Frage an Katherina Reiche von Andreas T. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Frau Reiche, wie hoch ist das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt? Was ist da in den letzten Jahren schief gelaufen, und was will die Union da ändern?
Sehr geehrter Herr Tümmler,
Rot-Grün hinterlässt eine geplünderte Staatskasse.Im Bundeshaushalt klafft ein strukturelles Defizit von ca. 60 Mrd. Euro. Kaum eine Reform, die nicht falsch berechnet und bei denen nicht im Nachhinein massive Zusatzzahlungen geleistet werden mussten. Ein aktuelles Bei-spiel: Die Bundesregierung muss trotz des deutlich aufgestockten Etats mit weiteren Mehrausgaben für das Arbeitslosengeld II rechnen. In diesem Jahr wurden die Ausgaben bereits um 8 Mrd. Euro auf fast 23 Mrd. Euro erhöht. Trotzdem reicht diese Summe nur bis November. Auch dadurch gibt es derzeit null Spielraum für notwendige oder wünschenswerte Investitionen. In diesem Jahr reichen die gesamten Steuereinnahmen erstmals nicht mehr aus, um die laufenden Ausgaben für Zinsen, Soziales und Personal zu decken. Eine solide Haushaltspolitik ist Zukunftspolitik, weil wir wieder Spielräume für Zukunftsinvestitionen erarbeiten.
Eine solide Haushaltsführung, d. h. eine deutliche Begrenzung der Ausgaben, ist unerlässliche Voraus-setzung für solide Staatsfinanzen. Aber richtig ist ebenso, dass wir zuvorderst wieder das wirtschaftliche Wachstum in Gang bringen und mehr Beschäftigung schaffen müssen. Nur über den Dreiklang von Sparen, Reformen für Wachstum und Umschichtungen hin zu Investitionen ist eine Gesundung der Staatsfinanzen möglich.
Die Union würde sich das Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes nicht setzen, hielte sie es nicht für erreichbar. Aber wir können keine sehr schnelle Sanierung versprechen. Unsere Haushaltspolitik ist ambitioniert und realistisch zugleich. Wir haben uns vorgenommen, den Ausgleich des Haushalts in zwei Legislaturperioden zu schaffen. Das wird schon erhebliche Anstrengungen kosten. Aber mehr Zeit kann sich Deutschland einfach nicht leisten, wenn es sich die Chance erhalten will, aus der Schuldenfalle herauszukommen.
Die soziale Balance ist auch beim Sparen für uns eine zentrale Leitlinie. Deswegen müssen alle zum Sparerfolg beitragen, keiner kann ausgenommen werden. Wir beginnen bei der Versorgung der Minister und Parlamentarischen Staatssekretäre. Wir streichen Steuersparmodelle, von denen diejenigen profi-tieren, die genügend Einkommen haben, um Geld in solchen Produkten anzulegen. Wir bauen Ausnahmetatbestände im Steuerrecht ab, die von verschiedensten Gruppen genutzt werden. In den beiden zentralen Bereichen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes allerdings sind wir der Meinung, dass mehr getan werden muss: erstens bei Familien, Kindern und Bildung und zweitens bei Forschung, Innovation und Zukunftstechnologien.
Wir haben für jede Reformmaßnahme auch eine Gegenfinanzierung konzipiert. Wir verzichten auf eine Finanzierung mit Hilfe von Hoffnungswerten. Wir verzichten auf Maßnahmen, die wir uns wünschen würden, von denen wir aber ehrlicherweise wissen, dass wir sie nicht werden finanzieren können. Wir bekennen uns sogar offen dazu, für die schnelle Senkung der Lohnzusatzkosten angesichts der riesi-gen Schuldenberge eine maßvolle Erhöhung der Mehrwertsteuer in Kauf nehmen zu müssen. Die Union kann mit Recht von sich behaupten, dass sie als einzige politische Kraft den Bürgern ein ehrliches und solides Finanzkonzept zur Entscheidung vorlegt.
Mit freundlichen Grüßen
Katherina Reiche