent aller einzuschulenden Kinder, die die zweite, für den garantieren Schutz notwendige Masernimpfung erhielten, sind es inzwischen bundesweit 92,4 Prozent. Ansetzen müssen wir zusätzlich bei der Impfberatung in allen Kindervorsorgeuntersuchungen, sie stärken und verbessern - vor allem in der U6, U7 und U7a. Ärztinnen und Ärzte sollten eine zielgruppenspezifische Beratung über Vorteile, aber auch Risiken tatsächlich leisten können. Auch dem Verdacht, Impfungen allein aus wirtschaftlichem Interesse anzubieten, muss in den Gesprächen offen begegnet werden. Die Pflicht zur umfassenden ergebnisoffenen Beratung liegt zu allererst bei den ÄrztInnen.
Wichtig sind Maßnahmen die Erwachsene, wie Eltern unterstützen den eigenen, wie den Impfschutz ihrer Kinder regelmäßig zu überprüfen, daher kritisieren wir auch die von der letzten Bundesregierung vorgenommenen Kürzungen im Bereich gesundheitlicher Aufklärung zum Thema Impfen. Eine umfassender Impfschutz bei Masern wird nur erreicht wenn Kinder und Erwachsene 2x geimpft sind. Im Jahr 2000 lag die Impfquote bei Kindern im Vorschulalter zur 2. Impfung nur bei 19% bis zum Jahr 2010 konnte dies, durch umfassende Beratungs- und Aufklärungskampagnen auf 92% angehoben werden. Dies zeigt, dass es nicht zwingend einer Impfpflicht bedarf, sondern einer neutralen, regelmäßigen Beratung durch Kinder- und Allgemeinärzte. Auch der Öffentliche Gesundheitsdienst gehört gestärkt. Gesundheitsämter benötigen ausreichend (Beratungs-)Personal für ihre Aufklärungsarbeit, z.B. auf Elternabenden von Kitas und Schulen. Wir setzen auf bessere Aufklärung und Vernunft. Impflicht ist aus unserer Sicht nicht die Antwort. Deutschland ist kein Land der Impfgegner. Im Gegenteil: Die Statistik zeigt, dass 64 Prozent der Eltern schon jetzt vorbehaltlos von Impfungen überzeugt sind und ihre Kinder entsprechend impfen lassen. 35 Prozent der Eltern können durch Aufklärung über die Vorteile einer Impfung überzeugt werden. Lediglich ein Prozent der Eltern schließt eine Impfung kategorisch aus. Natürlich sind auch Bedenken gegen Impfungen ernst zu nehmen und die seltenen, aber möglichen Impfschäden offen anzusprechen. Gerade weil Impfungen nicht nur Schutz, sondern auch Risiko bedeuten, muss eine freie Impfentscheidung erhalten bleiben. Zudem halten wir eine allgemeine Impfpflicht für verfassungsrechtlich bedenklich; ganz abgesehen davon, dass sie praktisch kaum durchzusetzen wäre.
Mit freundlichen Grüßen
Katja Dörner