Frage an Katherina Reiche von Mario M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Reiche,
1. Sie erhielten bereits eine "Finanz-Frage", aber die Antwort ist für mich noch nicht hinreichend klar: Sie haben die Schuldengrenze beschlossen, die künftig die öffentliche Haushalte unter Konsolidierungszwang setzt. Wie gedenken Sie, diese Konsolidierung umzusetzen: Wo soll/kann Ihrer Meinung konkret gespart werden, welche Einnahmen könnten Ihrer Meinung nach erhöht werden? Was wäre im Gegenzug tabu?
2. Grundsätzlich, vielleicht können Sie es kurz an 2 Beispielen machen: Was verstehen Sie unter gesellschaftlichem Fortschritt und welches sind die für Sie drängendsten Schritte, die schnellstmöglich dafür umgesetzt werden sollten?
Vielen Dank
Mario Meissner
Sehr geehrter Herr Meissner,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen vom 23.08.2009.
die unionsgeführte Bundesregierung hat für diese Legislaturperiode zum letzten Mal einen Haushaltsentwurf und einen Finanzplan vorgelegt, in der die finanzpolitischen Vorstellungen der Union für die nächsten Jahre ersichtlich werden. Insgesamt spiegelt sich im Entwurf die aktuelle konjunkturell schwierige Lage wider. Die automatischen Stabilisatoren wirken und tragen letztlich zu erheblichen Erhöhungen der Nettokreditaufnahme (NKA) bei. Die von uns auf den Weg gebrachten Maßnahmen zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität greifen. In diesem Umfeld steht die künftige Haushalts- und Finanzpolitik vor großen Herausforderungen. Ohne die Krise wäre gemäß unseren bisherigen Planungen mit einem ausgeglichenen Bundeshaushalt die Konsolidierung des Bundeshaushalts zeitnah erfolgreich umgesetzt gewesen. Erst diese erfolgreiche Konsolidierungspolitik der unionsgeführten Bundesregierung schafft nun die Grundlage, damit wir in dieser Krisenzeit die automatischen Stabilisatoren wirken lassen bzw. notwendige Maßnahmenpakete umsetzen können. Die NKA wird in 2010 mit 48,6 Mrd. € einen historischen Höchststand erreichen Im gesamten Finanzplanungszeitraum bis 2013 ist eine NKA von mehr als 300 Mrd. € geplant. Außerhalb des Bundeshaushalts sind zusätzlich zwei im Rahmen der Krisenbekämpfung eingerichtete Sondervermögen zu beachten (Investitions- und Tilgungsfonds – ITF und Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung – SoFFin), deren beachtliche Kreditermächtigung sich in Abhängigkeit von der zeitlichen Umsetzung der angestoßenen Investitionsmaßnahmen auf die Gesamtneuverschuldung des Bundes deutlich auswirken wird. Auch wenn diese enorme Kreditaufnahme kurzfristig nicht vermeidbar ist, kann sie dennoch nur vorübergehend akzeptiert werden. Aufgrund der hohen NKA im Vergleich zu den geplanten Investitionen haben wir eine strukturelle Unwucht. Daher ist eine konsequente Konsolidierung weiterhin notwendig. Wir müssen Handlungsfreiheit zurückgewinnen und nachfolgende Generationen nicht benachteiligen. Es bestehen große Herausforderungen in der Haushalts- und Finanzpolitik in den kommenden Jahren. Die von der Union erfolgreich in der Großen Koalition mit den Ländern umgesetzte Schuldenbremse greift bereits und wird dem Bund ab 2011 enge Grenzen setzen. Es zeigt sich, wie wichtig es war, eine verbesserte Schuldenbremse zu verankern. Jedoch müssen von 2011 bis 2013 insgesamt mindestens 34,5 Mrd. € allein im Zuge der einzuhaltenden Schuldenbremse geschultert werden. In der Konjunkturkrise müssen wir aktiv den Grundstock legen, um beim Auslaufen der Krise die Chancen ergreifen zu können und künfti-ges wirtschaftliches Wachstum zu begünstigen. Wirtschaftliches Wachstum wird ein Kernelement sein, das unsere erfolgreiche Haus-halts- und Finanzpolitik unterstützen wird. Deutschland hat dafür gute Startbedingungen, die wir durch unsere aktuellen Unterstützungsmaß-nahmen noch verbessern. Auch wenn Deutschland vorübergehend die Kriterien des Maastricht-Vertrags nicht erfüllen kann, stehen wir als Union zu unseren EU-Ver-pflichtungen. Daher ist die Unterschreitung der 3%- Grenze in den allernächsten Jahren ein zentrales Ziel, dass wir mit der Konsolidierung des Bundeshaushalts – verbunden mit einer angemessenen Haushaltspolitik der Länder und Kommunen – strikt im Blick behalten. Änderungen bzw. Aufweichungen der Maastricht-Kriterien lehnen wir daher ab.
Im Detail ergeben sich für die einzelnen Haushaltsbereiche: Trotz der Finanz- und Wirtschaftskrise erreichen die im Einzelplan des BMBF etatisierten Ausgaben mit rd. 10,3 Mrd. € erneut ein sehr hohes Niveau. Damit spiegelt der Haushalt 2010 zum wiederholten Male wider, dass die Bundesregierung einen wesentlichen politischen Schwerpunkt auf Bildung und Forschung setzt. In 2010 stehen zum Beispiel für den bisherigen Hochschulpakt rd. 510 Mio. € zur Verfügung. Für die Förderung der großen Forschungseinrichtungen werden rd. 3,8 Mrd. € etatisiert.
Im Bundeshaushalt 2010 sind für das BMI Ausgaben in Höhe von rd. 5,5 Mrd. € vorgesehen. Hiervon entfallen knapp 3,8 Mrd. € - also mehr als zwei Drittel – auf den Bereich der Inneren Sicherheit. Dadurch unterstreicht die Bundesregierung erneut, welche Bedeutung sie diesem Bereich zumisst. Im Vergleich zum geltenden Finanzplan wurde der Bereich der Inneren Sicherheit nochmals mit zusätzlichen Mitteln in Höhe von 45,3 Mio. € ausgestattet. Nach deutlichen Zuwächsen in den vergangenen Jahren liegt der Ansatz für den Verteidigungshaushalt im Haushaltsjahr 2010 mit 31,1 Mrd. € in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Dies bedeutet eine leichte Anhebung gegenüber dem bisherigen Finanzplanansatz. Wie in den Vorjahren kann die finanzielle Ausstattung der Bundeswehr durch Erlöse aus der Veräußerung von nicht mehr benötigtem beweglichen und unbeweglichen Vermögen bis zu einer Höhe von rd. 520 Mio. € verstärkt werden. Für das Finanzplanjahr 2011 liegt der Plafond des Einzelplans des BMVg bei rd. 31,0 Mrd. € und entspricht damit weitgehend dem bisherigen Finanzplanansatz. Jeweils rd. 31,1 Mrd. € sind als Plafonds für die Jahre 2012 und 20113 vorgesehen. Allein im Einzelplan des BMU sind Ausgaben für die Querschnittsaufgabe Umweltschutz i.H.v. mehr als 1,5 Mrd. € veranschlagt, eine Steigerung um rd. 0,2 Mrd. € Mio. € u.a. aufgrund der Übernahme der Zuständigkeit für die Schachtanlage Asse. Insgesamt stehen dem BMU für Umweltschutz, Naturschutz, erneuerbare Energien und internationale Organisationen rd. 0,9 Mrd. € zur Verfügung. Für die Förderung von Forschung und Entwicklung stehen dem BMWi im Zeitraum 2010 bis 2013 jährlich 2 ½ Mrd. € zur Verfügung. Dabei wirkt sich u.a. die unterzeichnete Vereinbarung zur Fortsetzung der drei großen Initiativen – Hochschulpakt 2020, Exzellenzinitiative und Pakt für Forschung und Innovation – auch auf den Einzelplan des BMWi aus. Die investiven Mittel erreichen im Haushaltsjahr 2010 eine Höhe von rd. 14,8 Mrd. € und machen damit mehr als die Hälfte der Gesamt-ausgaben des Einzelplans des BMVBS von rd. 26,3 Mrd. € aus. Die Bereiche Verkehr sowie Bau und Stadtentwicklung leisten – auch als Schwerpunktbereiche der Konjunkturpakete des Bundes – einen deutlichen wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Beitrag. Im Haushaltsjahr 2010 stehen im Bundeshaushalt für die klassischen Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße sowie den Kombinier-ten Verkehr Investitionsmittel in Höhe von rd. 10,8 Mrd. € zur Verfügung. Einschließlich der sonstigen Investitionen im Verkehrsbereich ergibt sich ein Investitionsvolumen von rd. 12,6 Mrd. €. Mit rd. 80,7 Mrd. € machen die Leistungen des Bundes an die Rentenversicherung wie bereits in den vergangenen Jahren den größten Ausgabenblock im Bundeshaushalt aus. Lag der Anteil an den Bundesausgaben im Jahr 1984 noch bei rd. 13 %, so beträgt er im Regierungsentwurf 2010 fast ein Viertel. Zur pauschalen Abgeltung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben erhält die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) im Jahr 2010 einen Bun-deszuschuss in Höhe von insgesamt 11,8 Mrd. €. Der ursprünglich für 2010 vorgesehene Betrag von 5,5 Mrd. € ist durch das Konjunkturpaket II um 6,3 Mrd. € aufgestockt worden. Im Gegenzug wird ab dem 1. Juli 2009 der Beitragssatz zur Gesetzlichen Krankenversicherung von 15,5 % auf 14,9 % und damit die Lohnnebenkosten gesenkt. Gemessen am letztjährigen Finanzplan führen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise beim BMAS allein in 2010 nun zu um über 90 Mrd. € höheren Ansätzen. Gegenüber dem Vorjahr steigen die Ausgaben des BMAS in 2010 um 19,7 %. Etwa zwei Drittel dieses Anstiegs – 20 Mrd. € - entfallen auf die Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit (BA). Der Haushalt der BA wird insbesondere durch die konjunkturbe-dingt höhere Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit sowie durch geringere Beitragseinnahmen belastet. Ein Ausgabenanstieg von rd. 10 Mrd. € entfällt im Jahr 2010 weit überwiegend auf die Grundsicherung für Arbeitssuchende („Hartz IV“), insbesondere auf das Arbeitslosengeld II (+ 7 Mrd. €) und auf die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit (+ 1 Mrd. €). Im Einzelplan des BMFSFJ sind für die Familienpolitik für das Jahr 2010 insgesamt rd. 6,5 Mrd. € vorgesehen. Dies ist eine Steigerung um knapp 0,1 Mrd. € gegenüber dem Bundeshaushalt 2009 und rd. 0,3 Mrd. € gegenüber dem bisherigen Finanzplan. Die Zunahme liegt im Wesentlichen im Bereich der gesetzlich festgelegten Familienleis-tungen, die gegenüber dem Finanzplan in 2010 um rd. 0,3 Mrd. € (rund + 5,8 %) steigen. Deutlich niedrigere Steuereinnahmen im Haushaltsentwurf und im Finanzplan müssen geschultert werden. Neben einigen Steuerrechts-änderungen – u.a. steuerliche Entlastungen im Zuge der Maßnahmenpakete zur Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung; Investitionszulagengesetz 2010 und Bürgerentlastungsgesetz – schlägt sich darin das Ergebnis der letzten Steuerschätzung nieder.
Auch in Krisenzeiten kann man erfolgreiche Politik betreiben. Darüber hinaus muss man besonders aktiv Grundlagen schaffen, um Chancen zu ergreifen, wenn sich die Konjunktur vorsichtig wieder beleben sollte, um darauf von Beginn an aufbauen zu können. Um diese Unionspolitik weiter-zuführen, benötigen wir aber auch in Zukunft eine tragfähige Haushalts- und Finanzpolitik. Insoweit werden wir die Herkulesaufgabe stemmen müssen und an unsere bisherige erfolgreiche Konsolidierungspolitik nach dem Ende der Konjunkturkrise wieder anknüpfen.
Mit freundlichen Grüßen
Katherina Reiche