Sehr geehrte Frau Schulze, Wie ist Ihre Meinung zu Bürgerbegehren? Sollte sich an den Rahmenbedingungen etwas verändern?
Vor allem wenn ein Ratsbegehren gegen ein Bürgerbegehren gestellt wird, wird das Bürgerbegehren oft ad absurdum geführt.
Es stehen sich keine gleichberechtigten Parteien gegenüber.
Was bei der Finanzierung der notwendigen Rechtsmittel, um sich behaupten zu können, beginnt, Auskunft und Hilfe für eine rechtswirksame Formulierungen des Bürgerbegehrens auszuarbeiten, Eilklagen vor dem Verfassungsgericht stellen zu können, können Privatpersonen, welche meist Initiatoren von Bürgerbegehren darstellen, schnell in den Ruin treiben. Zahlungen bis zu 15 000 Euro sind dann notwendig.
Falls das Bürgerbegehren alle Hürden erreicht hat, wie Unterschriftensammlung, Zulässigkeit, Quorum bei der Abstimmung und sogar gewinnt, dann wird oft einfach die Bindefrist von einem Jahr abgewartet und die Planung seitens der Kommunalpolitik weitergeführt, als hätte es kein Bürgerbegehren gegeben.
Helfen Sie mit damit ein Bürgerbegehren nicht nur ein Feigenblatt der Demokratie darstellen.
Viele Grüße
Eva G.
Sehr geehrte Frau G.,
danke für Ihre Frage. Dass es auf der kommunalen Ebene Bürgerentscheide in Bayern überhaupt gibt, ist ein guter aber auch hart erkämpfter Erfolg, der zurück geht auf das auch von uns GRÜNEN unterstützten Volksbegehren "Mehr Demokratie in Bayern: Bürgerentscheide in Gemeinden und Kreisen". 1995 haben sich die Bayer*innen in einer Volksabstimmung für den Vorschlag des genannten Volksbegehrens entschieden. Seit dem Ende der Weimarer Republik gab es keine kommunalen Bürgerentscheide in Bayern. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass sich das ändert. Wir GRÜNE sind aber auch dafür, die Regeln für die Bürgerentscheide punktuell zu verbessern, um die Rechte der Bürger*innen noch mehr zu stärken.
Wir hatten als GRÜNE Fraktion dazu in der Vergangenheit schon eine Reihe von Vorschlägen gemacht. So fordern wir schon seit längerer Zeit (vgl. u.a. Drs. 16/3935)
- Senkung des Zustimmungsquorum in Städten bis zu 100.000 Einwohner*innen,
- Abstimmungsbenachrichtigung ist in einer angemessenen Frist vor dem Termin des Bürgerentscheids zu verschicken,
- Die Bindungswirkung des Bürgerentscheids ist zu verlängern.
Zu dem letztgenannten, auch von Ihnen angesprochenen Punkt der Bindungswirkung: Aus GRÜNER Sicht wäre es wünschenswert, die Bindungsfrist zu verlängern, zumindest um ein Jahr. Im ursprünglichen "Volksgesetz", das dann ja vom Bay. Verfassungsgerichtshof "korrigiert" wurde, war eine dreijährige Bindungsfrist vorgehen. Das wäre aus GRÜNER Sicht gut gewesen. Aber hier hat nicht die Politik entschieden, sondern wie gesagt der Bayer. Verfassungsgerichtshof. In seinem Urteil vom 29.8.1997 hat der BayVerfGH entschieden, dass die "extrem lange, durch keinerlei sachliche Ausnahmen gelockerte" ursprünglich im "Volksgesetz" verankerte dreijährige Bindung an einen Bürgerentscheid verfassungswidrig sei (s. hier).
Zu dem von Ihnen angesprochenen Punkt mit den Ratsbegehren. Auch wir sehen, dass es hier und da Probleme der "Waffengleichheit" gegenüber den Bürgerbegehren gibt. Auch hier gibt es allerdings einen juristischen Hintergrund. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass die Gemeinde zwar an das Sachlichkeitsgebot, nicht aber an den Paritätsgrundsatz des Art. 18a Abs. 15 GO gebunden ist (siehe z.B. Bayerischer VGH, Beschluss vom 25.09.2009 - 4 CE 09.2403). Die Folge ist, dass eine Gemeinde für ihr Ratsbegehren ebenso wie ein*e private*r Initiator*in werben darf. Nur, dass die Gemeinde natürlich mehr Mittel dafür zur Verfügung hat. Aus unserer Sicht ist es schon wünschenswert, dass es hier nicht zu Verzerrungen im politischen Wettbewerb kommt.
Daneben wollen wir GRÜNE auch, dass junge Menschen bei Bürgerentscheiden mitmachen können. Wir wollen, dass man sich bereits mit 16 Jahren an Bürgerentscheiden auf kommunaler Ebene beteiligen kann (Gesetz Drs. 18/22206).
Herzliche Grüße
Katharina Schulze