Frage an Katharina Dröge von Britta J. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Dröge,
ich bin empört über die Vorgehensweise zur Autobahnprivatisierung.
Wie die taz heute berichtet, will die große Koalition ihre Grundgesetzänderung zur Autobahnprivatisierung nicht nur morgen, also am Donnerstag, 01.06.2017 in 2. und 3. Lesung im Bundestag beschließen.
Das Grundgesetz soll bereits weniger als 24 Stunden später, am Freitag, 02. Juni 2017 endgültig vom Bundesrat abschließend geändert werden. Die Grundgesetzänderung soll dafür per Bote vom Bundestag in den Bundesrat überbracht und in der laufenden Sitzung auf die Tagesordnung gehoben. Das ist wirklich unglaublich. Denn schließlich handelt es sich um die größte Grundgesetzänderung seit dem Jahr 2006.
Mich würde ihre Haltung dazu interessieren, da es maßgeblich meine Stimmabgabe zur Wahl beeinflussen wird.
Ich danke ihnen im voraus und verbleibe mit
Herzlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau Jakobs,
vielen Dank für Ihren Beitrag auf Abgeordnetenwatch.de. Für uns ist klar: Wer die Klimaschutzziele erreichen will, muss in der Verkehrspolitik umsteuern – auch und gerade bei der Verkehrsinfrastruktur.
Wir Grünen teilen Ihre Auffassung, dass die Autobahn nicht privatisiert werden darf. Die von CDU, CSU und SPD beschlossene Änderung des Grundgesetzes zur Gründung einer Autobahngesellschaft ist unzureichend. Der von Schäuble, Dobrindt und Gabriel vorgelegte Grundgesetzentwurf wurde zwar durch die Koalitionsfraktionen an einigen Stellen verbessert, aber es bleiben dennoch Hintertüren für eine Privatisierung offen. Dementsprechend haben wir dem Gesetzentwurf von CDU, CSU und SPD abgelehnt. Das Abstimmungsverhalten der einzelnen Abgeordneten können sie auch unter folgendem Link auf abgeordnetenwatch.de nachvollziehen:
http://www.abgeordnetenwatch.de/schaffung_einer_zentralen_gesellschaft_fuer_autobahnen_und_bundesstrassen-1105-880.html
Dort können Sie sehen, dass die Fraktion bei der Abstimmung zu Art. 90 GG (Schaffung einer zentralen Gesellschaft für Autobahnen und Bundesstraßen) mit Nein gestimmt hat. Wir haben zudem einen eigenen Vorschlag für das Grundgesetz eingebracht, um die Möglichkeit für Privatisierungen dauerhaft und rechtssicher auszuschließen. Diesen finden Sie unter folgendem Link:
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/125/1812598.pdf .
Der Genauigkeit halber möchte ich ergänzen, dass die Autobahnprivatisierung in einem Gesetztespaket mit insgesamt 13 Grundgesetzänderungen bei den Bund-Länder-Finanzbeziehungen verabschiedet wurde. Zunächst wurde über jedes Einzelvorhaben abgestimmt und anschließend über das gesamte Paket. Neun dieser Änderungen haben wir zugestimmt (u.a. Auflockern des Kooperationsverbotes, Stärkung der Steuerverwaltung gegen Steuerhinterziehung, Hilfen für Bremen und Saarland etc.) und vier abgelehnt (u.a. die Autobahngesellschaft). In der Schlussabstimmung haben wir uns enthalten, um unseren differenzierten Einzelabstimmungen Rechnung zu tragen. In Fragen der Schaffung einer zentralen Gesellschaft für Autobahnen und Bundesstraßen ist unsere Haltung eindeutig: Wir kämpfen weiter gegen die Privatisierung der Autobahnen. Für eine moderne, ökologische Verkehrspolitik brauchen wir die demokratische Kontrolle über unsere Infrastruktur, keine private Renditejagd!
Die Verkehrsminister unter Kanzlerin Merkel haben die aktuellen Herausforderungen der Zeit bislang nicht angenommen. Im Gegenteil: Vor allem der neue Bundesverkehrswegeplan, den Bundesminister Alexander Dobrindt verantwortet, setzt die Straßenbaupolitik der vergangenen Jahrzehnte einfach weiter fort. Dobrindt mischt munter Beton für noch mehr Straßen und noch mehr Straßenverkehrs Das hat nicht nur klima- und umweltpolitisch verheerende Folgen, sondern auch finanziell negative Auswirkungen. Wenn Deutschland weiter immer mehr Straßen errichtet, müssen wir auch immer mehr für Unterhalt und Sanierung aufwenden.
Die große Koalition möchte künftig Bundesautobahnen zentral durch eine Autobahngesellschaft verwalten lassen. Das sehen wir Grüne kritisch. Wir unterstützen das Ziel, mehr Effizienz zu schaffen und die Auftragsverwaltung im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen grundlegend zu reformieren. Verantwortlichkeiten müssen dazu klarer zugeordnet werden. Alexander Dobrindt will die große Straßenbaumaschine anwerfen. Und Bundesfinanzminister Schäuble wünscht sich eine Privatisierung der Autobahnen. Damit schießen die Minister klar übers Ziel hinaus.
• Wir Grüne kämpfen dafür, dass der Zustand unserer Straßen künftig ehrlich bilanziert wird und der Erhalt bestehender Straßen und Brücken Vorrang hat vor teuren Neubauprojekten. Öffentliches Eigentum darf nicht an Konzerne und Versicherungen verramscht werden.
• Die neue Autobahngesellschaft muss im unveräußerlichen Eigentum des Bundes stehen.
• Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater muss ausgeschlossen bleiben.
• Die Bildung eine Aktiengesellschaft, wie sie etwa im Bereich des Schienenverkehrs mit der Deutschen Bahn AG im Zuge der Bahnreform von 1994 erfolgt ist, lehnen wir genauso ab wie die Ausweitung der teuren Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP).
• Wir schlagen vor, dass die Verwaltung der Autobahnen künftig durch eine Anstalt öffentlichen Rechts oder eine Gesellschaft privaten Rechts, bei der ein unbeschränkter Einfluss des Bundes auf die Aufgabenerfüllung sichergestellt ist, erfolgt. Die Rechtsform der Gesellschaft darf nur dann zulässig sein, wenn ein unbeschränkter staatlicher Einfluss sichergestellt ist.
• Sollte für die Autobahnverwaltung eine GmbH als Rechtsform gewählt werden, muss die Umwandlung in eine Anstalt öffentlichen Rechts weiter möglich sein. Wir fordern eine Überprüfung vier Jahre nach Betriebsbeginn der Gesellschaft.
Die SPD hat immer wieder beteuert, dass sie den Einfluss privater Investoren mit entsprechenden Renditeabsichten strikt ausschließen will. Dessen ungeachtet öffnet die große Koalition Öffentlich-Privaten Partnerschaften Tür und Tor. Genau diese Konstruktion ist für den Staat besonders kostspielig und für Parlamentarier und Öffentlichkeit völlig undurchsichtig. Sie schließt viele mittelständische Baufirmen von vorherein aus. Die Vorschläge von Union und SPD zur Grundgesetzänderung schließen weder die Aufnahme kostspieliger Kredite aus, noch die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Zwar wird der Ausverkauf öffentlicher Infrastruktur nicht in einem Rutsch passieren. Es besteht aber die Möglichkeit, dass dies über viele Jahre in vielen Tranchen erfolgt.
Auf ein weiteres Detail der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen richten wir Grüne gesondertes Augenmerk:
Die Bundesregierung drängt darauf, die Zuwendungen des Bundes für die Gemeindeverkehrsfinanzierung bis 2025 bei 333 Millionen Euro jährlich einzufrieren. Damit würde die ohnehin völlig unzureichende Finanzausstattung über Jahre verlängert. Zwischen dem Bedarf und den bis 2025 verfügbaren Mitteln aus dem Bundesprogramm Gemeindeverkehrsfinanzierung klafft mittlerweile eine Lücke von über vier Milliarden Euro. Wenn es bei der jetzigen Förderkulisse bleibt, haben zwei von drei Projekten aus dem Nahverkehrsprogramm des Bundes bis 2025 keine Chance auf Umsetzung. Wichtigen Aus- und Neubauvorhaben bei S- und Stadtbahnen droht dadurch das Aus. Und das, obwohl der öffentliche Verkehr in Deutschland Jahr für Jahr neue Fahrgastrekorde verzeichnet.
Wir Grüne wollen deswegen in die entgegengesetzte Richtung: Die Verkehrswende verlangt höhere Investitionen in den umweltfreundlichen ÖPNV. Klimaschutz muss im Verkehr eine größere Rolle spielen. Wir wollen die Gelder des Bundes für den Gemeindeverkehr deutlich aufstocken – auf eine Milliarde Euro pro Jahr.
Darüber hinaus möchte ich Sie auf einen Artikel aufmerksam machen, den meine Kollegen Anton Hofreiter und Sven-Christian Kindler als Gastbeitrag verfasst haben und der am 29.05.17 in der Frankfurter Rundschau erschienen ist: „Autobahn-Privatisierung durch die Hintertür“(http://www.fr.de/politik/meinung/gastbeitraege/oeffentlich-private-partnerschaften-autobahn-privatisierung-durch-die-hintertuer-a-1286670).
Mit freundlichen Grüßen
Katharina Dröge