Frage an Katarina Barley von Kamil K. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Dr. Barley,
ich hätte zwei Fragen zur strafrechtlichen Aufklärung der sexuellen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche.
1. Aus welchem Grund wird die Justiz in Anbetracht des öffentlichen Interesses und der Schwere der Strafsache nicht aufklärerisch tätig?
2. Aus welchem Grund wird die Aufklärung, Aufarbeitung und ggf. Sanktionierung demjenigen
Konglomerat überlassen, welches sowohl maßgeblich bei der Vertuschung und Verschleierung solcher Missbrauchsfälle, als auch bei der Flucht (bzw. Versetzung) an Missbrauchsfällen beteiligter Priester/Ordensleute/Erzieher behilflich war.
Über eine Antwort würde ich mich freuen.
Sehr geehrter Herr K.,
der Eindruck, die Aufklärung der Missbrauchsfälle werde der Kirche überlassen, ist falsch. Das Kirchen-recht steht nicht über dem Strafrecht – es ist umgekehrt. Das Strafrecht gilt selbstverständlich auch im kirchlichen Bereich. Alles was strafrechtlich relevant ist, muss und wird von Polizei, Staatsanwaltschaften und Strafgerichten verfolgt werden.
Generell gibt es in unserem Rechtssystem keine Pflicht, begangene Straftaten anzuzeigen. Ermittlungsbehörden brauchen ihrerseits immer einen konkreten Anfangsverdacht, damit sie tätig werden können. Dieser konkrete Verdacht muss sich auf eine bestimmte Tat beziehen, die noch nicht verjährt ist. Er kann durch Hinweise aus der Kirche, aber auch von Betroffenen kommen. Deshalb müssen wir die Opfer und ihre Angehörigen, aber auch Mitarbeiter der Kirchen ermutigen, sich den staatlichen Behörden anzuvertrauen. Wir können nicht einfach hunderte von Staatsanwälten in die kirchlichen Archive schicken, damit sie auf gut Glück alles durchlesen. Der Rechtsstaat kann nur dann funktionieren, wenn ihm die Taten gemeldet werden. Erst wenn ein konkreter Anfangsverdacht vorliegt, kann die Staatsanwaltschaft ermitteln. Dann können auch Akten beschlagnahmt und ausgewertet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Katarina Barley, MdB