Frage an Katja Dörner von Christoph R. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Dörner,
Ihr Kollege Cem Özdemir ist gestern abend in der Tagesschau zum Thema Elektromobilität (sinngemäß) wiedergegeben worden, dass die Grünen eine stärkere Förderung und Verbreitung von Kfz mit Elektroantrieb bis 2020 fördern wollen, als dies der Bundesregierung derzeit vorschwebt. Sofern seine Stellungnahme nicht aus dem Kontext gerissen worden ist, möchte ich gern wissen, welchen Stellenwert eine entsprechende Förderprämie im Vergleich zu anderen verkehrspolitischen Themen wie beispielsweise Ausbau des Nahverkehrs oder Straßenbau im allgemeinen bei den Grünen hat. Da die diskutierten 1.000.000+ Fahrzeuge mit Elektroantrieb in erster Line einen innerstädtischen Verwendungszweck haben dürften, stehen sie gewissermaßen in direkter Konkurrenz zu Bus, Bahn und Fahrrad, so dass sich sich für mich hier grundsätzlich die Frage stellt, welches Verkehrkonzept in diesem Bereich eigentlich umgesetzt werden soll. (Wünsche ich mir beispielsweise eine autofreie Innenstadt, so macht es meiner Meinung nach keinen Sinn, motorisierten Individualverkehr welcher Art auch immer zu fördern.) Auf die Gefahr hin, dass ich mich nicht klar genug ausgedrückt habe, bin ich dennoch auf Ihre Antwort gespannt und bedanke mich im voraus!
Sehr geehrter Herr Reimann,
Die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs und von Elektroautos sind kein Gegensatz. Beides ist wichtig für die dringend notwendige Energiewende auch im Verkehr. Beides, sowohl ein besser ausgebauter Nahverkehr und die Verbesserung der Bedingungen für den Fahrrad- und Fußverkehr als auch die mittelfristige Umstellung des Automobilantriebs auf Strom aus erneuerbaren Energien sind wichtige Maßnahmen, um die Klimaschutzziele zu erreichen und unsere Abhängigkeit von Öl zu verringern. Dies ist auch vor dem Hintergrund der weltweiten Automobilentwicklung zu sehen. Bis 2030 werden weltweit doppelt so viele Autos und Lkw unterwegs sein wie heute, weil die Motorisierung insbesondere in Ländern wie Brasilien, Russland, Indien und China in den letzten Jahren massiv zugenommen hat. Allein in China werden jedes Jahr rund 20 Mio. neue Fahrzeuge zugelassen. Wenn dieser Autoboom auf der Basis der Verbrennung von Öl erfolgt, wird nicht nur die CO2-Konzentration in der Atmosphäre den kritischen Schwellenwert überschreiten. Es wird dann auch einen noch stärkeren Druck auf den Anbau von Biomasse für Benzin und Diesel geben, zulasten des Anbau von Nahrungsmitteln. Außerdem wird ein stark steigender Ölpreis in Folge von Knappheit die wirtschaftliche Entwicklung weltweit massiv behindern. Am stärksten betroffen werden davon arme Länder sein, die schon heute einen hohen Anteil ihres Bruttoinlandsprodukts für den Import von Öl aufwenden müssen. Wir müssen also weg vom Öl und dafür ist die Elektrifizierung des Straßenverkehrs mit erneuerbaren Energien unabdingbar.
Für die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs (einschließlich Regionalverkehr auf der Schiene) gibt der Bund jährlich rund 8,7 Mrd. Euro aus, für Investitionen in das Schienennetz kommen noch einmal rund 4,2 Mrd. Euro dazu. Wir wollen diese Summe steigern und trotz Schuldenbremse ein Milliarde mehr in die Schiene investieren. Außerdem wollen wir, dass der Gewinn, den die die Deutsche Bahn AG aus dem Betrieb von Bahnhöfen und Schienennetz macht, dort auch wieder investiert wird. Zudem wollen wir Kommunen die Möglichkeit eröffnen, durch die Einführung einer Citymaut zusätzlich in den öffentlichen Verkehr investieren zu können. Außerdem sollen die Beschränkungen für Tempo 30 wegfallen, so dass Kommunen auf allen Straßen die Geschwindigkeit reduzieren können, wenn sie dies wünschen.
Elektromobilität ist vielfältig. Der größte Teil des Schienenverkehrs ist bereits elektrifiziert. Hier wollen wir für eine Umstellung auf erneuerbare Energien sorgen, um den Umweltvorsprung des öffentlichen Verkehrs weiter auszubauen. Und während der Verkauf von Elektroautos bisher sehr schleppend verläuft, boomen Elektrofahrräder. Allein im Jahr 2011 wurden davon 310.000 in Deutschland verkauft. Wir sind allerdings auch davon überzeugt, dass der Automobilantrieb elektrifiziert werden muss. In den nächsten Jahren werden das weniger reine Elektroautos sein, weil sie zu teuer sind und ihre Reichweite zu gering ist, sondern Hybridautos, die an der Steckdose geladen werden können, so genannte Plug-In-Hybride. Diese Fahrzeuge können die alltäglichen Wege elektrisch zurücklegen und für längere Strecken einen Verbrennungsmotor zuschalten. Sie verbrauchen in Kombination aber weniger als die Hälfte selbst der effizientesten Diesel. Wir wollen Fahrzeuge, die weniger als 50 g/km CO2 ausstoßen (entspricht rund 2 l Diesel/100 km) mit einer Kaufprämie fördern, um den Preisunterschied der derzeit noch teuren neuen Technik gegenüber konventioneller Technik zu senken. Dadurch werden nicht mehr Autos verkauft werden. Die Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich aus welchen Gründen auch immer ein Auto anschaffen wollen, erhalten somit allerdings einen Anreiz sich für ein deutlich klimaschonendere Technik zu entscheiden. Finanzieren wollen wir diese Anreize durch eine Reform der Kfz-Steuer, mit der die Steuer für besonders stark emittierende Fahrzeuge angehoben würde. Durch dieses Bonus-Malus-System fördern wir neue klimaschonende Technik ohne dafür zusätzliches Geld aus dem Haushalt bereitstellen zu müssen. Gleichzeitig wollen wir der Autoindustrie ambitionierte Verbrauchsgrenzwerte für 2020 (70g CO2/km) und 2
025 (50g CO2/km)vorgeben, damit die Ölabhängigkeit reduziert, der Treibhausgasausstoß des Verkehrs gesenkt und die Industrie langfristig Planungssicherheit erhalten kann.
Ihre Katja Dörner