Frage an Katja Dörner von Gerald E. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Dörner,
ich bitte Sie -nunmehr auf diesem Wege- um eine Stellungnahme hinsichtlich der Reformdiskussion zu § 1626a BGB.
Die familienpolitische Ausrichtung Ihrer Partei zu kennen, ist mir sehr wichtig.
Nach Maßgabe welcher Kriterien sollte nach der Vorstellung Ihrer Partei die gemeinsame elterliche Sorge nicht verheirateter Eltern möglich sein?
Freundliche Grüße
Gerald Emmermann
Sehr geehrter Herr Emmermann,
gerne lege ich Ihnen die grüne Position zur elterlichen Verantwortung von Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind dar.
Schon in der letzten Wahlperiode hat sich die Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen für eine Neuregelung des Sorgerechtseingesetzt. Wir waren die einzige Bundestagsfraktion, die Vätern schon damals die Möglichkeit schaffen wollte, beim Familiengericht einen Antrag auf Erteilung des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts stellen zu können (Drucksache 16/9361).
Nun hat im Dezember 2009 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden, dass die Regelung zum Sorgerecht für unverheiratete Väter eine Benachteiligung dieser gegenüber Müttern und verheirateten Vätern darstellt. Das deutsche Recht verstoße damit gegen die Europäische Menschrechtskonvention.
Im Juli 2010 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sein Urteil aus dem Jahr 2003 revidiert. Es kommt zu dem Schluss, dass das verfassungsgeschützte Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes verletzt ist. Der Vater ist generell ohne Zustimmung der Mutter von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen., Er kann nicht gerichtlich überprüfen lassen, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen.
Auf der Grundlage dieser höchstrichterlichen Entscheidungen vertritt die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen folgende Position (Drucksache 17/3219):
Für uns gilt der Grundsatz, dass alle Kinder die gleichen Rechte haben. Auch soll das Familienrecht nicht unbegründet zwischen Kindern unterscheiden, deren Eltern verheiratet sind und denen, deren Eltern nicht verheiratet sind. Eltern haben ein genuines und von der Verfassung geschütztes Recht für ihre Kinder die Verantwortung zu tragen und verantwortungsbewusst Entscheidungen stellvertretend für und im Sinne ihrer Kinder zu treffen; sie stehen aber auch in dieser Verpflichtung.
Wenn es dem Kindeswohl nicht widerspricht, sollten Vater und Mutter gleichberechtigt behandelt werden. Kinder sollten ein Recht darauf haben, dass beide Eltern für sie die Verantwortung übernehmen, die sich auch im Sorgerecht ausdrückt.
Alle Väter, die sorgerechtliche Verantwortung für ihr Kind übernehmen wollen, sollen diese unter vergleichbaren Bedingungen erhalten können.
Ein Vater soll zukünftig jederzeit ab Anerkennung der Vaterschaft beim Jugendamt die gemeinsame Sorge beantragen können. Das Jugendamt erteilt sie, wenn die Mutter dem nicht widerspricht oder dem Jugendamt keine Kindeswohl gefährdende Aspekte bekannt sind. Die Mutter soll acht Wochen Zeit haben, dem Anliegen des Vaters zu widersprechen. (Dieser Zeitraum kann sich gegebenenfalls um den Mutterschutz verlängern.) Wenn die Mutter widerspricht, erhält der Vater die gemeinsame Sorge im "Jugendamtsverfahren" nicht. Er kann dann jedoch einen Antrag beim Familiengericht stellen. Dasselbe gilt, wenn das Jugendamt eine Kindeswohlgefährdung festgestellt hat.
Auch die Mutter soll umgekehrt die Möglichkeit bekommen, beim Jugendamt zu beantragen, dass der Vater mit ihr gemeinsam die elterliche Verantwortung wahrnimmt. Das Verfahren soll dann ähnlich gestaltet sein, jedoch muss der Vater innerhalb einer Frist von acht Wochen dem Antrag der Mutter zustimmen. Erfolgt diese Zustimmung nicht, wird das gemeinsame Sorgerecht vom Jugendamt nicht erteilt.
Unser Ziel ist es, Konflikte um die elterliche Verantwortung gar nicht erst entstehen zu lassen. Sollten sie jedoch entstehen, muss der gesetzliche Rahmen so gestaltet sein, dass Information, Beratung und gegebenenfalls Mediation deeskalierend wirken. Hier ist uns die Nähe zum Jugendamt, das über Beratungsangebote und Mediation informieren soll, als Unterstützung für Konflikte im Anfangsstadium besonders wichtig.
Mehr Informationen zum Thema finden Sie hier:
http://www.gruene-bundestag.de/cms/familie/rubrik/11/11294.familie.html
Freundliche Grüße, Ihre Katja Dörner