Frage an Katja Dörner von Achim Z. bezüglich Wirtschaft
warum haben Sie sich zum Fiskalpakt enthalten, wenn Sie für den ESM stimmen?
Sehr geehrter Herr Zickler,
mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) schaffen die Euro-Mitgliedsstaaten eine dauerhafte Finanzinstitution, der alle Euro-Staaten angehören werden. Der ESM soll ab Ende Juli 2012 in Kraft treten und die neuen EU-Instrumente im Bereich der wirtschaftspolitischen Steuerung ergänzen, wie beispielsweise die reformierten Verfahren des Stabilitäts- und Wachstumspaktes oder das neue Verfahren zur Vermeidung und Korrektur von makroökonomischen Ungleichgewichten. Aufgabe des Rettungsschirms ist es, am Markt Geld aufzunehmen und Stabilitätshilfen zu günstigeren Konditionen an Euro-Staaten mit gravierenden Finanzierungsproblemen weiterzugeben. Hilfen werden laut Vertrag nur gewährleistet, wenn diese „zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt und seiner Mitgliedsstaaten unabdingbar“ sind. Die Hilfe ist mit Auflagen für das jeweilige Land verbunden. Diese Auflagen werden im sogenannten Memorandum of Understanding (MoU), einer politischen Absichtserklärung, festgehalten und die Umsetzung vierteljährlich durch die Europäische Kommission in Zusammenarbeit mit der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF)überprüft. Vom Ergebnis dieser Überprüfungen hängt ab, ob das betroffene Land die nächste Teilzahlung erhält. Selbst wenn der Bundestag und andere Parlamente Hilfen grundsätzlich zugestimmt haben, können diese eingestellt werden, wenn eine Überprüfung negativ ausfällt. Zudem wird bewertet, ob die Staatsverschuldung tragfähig ist. Hierzu erstellt die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF eine Schuldentragfähigkeitsanalyse. Entsprechend der IWF-Praxis findet in Ausnahmefällen eine Privatgläubigerbeteiligung statt.
Wir unterstützen den ESM, weil er ein zentrales Prinzip beinhaltet: Es gibt nur Hilfe gegen Auflagen. Diese Konditionierung bedeutet, dass der ESM nur greift, wenn die hilfebedürftigen Mitgliedsstaaten vorab getroffene Vereinbarungen auch sicher einhalten. Außerdem werden die Kredite nur dann vergeben, wenn der Empfänger seine Schulden auch tatsächlich tragen kann. Das wird in einer sogenannten Schuldentragfähigkeitsanalyse überprüft.
Überdies steht die Gewährleistungshöhe fest. Ein Fass ohne Boden ist der ESM auch deswegen nicht, weil die Summe der deutschen Gewährleistungen klar begrenzt ist auf 190 Milliarden Euro. Über diese Summe entscheidet der Deutsche Bundestag und sie kann nicht überschritten werden. Außerdem ist eine zweimalige Zustimmung des Plenums notwendig, bevor ein Land unter den Rettungsschirm kommt. In der ersten Abstimmung wird die Frage beantwortet, ob man einem Land grundsätzlich Hilfen gewähren möchte. Nach Ausarbeitung eines konkreten Hilfsprogramms mit entsprechenden Auflagen für den empfangenden Staat muss erneut abgestimmt werden, ob das konkrete Programm so verabschiedet werden darf. Wir weisen daher vehement die Stimmen zurück, die den ESM als ein Instrument sehen, welches die Haushaltssouveränität des Deutschen Bundestages beschneidet. Der Bundestag hat selbstverständlich weiterhin das Recht, über jede Hilfe souverän zu entscheiden und diese gegebenenfalls auch abzulehnen. Die Abstimmungen binden den deutschen Vertreter im ESM-Gouverneursrat , in seinem Abstimmungsverhalten. Dies gilt sowohl für einzelne Programme, als auch für eine mögliche Aufstockung des ESM. Alle haushaltsrelevanten Entscheidungen unterliegen damit dem verfassungsrechtlichen gebotenen Parlamentsvorbehalt.
Im Gegensatz zur Koalition bekennen wir uns eindeutig dazu, dass ein Ausweg aus der Krise ohne gemeinsame Gewährleistungen nicht möglich ist. Die Koalition hat mit ihrem zögerlichen Verhalten bisher nur erreicht, dass der größte Teil des Krisenengagements momentan durch die EZB ausgeführt wird. Dadurch werden de facto Risiken aus den Nationalen Haushalten auf die EZB verlagert. Hinter der EZB stehen am Ende jedoch dieselben europäischen Steuerzahler. Die Kredite der EZB übersteigen mittlerweile das Volumen des ESM bei weitem. Somit ist die Bundesregierung nicht ehrlich gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, wenn sie behauptet, sie sei gegen eine Vergemeinschaftung von Schulden. Diese gibt es bereits, und sie ist die logische Konsequenz eines gemeinsamen Währungsraums, in dem Ängste vor einem Zusammenbruch existieren. Sparer in Südeuropa verschieben daher ihre Einlagen nach Deutschland, da deutsche Banken als sicherer wahrgenommen werden. Der Kapitalmangel südeuropäischer Banken wird durch die EZB aufgefüllt – damit übernimmt die EZB ihre vertragliche Pflicht, als Kreditgeber der letzten Instanz für Banken zu agieren. Allerdings übernimmt die EZB damit unweigerlich Risiken – Risiken, die sie wegen der Untätigkeit der Bundesregierung aufnehmen muss, da diese zu langsam an der Fortentwicklung der EU arbeitet und die Angst vor einem Zusammenbruch eher schürt als ausräumt.
Das Europäische Gipfeltreffen im Juni 2012 eröffnete, wie seit langem von uns gefordert, den Weg in Richtung einer Bankenunion. Es wurden Schritte zur Etablierung einer Bankenaufsicht auf Europäischer Ebene vereinbart sowie ein erleichterter und flexiblerer Zugang für Krisenländer und betroffene Banken zum Rettungsschirm. Damit werden Maßnahmen ergriffen, die bei konsequenter Umsetzung endlich den Teufelskreis aus Banken- und Staatsschulden durchbrechen könnten. Aus Grüner Sicht ist es daher elementar, dass eine Bankenunion bei der Abwicklung von Banken im Interesse der Steuerzahler agiert und dass die Kapitalgeber der Banken entsprechend beteiligt werden. Nur wenn dies sichergestellt ist, sind die Beschlüsse des Gipfeltreffens tatsächlich als Fortschritt zu werten.
Ich teile die Kritik und halte den Fiskalpakt für die falsche Lösung in der aktuellen Krise im europäischen Raum, die weit mehr ist als eine Staatsschuldenkrise. Vor diesem Hintergrund habe ich dem Fiskalpakt nicht zugestimmt. Die Beweggründe für diese Entscheidung habe ich gemeinsam mit meiner Kollegin Lisa Paus MdB und Sven-Christian Kindler MdB in einer ausführlichen Persönlichen Erklärung dargelegt.
Ihre Katja Dörner