Frage an Katja Dörner von Christiane H. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Dörner,
dieser offene Brief des Bundes der Hebammen für Deutschland an Bundesgesundheitsminister Rösler (siehe unter: http://www.bfhd.de/pdf/Offener_Brief_an_Bundesgesundheitsminister_Roesler.pdf ) ist Auslöser meiner Frage an Sie:
Wie wollen Sie die Familenplanung vieler junger Paare in Deutschland langfristig sicherstellen, wenn die Existenzgrundlage der Hebammen durch die derzeitige Regierung beständig torpediert wird?
Leider sind die Grünen in der Opposition, aber es kann ja nicht sein, dass Petitionen zur Unterstützung des Berufsstandes der Hebammen durch Bürgerinnen und Bürger eingereicht werden, die alle kürzlich Eltern gewordenen Menschen in meinem Bekanntenkreis unterschrieben haben und dann einfach Honorare mit Ärzten vereinbart werden, die wieder einmal der Bestandssicherung der vermeintlich "besser qualifizierten", nämlich den Ärzten dient.
Es ist wünschenswert, dass Sie als Vertreterin einer jungen Generation, die auch zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Bundestag spricht, die Pläne der Regierung zu diesem Thema kritisch sieht und auch die Stellung von Hebammen in Deutschland stärken hilft.
Mit freundlichen Grüßen
C. Haenraets
Sehr geehrte Frau Haenraets,
als Mitzeichnerin der Petition „Heilhilfsberufe - Sofortmaßnahmen zur wohnortnahen Versorgung mit Hebammenhilfe“ habe ich die Anhörung im Petitionsausschuss und den Ausgang des Schiedsverfahrens zwischen Krankenkassen und Hebammen mit Spannung verfolgt.
Durch die Einigung im Schiedsverfahren am 5. Juli werden rückwirkend ab dem 1. Juli für jede außerklinische Geburt 100 Euro und für jede Krankenhausgeburt acht Euro zusätzlich gezahlt. Dies gleicht jedoch lediglich die gestiegenen Kosten der Berufshaftpflichtversicherung aus, die am 1. Juli erneut von 2370 Euro auf 3689 Euro angehoben wurden. Die Situation der Hebammen ist also weiterhin unsicher, zumal hier nur die Forderung der Hebammenverbände nach Sofortmaßnahmen erfüllt wurde. Weitergehende Forderungen bleiben unberücksichtigt, insbesondere die Aufnahme eines Sicherstellungsauftrages für Hebammenhilfe analog § 72 SGB V, eine Datenerhebung zum Bedarf an Hebammenhilfe und deren Deckung zu beschließen, eine gesetzliche und finanzielle Grundlage für die Hebammen zu schaffen, die Übernahme der Bereitschaftskosten durch die Krankenkassen, die Ursache für die gestiegenen Versicherungskosten zu analysieren und gegebenenfalls für mehr Wettbewerb auf dem Versicherungsmarkt zu sorgen oder eine unabhängige Versicherung ohne Gewinnabsicht zu etablieren.
Die grüne Bundestagsfraktion setzt sich bereits seit vielen Jahren für die Anliegen der Hebammen, u.a. für ein angemessene Honorierung ein. Aktuell ist unser vordringlichstes Ziel, die Verhandlungsposition der Hebammenverbände kurz- und längerfristig gegenüber den Krankenkassen zu stärken.
Die Vergütung der Hebammen wurden bis 2007 von der Bundesregierung auf dem Verordnungsweg festgesetzt. Seitdem erfolgt – wie bei allen anderen Gesundheitsberufen - die Festlegung der Vergütung durch Verhandlungen zwischen Krankenkassen und den Hebammenverbänden (§ 134a SGB V). Unter Rot-Grün hatte das damalige Bundesministerium für Gesundheit und Soziales vorgeschlagen, in drei Stufen (2004, 2005 und 2006) sowohl strukturelle Änderungen als auch eine Erhöhung der Honorare um insgesamt 18,9 Prozent umzusetzen. 2004 trat die erste der geplante Stufen mit wenigen strukturellen Änderungen sowie einer Erhöhung der Hebammenhonorare um 6,5 Prozent in Kraft. Die große Koalition weigerte sich, zwischen 2005 und 2007 die weiteren ursprünglich geplanten Erhöhungen zu beschließen
Unser Antrag „Erhebung von Daten zu der Versorgung mit Hebammenhilfe sowie zur Arbeits- und Einkommenssituation von Hebammen und Entbindungspflegern sicherstellen“, den ich zu Ihrer Kenntnis meinem Schreiben beilege, zielt darauf ab, langfristig die Verhandlungsposition der Hebammen zu stärken. Damit soll eine unabhängige Grundlage geschaffen werden, damit der nach § 134 a SGB V zu berücksichtigende „Bedarf der Versicherten an Hebammenhilfe und deren Qualität“ sowie die „berechtigten wirtschaftlichen Interessen der freiberuflichen Hebammen“ angemessen in den Verhandlungen Berücksichtigung finden. Denn bis heute fehlen für Deutschland umfassende und valide Daten zur Arbeits- und Einkommenssituation von Hebammen. Ebenso wenig sind Informationen über den Versorgungsbedarf und die tatsächliche Versorgung von Frauen vor, während und nach der Geburt verfügbar. Dieser Missstand muss behoben werden.
Wichtig erscheint uns, die in der Reichsversicherungsordnung enthaltenen Regelungen zur Hebammenhilfe endlich in das für die gesetzliche Krankenversicherung zuständige SGB V zu überführen. Bisher standen wir Grünen mit dieser Forderung leider alleine da (siehe Auswertung der Bundestagswahlprüfsteine des Deutschen Hebammenverbands). Wir hoffen, dass die aktuelle Debatte dazu führt, dass wir für dieses Anliegen endlich Unterstützung in möglichst vielen anderen Fraktionen finden.
Als familienpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion möchte ich hier auch auf die Situation der Familienhebammen verweisen, die ein erwiesenermaßen wirksames Mittel zur frühzeitigen Unterstützung und Prävention in jungen Familien sind. Als Grüne haben wir uns auf kommunaler Ebene für die Einführung von Familienhebammen auf Projektebene eingesetzt. Die erfolgreichen Projekte müssen nun in die Fläche übertragen werden. Wir wollen beispielsweise, dass erfolgreiche Konzepte wie Elternbriefe, „Geburtsbegrüßungsprogramme“, Stadtteilmütter oder spezielle Hilfsangebote wie z.B. für Eltern von Schreikindern flächendeckend ausgebaut werden und deutlich mehr Unterstützung bekommen. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass wir dieses Angebot für alle Familien zugänglich halten sollten, in einer ersten Phase gab es jedoch mit Blick auf die frühen Hilfen eine Konzentration auf soziale Brennpunkte und Risikofamilien. Da es für diesen Bereich keine bundeseinheitliche Konzeption und Struktur gibt, wäre der Aufbau einer Zentralstelle für Familienhebammen ein erster wichtiger Schritt. Dabei müssen jedoch Erfahrungen aus den unterschiedlichsten Modellen der Familienhebammen, die es in Deutschland gibt berücksichtigt werden. Ein Qualitätsrahmen für die Weiterbildung wäre zu vereinbaren, der jedoch verschiedenen Professionen offen stehen muss. Solche Arbeit braucht aber auch dauerhafte Finanzierung, sie ist dann nicht wirksam, wenn sie nur projekthaft und immer wieder unterbrochen stattfindet. Auch mit Blick auf den letzten Kinder- und Jugendbericht ist es angezeigt, die Schnittstellenproblematik zwischen SGB V, SGB VIII und SGB IX strukturell zu lösen. Akteure wie Hebammen, Haus- und Kinderärztinnen und -ärzten, Krankenkassen, Krankenhäuser, soziale Dienste sowie Einrichtungen der Wohlfahrtspflege müssen besser vernetzt werden. Im Übrigen müssen auch die interkulturellen Kompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der sozialen und Gesundheitsdienste gestärkt werden, um besser auf Kinder und Familien mit Migrationshintergrund eingehen zu können. Auch in unserem Parteitagsbeschluss vom November 2008 „Frühe Hilfen für Eltern ausbauen – Kindervernachlässigung vorbeugen“ sind die Familienhebammen ein zentraler Baustein: „Das positiv evaluierte Konzept der Familienhebammen muss flächendeckend gefördert und eine Ausweitung der Hebammenleistungen über die regulären acht Wochen hinaus im Einzelfall möglich sein.“
Mit freundlichen Grüßen
Katja Dörner