Frage an Katharina Schulze von Andreas L. bezüglich Recht
Sehr geehrter Frau Schulze,
als Mitinitiator der Gruppe www.brothers4sisters.de weiß ich natürlich, dass ihr auf Bundesebene eine sehr liberale Haltung zur sexuellen Ausbeutung in der Prostitution einnehmt. Meine favorisierte Partei, die ÖDP fordert im Gegensatz dazu auf Bundesebene seit 2013 ein Sexkaufverbot, bei welchem nicht die sich anbietenden Frauen/Männer bestraft werden, sondern die nachfragenden Kunden.
Mir ist bekannt, dass auch Grünen-PolitikerInnen sich kritisch mit dem System Prostitution auseinandersetzen und z.B. Claudia Eser-Schuberth zum Schutz der betroffenen Frauen in ihrem Stadtrat einen Antrag für eine Sperrbezirksverordnung eingebracht hat.
In Bayern galt Dank CSU seit vielen Jahren eine Kondompflicht, welche mit sog. "Scheinfreiern" aber nur einseitig bei anbietenden Frauen kontrolliert wurde. Mit dem Prostituiertenschutzgesetz sind jetzt die Käufer verpflichtet Sorge zu tragen, Kondome zu nutzen, und könnten mit einem Bussgeld von bis zu 50.000 Euro bestraft werden.
Tatsächlich verlangen allerdings nach wie vor viele Freier nach Sex ohne Kondom und nutzen die Not und Ohnmacht der Frauen aus.
Für mich ist es die wichtigste Aufgabe für Gesundheitsämter, Polizei und Justiz, der größten Risikogruppe für Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) in die Lage zu versetzen "Ermächtigungserfahrungen" zu sammeln.
>>"Die Studie von Zumbeck von 2001, in der man hauptsächlich deutsche Frauen interviewt hat, hat ergeben, dass 60% der Frauen eine voll ausgeprägte PTBS hatten."<<
Das ist das dreifache wie bei Kriegsopfern mit 20% und mehr als bei Vergewaltigungsopfern mit 50%.
Verfolgen Sie Ansätze, wie den gefährdeten Frauen geholfen werden kann, keine PTBS auszuprägen, und wenn bereits geschehen, diese zu behandeln?
Mit freundlichen Grüßen,
Andreas Landgraf
Sehr geehrter Herr Landgraf,
vielen Dank für Ihre Frage und vor allem vielen Dank für Ihr Engagement in der Gruppe Brothers4sisters zum Schutz von Opfern der Prostitution! Ihre Beschreibung der Haltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundesebene zur Prostitution ist etwas verkürzt. Unsere Bundestagsfraktion hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass die verlogene Doppelmoral des Patriarchats des vorigen Jahrhunderts nicht mehr Rechtslage ist. Damals war bekanntlich die Prostitution irgendwie verboten und sittenwidrig, fand aber offen und flächendeckend statt. Das führte dazu, dass die Prostituierten schutzlos waren und dass die „Freier“ von den gesetzlichen Regeln zusätzlich gestärkt wurden.
Dieser Skandal ist endlich überwunden und es kann nicht mehr kriminalisiert werden, Prostituierte zu unterstützen und sie haben die Möglichkeit des Zugangs zur Sozialversicherung. Dies war damals immerhin ein Fortschritt. Sie haben selbstverständlich völlig Recht, dass dies nicht ausreicht und dass die gegenwärtige Situation unbedingt deutlich verändert werden muss.
Wir als bayerischer Landesverband von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben darum in unserem Wahlprogramm zur Landtagswahl 2018 folgende Forderungen: „Wir werden die in weiten Teilen menschenverachtenden Umstände von Prostitution nicht länger tolerieren. Wir verbessern die rechtliche und medizinische Situation der Prostituierten und bauen Hilfsangebote in ganz Bayern aus. Der Zwangsprostitution sowie dem damit einhergehenden Menschenhandel wollen wir mit wirksamen Maßnahmen auf Landesebene entgegenwirken."
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bayerischen Landtag hat bereits im Februar 2015 einen umfassenden Antrag mit mehreren Forderungen zur Bekämpfung der Zwangsprostitution eingebracht. Sie finden diesen Antrag unter der Drucksache 17/5207 auf der Website des Bayerischen Landtags. Dieser Landtagsantrag bezieht sich vor allem auf die Bekämpfung der Zwangsprostitution, da viele weitere Maßnahmen, die notwendig wären, um den Opfern der Prostitution zu helfen, in der Bundeskompetenz liegen.
Ich wünsche Ihnen für Ihr weiteres Engagement für die Opfer der Prostitution viel Erfolg und versichere Ihnen, dass auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bayern sich weiterhin hier engagieren werden!
Mit freundlichen Grüßen
Katharina Schulze