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Katharina Schulze
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Frage von Christoph S. •

Frage an Katharina Schulze von Christoph S. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen

Kann es sein,
- dass ein begehrtes Siedlungsgebiet VOLL ist und eben nur dann noch Menschen dort neu siedeln können, wenn andere wegziehen?
- dass die Kapazitäten der Bauindustrie und der Baugenehmigungsbehörden trotz aller Anstrengungen eben begrenzt sind und bleiben?
- dass die Erschließung neuer Wohngebiete mittels Straßen, ÖPNV, Kitas, Schulen usw schwierig ist und langsam erfolgt und deswegen die Baulandpreise sehr hoch sind
- dass aus diesen Gründen es physikalisch unmöglich ist, allen Interessenten eine Wohnung im begehrten Gebiet anzubieten?
- dass Beteuerungen der Politik in der Vergangenheit zur Steigerung des Wohnungsbaus nicht hinreichend ausgeführt wurden und hieraus der Beweis erbracht ist, dass es eben nicht möglich ist?
Was halten Sie davon, Bestandsbewohner zu bitten, wegzuziehen und ggf. mit welchem Nachdruck? Was halten Sie davon, dass Freunde und Verwandte sich dabei zusammen tun, um gemeinsam in ein billigeres Gebiet umzuziehen? Könnte der Staat dies vielleicht fördern? Verhält sich ein Rentner u.ä., der von München in die Oberfalz umzieht, Ihrer Meinung nach gemeinschaftsdienlich, weil er einem Fernpendler eine Wohnung nahe seiner Arbeit frei macht? Was halten Sie davon, Obdachlosen oder Insassen von Notunterkünften deutlich zu machen, dass sie nur fern des begehrten Gebietes eine Aussicht auf Wohnung haben ung ggf mit welchem Nachdruck? Kann es sein, dass Forderungen und Rechtsansprüche nach einer Wohnung in vollen Gebieten uneinbringlich sind, genauso wie man bei armen Leuten nicht pfänden kann? Hat ihrer Meinung nach jeder das Freiheitsrecht, auch in einem teuren begehrten Gebiet zu siedeln und den Sozialstaat mit den hohen Mehrkosten zu belasten oder könnte Art 11 Abs 2 GG als Begündung zu einem Verbot greifen: nicht "ausreichende Lebensgrundlage" oder weil "der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden" mit der Folge, dass vielen geboten wird, fern dieses Gebietes zu siedeln.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Strebel,

vielen Dank für Ihre Frage zu sozialen und politischen Herausforderungen der Stadtentwicklung. Der Wohnungsmarkt ist in den vergangenen Jahren gewaltig aus der Balance geraten. Bezahlbarer Wohnraum ist (nicht nur) in bayerischen Ballungsräumen längst Mangelware, weil Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt immer weniger zusammenpassen. Dazu tragen nicht nur die „Renaissance der Städte“ sowie die Spekulationswelle mit Immobilien als neues „Betongold“ bei, sondern auch die verfehlten wohnungspolitischen Weichenstellungen der Vergangenheit.

Wohnen ist ein Grundrecht. Gerade weil das Dach über dem Kopf ein knappes Gut ist, kann es deshalb nicht wie eine gewöhnliche Ware allein den Kräften des Marktes überlassen werden. Ich möchte dabei betonen, dass im Grundgesetz und in der Bayerischen Verfassung das Recht auf Freizügigkeit verankert ist. Ihre in der letzten Frage erwogene Einschränkung der Freizügigkeit im Sinne, Menschen den Zuzug in bestimmte Gebiete zu verbieten, halte ich in diesem Zusammenhang aus demokratischen Gesichtspunkten für sehr problematisch – die Freizügigkeit ist ein hohes Gut, welches ich immer verteidigen werde. Laut Artikel 106 der Bayerischen Verfassung hat jede/r BewohnerIn Bayerns Anspruch auf eine angemessene Wohnung. Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus ist Aufgabe des Staates und der Kommunen.

Der öffentlich geförderte Wohnungsbau beschränkt sich hierzulande zu sehr auf Wirtschaftsförderung mit „sozialer Zwischennutzung“. Nach Ablauf und Tilgung der öffentlichen Darlehen verwandeln sich Sozialwohnungen in ganz normale Mietwohnungen. Deshalb fallen jährlich mehr dieser Wohnungen aus der Bindung als das neue hinzukommen. Ohne Ausweitung der sozialen Wohnraumförderung wird das Angebot gebundener Wohnungen weiter sinken. Auch die Mietpreisbremse und das Umwandlungsverbot kommen Jahre zu spät und werden allein die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt nicht lösen können. Zusätzlich muss endlich der Mietspiegel reformiert werden. Um soziale Härten abzufangen, muss das Wohngeld als Instrument deutlich gestärkt werden und regelmäßig an die Preis- und Lohnentwicklung angepasst werden. Die geplante Wohngeldreform ist jedoch zu kurz gedacht – es fehlt ein Heizkostenzuschuss sowie eine Klimakomponente, die soziale Wohnungspolitik und Ökologie in Einklang bringt.

Um mittel- und langfristig bezahlbaren Wohnraum in den Ballungsgebieten zu schaffen und dämpfend auf die Mietpreisentwicklung zu wirken, ist es aus unserer Sicht unabdingbar, endlich verstärkt auf Bewirtschaftungsmodelle zu setzen, die nachhaltige Wohnungsversorgung gewährleisten. Insbesondere kommunale, genossenschaftliche oder gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen, aber auch Bauherrengemeinschaften und sozial-ökologische Wohnprojekte sollen gestärkt werden. Mittels Konzeptausschreibungen lassen sich die Grundstückskosten auf städtischen Flächen begrenzen. Außerdem ist eine qualifizierte Nachverdichtung und gemeinsame Regionalplanung im Rahmen einer städtebaulichen Planung unausweichlich, wenn in Ballungsräumen mehr Wohnraum entstehen soll sowie einer Zersiedelung und Flächenfraß entgegengewirkt werden soll.

Zur Bewältigung der wichtigen Zukunftsaufgaben wie Klimaschutz, demografischer Wandel sowie sozialer Zusammenarbeit sind die Programme der Städtebauförderung ein wichtiges und unverzichtbares Instrument, das wir Grüne stärken wollen. Aber auch Kommunen mit sinkender Wohnungsnachfrage und dauerhaft hohem Leerstand dürfen nicht abgehängt werden. Sie brauchen Konzepte zur Festigung von Zentren und Ortskernen sowie Unterstützung beim Rück- und Umbau ungenutzter Gebäude und Siedlungsteile. Wir Grüne sind der Meinung, dass wir neben diesen Maßnahmen auch dringend eine Debatte darüber brauchen, wie wir wieder Wohnungsgemeinnützigkeit in Bayern und Deutschland erreichen können.

Herzliche Grüße,

Katharina Schulze

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