Frage an Katherina Reiche von Manuela R. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Abgeordnete,
als Mutter von zwei Kindern wende ich mich an Sie. Das aktuelle Verbrechen von Leipzig zeigt erneut, wie fahrlässig unser Staat mit Sexualstraftätern umgeht!
Wie viele Kinder sollen noch Opfer solcher Bestien werden, bevor die Polizei, die Staatsanwaltschaften, die Gerichte endlich konsequnet handeln?
Was wollen Sie unternehmen?
Mit freundlichen Grüßen aus Ludwigsfelde
Manuela Richter
Sehr geehrte Frau Richter,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage.
Wenn Eltern überfordert sind und bei der Fürsorge für ihre Kinder so drastisch versagen, dann ist der Staat gefordert, das Kindeswohl mit allen Mitteln zu schützen, die ihm zur Verfügung stehen.
„Mit allen Mitteln“ darf aber nicht die Erwartung wecken, dass ein absoluter Schutz des Kindeswohls durch den Staat garantiert werden kann.
Wir wissen alle, dass der Staat keinen hundertprozentigen Schutz gegen fahrlässig oder absichtlich verursachte körperliche oder psychische Schäden gewährleisten kann.
„Mit allen Mitteln“ heißt für mich vor allem, dass der Staat, dass unsere Schutz- und Sicherungssysteme in der Lage sein müssen, Gefährdungen und Verletzungen des Kindeswohls so frühzeitig wie nur irgend möglich zu erkennen, und notwendige Hilfen rechtzeitig zur Verfügung zu stellen.
Das ist zwar zum großen Teil landespolitische bzw. kommunalpolitische Aufgabe. Aber auch wir als Bundespolitiker müssen genauso wie Mediziner, Erzieher, und die gesetzlichen Krankenkassen mit einbezogen werden. Bei der Gewährleistung des Kindeswohls sind wir alle gemeinsam gefordert!
Die Koalition hat im Koalitionsvertrag den Schutzauftrag und das Wächteramt des Staates hervorgehoben. Sie hat sich darauf verständigt, soziale Frühwarnsysteme zu entwickeln und Jugendhilfe und gesundheitliche Vorsorge besser zu verzahnen. Das ist die Aufgabe, die es umzusetzen gilt. Erste Schritte werden bereits von der Bundesregierung mit dem Programm „Frühe Hilfen für Kinder und soziale Frühwarnsysteme“ eingeleitet.
Auch die Bundesländer haben diese Aufgabe erkannt und deshalb einstimmig – ich betone: einstimmig – einen Antrag an die Bundesregierung gerichtet, der das Ziel verfolgt, das Kindeswohl in unserem Land künftig noch besser zu schützen.
Wir sind – ebenso wie der Bundesrat – der Ansicht, dass eine höhere Verbindlichkeit von Früherkennungsuntersuchungen dazu einen wichtigen Beitrag leisten kann.
Staat und Gesellschaft müssen noch genauer darauf achten, in welchen Verhältnissen Kinder aufwachsen. Sie müssen dabei vor allem solche Kinder in den Blick nehmen, die unter ungünstigen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen groß werden.
Es kann überhaupt keine Zweifel geben: Die meisten Eltern sind sehr wohl in der Lage, ihre Kinder angemessen zu versorgen, zu betreuen und ihnen eine liebevolle Zuwendung zu geben. Aber dort, wo dies nicht geschieht, weil Eltern aus unterschiedlichen Gründen dazu nicht in der Lage sind, muss der Staat frühzeitig auf die Eltern zugehen und ihnen Hilfe anbieten.
Voraussetzung dazu ist jedoch, dass der Staat Gefährdungen und Verletzungen des Kindeswohls erkennen und angemessene Maßnahmen einleiten kann, bevor es zu spät ist.
Wie notwendig aber auch weitergehende Schritte sind, zeigt die besondere Tragik des Falls „Kevin“: Mediziner und Jugendamt waren offenbar über die Situation informiert –– zum richtigen Handeln hat es aber nicht gereicht. Um dieses zu gewährleisten, müssen wir uns auch um den Austausch von Daten zwischen den beteiligten Stellen kümmern.
Denn was nützt es, wenn der Arzt einen Verdacht hat, das Jugendamt aber nie davon erfährt? Oder die Krankenkasse sieht, dass ein Kind noch nie zur Untersuchung erschienen ist, das Gesundheitsamt aber davon nichts weiß?
Meine Damen und Herren von Bündnis’90 und den Grünen, ihr Antrag beinhaltet viele gute Anregungen und Forderungen. Wir denken aber, dass wir zum Schutz der Kinder in einigen Punkten noch deutlich weiter gehen müssen.
Der Familienausschuss wird sich deshalb intensiv mit der Problematik befassen. Der Schutz von Kindern liegt uns allen am Herzen.
Mit freundlichen Grüßen
Katherina Reiche