Frage an Katja Dörner von Lutz H. bezüglich Gesundheit
Sie sprechen sich gegen eine Impfpflicht aus und halten es für ausreichend, wenn sich Eltern über Impfungen haben beraten lassen.
Teilen Sie die Meinung, dass Impfen eine gesellschaftliche Aufgabe ist, zu der jeder seinen Beitrag leisten muss? Teilen Sie weiter die Meinung, dass es keine "individuelle Impfentscheidung" geben kann, weil kein Mensch für die Zukunft entscheiden kann, welchen Erregern er ausgesetzt sein wird und welchen nicht? Sind Sie mit mir der Meinung, dass, wer sich oder seine Kinder nicht impft und sich dadurch auf den Schutz der anderen verlässt, sich als unsozialer Trittbrettfahrer verhält?
Sehr geehrter Herr Horn,
vielen Dank für Ihr Schreiben. Die aktuelle Vielzahl an Masernerkrankungen, insbesondere in Berlin, hat ein wichtiges Thema in den Mittelpunkt gerückt: den Schutz vor leicht übertragbaren Infektionskrankheiten mittels Impfung.
Masern sind eine solche leicht übertragbare Infektionskrankheit, die zu erheblichen Schäden oder sogar zum Tod führen kann. Deshalb halten wir die Impfung gegen Masern für sehr sinnvoll. Sowohl Kinder, als auch Erwachsene, bei denen die Krankheit oft noch schwerer verläuft, sollten sich daher unbedingt impfen lassen. Und zwar nicht nur zum eigenen Schutz. Kinder und Erwachsene, die aufgrund anderer Vorerkrankungen nicht geimpft werden können, sind auf unser aller Solidarität angewiesen, gerade auch in Kindergärten, Schulen, am Arbeitsplatz oder im Krankenhaus. Je mehr Menschen geimpft sind, umso weniger können die Masern übertragen werden. Das Ziel, in allen Altersgruppen eine Impfquote von mindestens 95% zu erreichen, wurde aber bisher nur bei Kindern erreicht.
Um die Impfquote zu erhöhen, setzen wir auf Aufklärung und Transparenz. Und die Zahlen sprechen für sich: Waren es 2004 gerade einmal 65,7 Prozent aller einzuschulenden Kinder, die die zweite, für den garantieren Schutz notwendige Masernimpfung erhielten, sind es inzwischen bundesweit 92,4 Prozent.
Ansetzen müssen wir zusätzlich bei der Impfberatung in allen Kindervorsorgeuntersuchungen, sie stärken und verbessern - vor allem in der U6, U7 und U7a. Ärztinnen und Ärzte sollten eine zielgruppenspezifische Beratung über Vorteile, aber auch Risiken tatsächlich leisten können. Auch dem Verdacht, Impfungen allein aus wirtschaftlichem Interesse anzubieten, muss in den Gesprächen offen begegnet werden. Die Pflicht zur umfassenden ergebnisoffenen Beratung liegt zu allererst bei den ÄrztInnen.
Wichtig sind Maßnahmen die Erwachsene, wie Eltern unterstützen den eigenen, wie den Impfschutz ihrer Kinder regelmäßig zu überprüfen, daher kritisieren wir auch die von der letzten Bundesregierung vorgenommenen Kürzungen im Bereich gesundheitlicher Aufklärung zum Thema Impfen.
Ein umfassender Impfschutz bei Masern wird nur erreicht wenn Kinder und Erwachsene 2x geimpft sind. Im Jahr 2000 lag die Impfquote bei Kindern im Vorschulalter zur 2. Impfung nur bei 19% bis zum Jahr 2010 konnte dies, durch umfassende Beratungs- und Aufklärungskampagnen auf 92% angehoben werden. Dies zeigt, dass es nicht zwingend einer Impfpflicht bedarf, sondern einer neutralen, regelmäßigen Beratung durch Kinder- und Allgemeinärzte.
Auch der Öffentliche Gesundheitsdienst gehört gestärkt. Gesundheitsämter benötigen ausreichend (Beratungs-)Personal für ihre Aufklärungsarbeit, z.B. auf Elternabenden von Kitas und Schulen.
Wir setzen auf bessere Aufklärung und Vernunft. Impflicht ist aus unserer Sicht nicht die Antwort. Deutschland ist kein Land der Impfgegner. Im Gegenteil: Die Statistik zeigt, dass 64 Prozent der Eltern schon jetzt vorbehaltlos von Impfungen überzeugt sind und ihre Kinder entsprechend impfen lassen. 35 Prozent der Eltern können durch Aufklärung über die Vorteile einer Impfung überzeugt werden. Lediglich ein Prozent der Eltern schließt eine Impfung kategorisch aus. Natürlich sind auch Bedenken gegen Impfungen ernst zu nehmen und die seltenen, aber möglichen Impfschäden offen anzusprechen. Gerade weil Impfungen nicht nur Schutz, sondern auch Risiko bedeuten, muss eine freie Impfentscheidung erhalten bleiben. Zudem halten wir eine allgemeine Impfpflicht für verfassungsrechtlich bedenklich; ganz abgesehen davon, dass sie praktisch kaum durchzusetzen wäre.
Mit freundlichen Grüßen
Katja Dörner