Frage an Katja Dörner von Jim B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Katja Dörner,
ich möchte gerne wissen warum Sie bei den Finanzhilfen für Griechenland zugestimmt haben, ohne auf die Mehrheit des Volkes zu hören, das genug davon hat das Deutsche Steuergelder an andere Länder verschleudert werden?
Wir leben doch in einer Demokratie, oder?
Warum hören Sie als Volksvertreterin dann nicht auf den Willen des Volkes?
Warum gab es keine Volksabstimmung, ob wir Bürger überhaupt noch mehr Geld geben wollen?
Warum gab es keine Volksabstimmung, ob wir Bürger den Euro überhaupt wollen?
Warum gab es keine Volksabstimmung, ob wir Bürger überhaupt in der EU sein wollen?
Uns hat nie jemand gefragt!
Also tun Sie uns Wählern einen Gefallen und stimmen bei den nächsten Finanzhilfen dagegen.
Mit besten Grüßen
Jim Becker
Sehr geehrter Herr Becker,
vielen Dank für Ihre Fragen. Bitte entschuldigen Sie die späte Antwort.
Wir Grünen sind der Auffassung, dass Lösungsansätze wie der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) sinnvoll sind. Der ESM ist ein wichtiger Baustein, um die Eurozone langfristig zu stabilisieren. Wir unterstützen den ESM, weil er ein zentrales Prinzip beinhaltet: Es gibt nur Hilfe gegen Auflagen. Diese Konditionierung bedeutet, dass der ESM nur greift, wenn die hilfebedürftigen Mitgliedsstaaten vorab getroffene Vereinbarungen auch sicher einhalten. Außerdem werden die Kredite nur dann vergeben, wenn der Empfänger seine Schulden auch tatsächlich tragen kann. Das wird in einer sogenannten Schuldentragfähigkeitsanalyse überprüft. Durch das ESM-Finanzierungsgesetz wird außerdem die haushaltspolitische Verantwortung des Deutschen Bundestages sichergestellt
Im Gegensatz zu Schwarz-Gelb bekennen wir uns eindeutig dazu, dass ohne gemeinsame Gewährleistungen ein Ausweg aus der Krise nicht möglich ist. Die Koalition hat mit ihrem zögerlichen Verhalten bisher nur erreicht, dass der größte Teil der Krisenstrategie durch die Europäische Zentralbank (EZB) ausgeführt wird. Dadurch werden de facto Risiken aus den Nationalen Haushalten auf die EZB verlagert. Hinter der EZB stehen am Ende jedoch dieselben europäischen Steuerzahler. Somit ist die Bundesregierung nicht ehrlich gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, wenn sie behauptet, sie sei gegen eine Vergemeinschaftung von Schulden. Diese gibt es bereits.
Wir Grüne halten eine verantwortungsvolle – und das heißt für uns insbesondere eine nachhaltige - Haushaltspolitik für unabdingbar und setzen uns in Deutschland wie in Europa dafür ein, die Besteuerung auf hohe Vermögen und Einkommen, auf Finanztransaktionen und Ressourcenverbrauch zu erhöhen und unterschiedliche Subventionen abzubauen. Mit unserem Konzept der Vermögensabgabe, die hohe Vermögen an den Kosten der Krise beteiligen soll, machen wir einen Vorschlag, wie die Kosten der Finanzkrise ausgeglichen werden sollen.
Wir Grünen fordern des Weiteren im Gegensatz zur Regierung die Einrichtung eines Schuldentilgungsfonds nach Vorschlag des Sachverständigenrates der Bundesregierung, welcher eine echte und langfristige Perspektive für den Schuldenabbau in Europa beinhaltet, anstatt nur die akutesten Brände löschen zu wollen.
Bei der letzten Abstimmung des Bundestags am 30.11.2012 für Finanzhilfen für Griechenland, der ich zugestimmt habe, ging es um die Anpassung beziehungsweise Nachjustierung des griechischen Anpassungsprogramms und die Bereitstellung von Programmmitteln für einen Schuldenrückkauf Griechenlands. In einem zweiten Schritt wird es dann um die Auszahlung der bereits im Februar beschlossenen nächsten drei Tranchen des Griechenland-II-Pakets gehen.
Ich haben einer Verlängerung der griechischen Sparziele zugestimmt, weil ich die von der Eurogruppe beschlossene Anpassung für Griechenland für richtig halte. Mehrere Monate wurde über die nächste Auszahlung der Griechenlandhilfen beraten. Zwar bescheinigte der Bericht der Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds, dass Griechenland die politischen Vorgaben weitestgehend umgesetzt hat. Inzwischen zeigt sich aber deutlich: Die Auswirkungen der radikalen Kürzungsmaßnahmen auf die griechische Wirtschaft wurden seitens der Troika unterschätzt. Die derzeitige Strategie, die maßgeblich auf eine harte Sparpolitik setzt, hat nicht den erhofften Erfolg gebracht. Wir haben die einseitigen Kürzungsvorgaben immer kritisiert. Jetzt zeigt sich: Griechenland braucht für die Sanierung seines Landes mehr Zeit. Und das kostet mehr Geld. Unter einem Flickenteppich von komplizierten Einzelmaßnahmen versucht die Bundesregierung diese einfache Wahrheit zu verdecken. Statt diese Tatsache offen auszusprechen und einen transparenten und nachvollziehbaren Weg aus der Krise aufzuzeigen, beharrt die Bundesregierung auf einer undurchsichtigen Minimallösung und hofft einen Schuldenschnitt auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschieben zu können.
Ein schrittweiser und konditionierter (gegen Auflagen gewährter) Schuldenerlass in der Zukunft, wäre ein möglicher Weg aus der Krise in Griechenland. Denn nur ein gesunder Staat kann langfristig auch seine Kredite zurückzahlen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass auch über das nächste Jahrzehnt hinaus, Griechenland in seiner Phase der Transformation von den Europäischen Institutionen begleitet werden muss. Die Griechenland-Rettung wird spätestens am „Ende“ der Kreditzahlungen Geld kosten. Wobei man nicht der Illusion erliegen darf, dass die „Nicht-Rettung“ nichts kosten würde. Die Auswirkungen eines ungedämpften Bankrotts, und seiner Folgewirkungen für die anderen Krisenstaaten und damit für die wirtschaftliche Situation in Europa, wird von ExpertInnen in Summen geschätzt, die die jetzt geleisteten Hilfen um ein Vielfaches übersteigen. Es ist also Geld wert, Griechenland im Euro zu behalten und das Land auf wirtschaftlich gesunde Beine zu stellen. Aber das Geld darf nicht in undurchsichtigen Strukturen versickern, sondern muss sinnvoll investiert werden. Daher muss sichergestellt sein, dass nachhaltige Strukturreformen nicht nur auf den Weg gebracht, sondern auch transparent und überprüfbar abgeschlossen werden. Diese Reformen dürfen sich nicht auf die Haushalts-, Fiskal- und Wirtschaftspolitik beschränken, sondern müssen auf Bereiche wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, die Reform der Verwaltungskapazität, die ökologische Transformation der Energiewirtschaft et cetera ausgeweitet werden. Ein Verfahren mit klaren Zielvorgaben, ähnlich wie bei Verhandlungskapiteln aus den EU-Beitrittsverhandlungen, könnte etabliert werden.
Ihre
Katja Dörner