Frage an Katharina Schulze von Helmut S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
BDS-Beschluß des Müncher Stadtrats
Sehr geehrte Frau Schulze,
der Stadtrat von München hat einen Beschluss gefasst, der für städtische Einrichtungen gelten soll. Die Mehrheit der Grünen im Münchner Stadtrat hat dem zugestimmt, obwohl der Fraktionsvorsitzende Florian Roth wie auch der Pressesprecher im Vorfeld der Stadtratsentscheidung vor einer Beschädigung der politischen Kultur Münchens warnten und obwohl ein eher kosmetischer als substantieller Änderungsantrag der Grünen von der SPD-CSU-Mehrheit abgelehnt wurde.
Der Münchner Kulturreferent Küppers begründete auf der Basis dieses Beschluss das Verbot einer Veranstaltung, die nichts mit BDS zu tun hatte (es ging um den Film "Broken", in dem die Mauer zwischen Israel und Palästina thematisiert wird) wie folgt:
„dass bei lebensnaher Betrachtung die Diskussionsveranstaltung nicht ohne eine Befassung mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne auskommt, da insbesondere ein zentrales Ziel der BDS-Kampagne der Abriss der Mauer – verbunden mit der Aufforderung, die Besetzung und Kolonisation allen arabischen Landes zu beenden – ist“.
Das Verbot wurde in diesem Fall vom Münchner Verwaltungsgericht aufgehoben. Eine andere Veranstaltung zu diesem Stadtratsbeschluss unter dem Thema "Wie schränkt München die Meinungsfreiheit ein" hat die Stadt ebenfalls verboten und in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht obsiegt.
Im Ergebnis bedeutet dies zweierlei: In den von der Stadt München betriebenen oder geförderten Einrichtungen sind Diskussionen zu Nahost verboten. Außerdem ist verboten über den Stadtratsbeschluss selbst zu diskutieren. So jedenfalls interpretiert die Stadt München ihren eigenen Beschluss.
Ich möchte Sie folgendes fragen:
1. Halten Sie diesen Beschluss für richtig? Wenn nein: Was kritisieren Sie daran?
2. Wie schätzen Sie diesen Beschluss im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit grünen und verfassungsrechtlichen Grundsätzen ein?
MfG
H. S.
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Frage und dass Sie sich mit Diskussionskultur in München beschäftigen! Gerne nehme ich zu Ihrem Anliegen Stellung:
1. Ja, ich halte diesen Beschluss für richtig: In jüngster Zeit kam es in der BRD und in Bayern zu Veranstaltungen der Kampagne „Boycott, Divestments, Sanctions“ (BDS). Die BDS-Kampagne ist in ihrer Gesamtheit als antisemitisch, israelfeindlich, reaktionär und antiaufklärerisch zu bewerten. Die in ihr und durch sie vertretenen Positionen und Forderungen delegitimieren und dämonisieren Israel und weisen damit einseitig Jüdinnen und Juden die Schuld für jegliche Übel in der Region zu. Und das obwohl Israel dort die einzige rechtsstaatliche Demokratie ist. Zeitgleich werden doppelte Standards an Israel angelegt, wenn zum Beispiel Verbrechen der Hamas ignoriert oder verharmlost werden. Durch die Forderung nach einem Boykott wird weiter die aus dem Nationalsozialismus bekannte Parole „Kauft nicht bei Juden“ reproduziert.
Deshalb positionieren sich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bayern im Sinne ihres Bekenntnisses zu einer offenen Gesellschaft und gegen jeden Antisemitismus klar gegen alle Bestrebungen der BDS-Kampagne und führen in Zukunft, nach ihren Möglichkeiten, Aufklärungs- und Bildungsarbeit durch, um die Durchsetzung der Forderungen nach Boykott, Desinvestment und Sanktionen zu verhindern.
2. Das Bundesverfassungsgericht stellte Anfang 2017 explizit fest, dass antisemitische Konzepte gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verstoßen (BVerfG, Urteil vom 17.01.2017, Aktenzeichen 2 BvB 1/13, Rn. 541). Das gilt auch für Veranstaltungen im Kontext der BDS-Kampagne. Die BDS-Kampagne ist, wie oben dargelegt, antisemitisch und verstößt damit gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung. Folglich darf die Landeshauptstadt München nach Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 3 und 28 Abs. 1 GG sowie Art. 56 Abs. 1 GO keine antisemitischen Veranstaltungen aller Art mit Leistungen wie Raumvergaben oder Zuschüssen unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Katharina Schulze