Frage an Katja Dörner von Valentin B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Dörner,
die Debatte über Einsparmöglichkeiten in Griechenland reißt nicht ab. Immer wird von den Griechen gefordert, dass sie noch mehr bei Gehältern, Bildung und Sozialem einsparen sollen. Das Ergebnis kann man gut sehen: durch die Rezession sinken die Steuereinnahmen, dann benötigt der Staat noch mehr Geld und muss neue Schulden zu noch höheren Zinsen aufnehmen und für die EU noch ein Spaarpaket auflegen. Letzendlich befinden die Griechen sich in einer Art Teufelskreis.
Dabei gibt es doch noch großes Einspaarpotential!
Beispielsweise im Militärhaushalt. Wie ich erfahren habe ist dieser nachdem er kurz nach Anfang der Schuldenkrise zurueckgegangen ist dieses oder letztes Jahr wieder angewachsen, in Zeiten, wo beim einfachen Griechen gespart wird. Ein extrem großer Militärhaushalt für ein doch nicht gerade großes Land. DAS ist für mich der größte Skandal in der griechischen Haushaltskrise. Die Troika lässt in Griechenlandan den Falschen Stellen sparen. Und warum?
Weil Griechenland einen Grenzkonflikt mit der Türkei hat. Aber ganz im Ernst, das ist total hirnrissig! Griechenland und die Türkei sind beide in der Nato, da gilt eine Verteidigungsbeistandspflicht. Außerdem möchte die Tuerkei in die EU, wo die Griechen bekanntlichermassen ja schon sind. Glauben Sie da ernsthaft, dass zwischen diesen zwei Ländern es zu einem Krieg kommen könnte? Nein!
Ein weiterer Grund ist, dass Deutschland gut an Griechenlands Überrüstung verdient. Deutschland ist weltweit der Drittgrößte Waffenexporteur. Davon geht das meiste an Buendnispartner, einer der groessten Kunden war da Griechenland. Kein Wunder, dass da noch kein Aufschrei durch die deutsche Politik gegangen ist.
Was sagen Sie dazu? Warum stellen Sie sich nicht in die Öffentlichkeit und sagen endlich mal die Wahrheit, wo in Griechenland gespart werden muss? Das ist eines unserer urgrünen Interessen.
Mit freundlichen Grüßen,
Valentin Büchi
Sehr geehrter Herr Büchi,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 1. März. Die Haushaltskrise Griechenlands zeigt, welche immensen Auswirkungen die finanzielle Schieflage eines mit unserer Volkswirtschaft eng verflochtenen Staates auf die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union haben kann. Griechenland ist einer der größten Abnehmer von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus Deutschland. Im Falle Griechenlands trugen ein hoher Rüstungshaushalt und milliardenteure Rüstungsbeschaffungsprojekte zu der Verschärfung der Krise bei. Auch nach Bekanntwerden der prekären Haushaltslage wurden die deutschen Rüstungsgeschäfte fortgesetzt.
1998 hat der Rat den Verhaltenskodex der Europäischen Union für Waffenausfuhren angenommen, der acht Kriterien für die Ausfuhr konventioneller Waffen enthielt. Der Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP des Rates vom 8. Dezember 2008 ersetzt den Verhaltenskodex und erhöht dessen Verbindlichkeit. Nach Artikel 2 Absatz 8 (Kriterium 8) des Gemeinsamen Standpunktes spielt die Vereinbarkeit der Ausfuhr mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Empfängerlandes eine entscheidende Rolle,
„wobei zu berücksichtigen ist, dass die Staaten bei der Erfüllung ihrer legitimen Sicherheits- und Verteidigungsbedürfnisse möglichst wenige Arbeitskräfte und wirtschaftliche Ressourcen für Rüstung einsetzen sollten. Die Mitgliedstaaten beurteilen anhand von Informationen aus einschlägigen Quellen, […] ob die geplante Ausfuhr die nachhaltige Entwicklung des Empfängerlandes ernsthaft beeinträchtigen würde. Sie prüfen in diesem Zusammenhang den jeweiligen Anteil der Rüstungs- und der Sozialausgaben des Empfängerlandes und berücksichtigen dabei auch jedwede EU- oder bilaterale Hilfe.“
Der überdimensionierte Militärhaushalt wurde zu spät und zu wenig in die Strukturreform einbezogen, aus Angst von der eigenen Klientel in Griechenland und wegen des Drucks der europäischen Rüstungskonzerne.
Die griechische Wirtschaft ist seit 2008 um mehr als 12 Prozent geschrumpft und steckt weiter in einer tiefen Rezession. Die Folgen sind hohe Arbeitslosigkeit und ein sinkendes Einkommen der Bevölkerung. Um die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands zu erhöhen, müssen verkrustete Märkte aufgebrochen und die öffentliche Verwaltung modernisiert werden. Es bedarf einer ausgewogenen Mischung aus Sparanstrengungen, sinnvoller Ausgabenkürzung, verbesserten staatlichen Einnahmen und Investitionen in zukunftsfähige Projekte wie Bildung, Netzinfrastruktur, Ressourceneffizienz und regenerative Energien. Die notwendige Spar- und Reformpolitik kann nur erfolgreich sein, wenn sie mit einem europäischen Solidaritätsversprechen für mehr Wachstum, Beschäftigung und mehr soziale Gerechtigkeit verbunden ist. Nur so können eine breite Unterstützung für die notwendigen Reformen gewonnen und der gesellschaftliche Zusammenhalt gewährleistet werden.
Eine Konsolidierung des griechischen Staatshaushalts ist notwendig, um vergangene Fehlentwicklungen zu korrigieren. Der griechischen Bevölkerung wurde in den vergangenen Jahren sehr viel abverlangt. Ihr gebührt großer Respekt. Breite Teile der Bevölkerung müssen steigende Steuern bei massiven Lohneinbußen und Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen.
Nicht jede Sparmaßnahme ist auf Druck der Troika zustande gekommen, sondern es sind vielfach die griechischen Parteien dafür verantwortlich. Das bisherige Vorgehen belastete Menschen mit niedrigem Einkommen besonders stark und war daher häufig sozial unausgewogen. Insbesondere die vermögenden Griechen werden nicht ausreichend an den Kosten der Krise beteiligt. Die Einführung von Vermögensabgaben würde hier bereits ein Schritt in die richtige Richtung aufweisen. Dementsprechend erwarten wir von der Bundesregierung, dass sie sich in Brüssel für eine Besteuerung des hochspekulativen Handels mit Wertpapieren und Derivaten einsetzt. Die Tatsache, dass sich Großbritannien gegen eine solche Steuer sperrt, darf die Bundesregierung nicht davon abhalten endlich - zur Not gemeinsam mit einer Koalition der willigen Staaten - eine Finanztransaktionssteuer einzuführen.
Für uns Grüne bedeutet Stabilität mehr als ausgeglichene Haushalte, sie beruht auf Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Es ist an der Zeit von bloßen Sparen wegzukommen, die Finanzmärkte stärker an den Kosten der Krise zu beteiligen und wachstumsfördernde Lösungen zu finden. Was wir in Europa brauchen und relativ zügig auf den Weg bringen könnten wäre eine Stärkung der Befugnisse der Europäischen Investitionsbank und gezielte Projektinvestitionen beispielsweise in alternative Energien in Südeuropa, um Anreize zu schaffen, dass wieder mehr privates Kapital in die Krisenstaaten fließt. Zudem sollte der vom Sachverständigenrat vorgeschlagene Schuldentilgungsfonds eingerichtet werden, um in einem überschaubaren Zeitraum europaweit verträgliche Schuldenstände zu erreichen und für verträgliche Refinanzierungskosten zu sorgen. Neben dem ESM, der ex-post für Krisenstaaten eine Art Rettungsnetz darstellt, würde ein Altschuldentilgungsfonds präventiv das Problem zu hoher Staatsverschuldung angehen und somit beruhigend auf die Märkte wirken können.
Im Gegensatz zur Koalition bekennen wir uns eindeutig dazu, dass ohne gemeinsame Gewährleistungen ein Ausweg aus der Krise nicht möglich ist. Die Koalition hat mit ihrem zögerlichen Verhalten bisher nur erreicht, dass der größte Teil der Krisenstrategie momentan durch die EZB ausgeführt wird. Dadurch werden de facto Risiken aus den Nationalen Haushalten auf die EZB verlagert. Hinter der EZB stehen am Ende jedoch dieselben europäischen Steuerzahler. Die Risiken bei der EZB übersteigen mittlerweile das Volumen des ESM bei weitem. Somit ist die Bundesregierung nicht ehrlich gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, wenn sie behauptet, sie sei gegen eine Vergemeinschaftung von Schulden. Diese gibt es bereits.
Deutschland allein hat in einer globalisierten Welt auf Dauer kein Gewicht – um politischen Handlungsspielraum zurückzugewinnen brauchen wir eine handlungsfähige und starke Europäische Union zu der auch Griechenland gehört.
Freundliche Grüße, Ihre Katja Dörner