Frage an Katharina Schulze von Alexander F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Schulze,
im Abgasstreit weigern sich die bayerischen Behörden, ein Urteil des Verwaltungsgerichts umzusetzen. Joachim Wieland, Professor für Verwaltungswissenschaften, sieht in einem Interview mit der Zeit vom 28.08.2018 den Gesetzgeber in der Pflicht, die Verwaltung an die Gerichtsurteile zu binden. Ansonsten seien diese kaum umsetzbar. Er meint aber weiter, dass unter den gegebenen Mehrheitsverhältnissen im Landtag eine Änderung zur Zeit sehr unwahrscheinlich ist. Nun frage ich mich, warum es möglich ist, dass der bayerische Staat Gerichturteile de facto einfach missachten kann und ob da nicht der Willkür Tür und Tor geöffnet ist. Zwar wird die Strafe bezahlt, weil aber das Geld wieder an die Verwaltung zurückfließt, bringen Geldstrafen nichts. Da ihre Partei in der kommenden Legislaturperiode Chancen auf eine Regierungsbeteiligung hat und da die Grünen auch an der Thematik interessiert sein müssten, wollte ich fragen, was Sie zur Umsetzung des Gerichtsurteils beitragen werden.
Vielen lieben Dank schon einmal für ihre Mühen.
Mit freundlichen Grüßen,
A. F.
Sehr geehrter Herr F.,
vielen Dank für Ihre Frage. Es ist skandalös, dass die CSU-Regierung Recht, Gesetz und eindeutige Urteile missachtet! Die Stickstoffdioxid-Grenzwerte werden seit Jahren in München nicht eingehalten. Besonders verheerend wirkt das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid bei Asthmatikern, Atemwegsgeschädigten, Kleinkindern, Alten und Kranken. 12.860 vorzeitige Todesfälle jährlich sind allein in Deutschland auf das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid zurückzuführen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat die Staatsregierung auf Einhaltung der Grenzwerte verklagt. Die Staatsregierung weigert sich, ein bereits seit 2014 rechtskräftiges Urteil umzusetzen und alle Maßnahmen zu verabschieden, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid führen. Um dies durchzusetzen, hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) bereits vor eineinhalb Jahren durch Beschluss vom 27. Februar 2017 entschieden, dass die Staatsregierung Diesel-Fahrverbote vorbereiten und im Luftreinhalteplan zu veröffentlichen hat. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2018 sind diese Fahrverbote rechtmäßig und zur Einhaltung der Grenzwerte in München zwingend. Da mittlerweile bereits zwei verhängte Zwangsgelder nicht dazu führten, dass die Staatsregierung ihrer höchstrichterlich bestätigten Verpflichtung nachkommt, hat der BayVGH nunmehr in einem am 24. August 2018 bei der DUH eingegangenen Schreiben vom 17. August 2018 bestätigt, dass offenkundig nur noch das Mittel der Erzwingungshaft zur Verfügung steht, "da sich das rechtkräftig verurteilte Bundesland sowohl gegenüber den Gerichten als auch öffentlich - und dies u.a. durch seinen ranghöchsten politischen Mandatsträger ... - dahingehend festgelegt hat, dass es die rechtskräftige, zu vollstreckende gerichtliche Entscheidung nicht befolgen wird" (BayVGH).
Herr Professor Wieland hat völlig recht: Die Verwaltung ist an die Gesetze gebunden und es darf nicht sein, dass die politische Spitze dies offensiv missachtet. Wenn ein Gericht Recht spricht, muss sich eine Regierung daran halten. Im Rechtsstaat ist das eigentlich eine Binsenweisheit. Die CSU-Regierung tut jedoch beim Thema gefährlicher Abgase so, als würde dies für sie nicht gelten. In mehreren Urteilen wurde die CSU-Regierung darauf verpflichtet, für die Einhaltung von Stickoxid-Grenzwerten zu sorgen. Bislang getan hat sie aber nichts. Das ist gleichermaßen ein Problem für den Rechtsstaat und die Demokratie wie auch für die Menschen in den Städten, die unter den Diesel-Abgasen leiden. Wenn sich schon staatliche Stellen nicht an Recht und Gesetz halten, wie soll das der Staat dann von den Bürgerinnen und Bürgern einfordern? Wir haben deshalb am 22. Februar 2018 in einem Dringlichkeitsantrag gefordert, die Urteile der Verwaltungsgerichte zügig umzusetzen und für bessere Luft in den Städten zu sorgen – auch mit Fahrverboten.
Für uns Grüne ist klar: Das Recht auf Gesundheit und saubere Luft wiegt schwerer als das Recht, mit einem schmutzigen Auto jederzeit und überall hinzufahren. Das Gericht hat damals den Luftreinhalteplan der Regierung als „Larifari und Blabla“ abgekanzelt. Ich verstehe nicht, dass die zuständigen MinisterInnen sich nicht schämen und umgehend die untergeordneten Behörden anweisen, diese Urteile zu achten, sie umzusetzen und für saubere Luft in Bayerns Städten zu sorgen!
Mit herzlichen Grüßen
Katharina Schulze