Frage an Katherina Reiche von Wolf T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Verehrte Frau Reiche, ich habe drei Fragen:
Ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages, der Geld annimmt, um einen Änderungsantrag für ein Gesetz einzureichen, bleibt straffrei – warum dürfen meine Abgeordneten legal geschmiert werden? Warum werden die Nebentätigkeiten von Politikern nicht öffentlich gemacht, wenn schon die Einkünfte geheim bleiben sollen? Hat der Wähler keinen Anspruch darauf, zu erfahren, für welche Organisationen oder Firmen oder Verbände sie gegen Honorar tätig sind?
Ich wäre dankbar, wenn Sie mich nicht mit Bausteinen aus dem Schatzkästlein von Herrn Kauder bedienen würden. In neun Jahren hatte die Regierung genügend Zeit, die UN-Resolution nationalen Gesetzen anzupassen, anstatt auf den unzulänglichen § 108e zu verweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolf Thieme
Sehr geehrter Herr Thieme,
ihre Auffassung zu den Nebeneinkünften von Abgeordneten habe ich gelesen.
Lassen Sie mich dazu folgendes nach den Vorgaben des Deutschen Bundestages ausführen:
Die Rechte und Pflichten der Abgeordneten sind im Abgeordnetengesetz und in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages aufgeführt. Weiterhin gibt es die Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages, die Teil der Geschäftsordnung sind.
Die Verhaltensregeln enthalten genaue Anzeigepflichten für Tätigkeiten und Funktionen, die neben dem Mandat ausgeübt werden. Diese Offenlegungspflichten (Transparenzregelungen) sollen es den Wählern ermöglichen, sich selbst ein Bild über mögliche Interessenverknüpfungen und die Unabhängigkeit der Wahrnehmung des Mandats zu machen, und zwar bei jeder oder jedem einzelnen Abgeordneten.
Die Verhaltensregeln wurden 1972 erstmals beschlossen und verpflichten die Parlamentarier, dem Bundestagspräsidenten ihre zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit, entgeltliche Tätigkeiten neben dem Mandat und Funktionen in Unternehmen sowie in Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts anzuzeigen. Auch Funktionen in Vereinen, Verbänden und Stiftungen sind anzeigepflichtig, genauso wie Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften und Vereinbarungen über künftige Tätigkeiten oder Vermögensvorteile. Bei vielen anzeigepflichtigen Tätigkeiten handelt es sich um ehrenamtliche Funktionen. Für Spenden an Abgeordnete gelten ebenfalls bestimmte Anzeigepflichten.
Die Einkünfte müssen für jede einzelne Tätigkeit angezeigt werden, sofern sie mehr als 1.000 Euro im Monat bzw. 10.000 Euro im Jahr betragen. Die Angaben werden in Form von Stufenangaben veröffentlicht. Stufe 1 erfasst einmalige oder regelmäßige monatliche Einkünfte von 1.000 bis 3.500 Euro, Stufe 2 Einkünfte bis 7.000 Euro und Stufe 3 Einkünfte über 7.000 Euro.
Die veröffentlichungspflichtigen Angaben der Abgeordneten werden von der Verwaltung des Deutschen Bundestages im Internet jeweils mit den Abgeordneten-Biografien veröffentlicht und laufend aktualisiert. Daneben werden die Angaben im Amtlichen Handbuch des Deutschen Bundestages (Teil II) publiziert.
Verstöße gegen die Anzeigepflichten können durch ein Ordnungsgeld geahndet werden, das je nach Schwere des Einzelfalles und nach dem Grad des Verschuldens bis zur Hälfte der jährlichen Abgeordnetenentschädigung betragen kann. Die Einzelheiten des Verfahrens bei Verstößen gegen die Verhaltensregeln sind in den Verhaltensregeln festgelegt.
Das Abgeordnetengesetz und die Verhaltensregeln enthalten außerdem Verbotstatbestände wie zum Beispiel die Unzulässigkeit bestimmter Zuwendungen und Spenden.
Die Verfassungsmäßigkeit der Verhaltensregeln wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Entscheidung vom 4. Juli 2007 bestätigt.
Mit freundlichen Grüßen
Katherina Reiche