Frage an Katarina Barley von Dieter D. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Dr. Barley,
wie kann es sein, daß man einen Serientäter, 2fachen Vergewaltiger und Mörder nach Deutschland zurückholt, weil er im Irak von seiner gerechten Strafe "bedroht" war? Bei uns wird er dann jahrelang auf Kosten des Steuerzahlers in einem Hotel mit der amtlichen Bezeichnung Justizvollzugsanstalt versorgt. Der Fall des ehemaligen Leibwächters von Bin Laden ist genauso unglaublich.
Das alles hat doch mit einem Rechtsstaat, wie ein normaler Mensch ihn sich vorstellt, nichts mehr zu tun. Den haben wir schon lange nicht mehr, sondern einen verkommenen Staat, der seltsamerweise immer noch so genannt wird. Es muß Ihnen doch klar sein, daß das erstklassige Methoden sind, um Fremdenhaß zu fördern. Es trifft aber auch die anständigen Einwanderer, also die falschen. Die Täter sitzen bei uns in den Behörden und Gerichten. Wenn das alles auf gesetzlicher Grundlage bei uns so geregelt wird, dann ist doch eine Gesetzesänderung längst überfällig.
Warum muß ich Ihnen das überhaupt schreiben? Warum höre ich nicht in den Nachrichten, daß Sie über solche Fälle empört sind und für Änderung sorgen?
Mit freundlichem Gruß
D. D.
Sehr geehrter Herr D. ,
Sie haben Ihr Unverständnis darüber geäußert, dass die Stadt Bochum den mutmaßlichen Islamisten Sami A. nach Deutschland zurückholen muss. Diese Entscheidung des Obersenten Verwaltungsgerichts möchte ich Ihnen gern erläutern:
Wenn Behörden sich nun aussuchen, welchen Richterspruch, sie befolgen und welchen nicht, ist das das Ende des Rechtsstaates. Deshalb muss die hier erfolgte Missachtung des Gerichts korrigiert werden. Im Fall Sami A. hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen von den tunesischen Behörden die Versicherung verlangt, dass er in seinem Heimatland menschenrechtskonform behandelt wird. Bis zur Vorlage der tunesischen Zusicherung hatte das Gericht seine Abschiebung untersagt. Mit der Abschiebung hat sich die Verwaltung in Bochum über die Anordnung des Gerichts hinweggesetzt und einen Grundsatz des Rechtsstaatsprinzips missachtet. Die Abschiebung war deshalb zu diesem Zeitpunkt rechtswidrig.
Wir leben in einem Rechtsstaat. Zu den Prinzipien des Rechtsstaates gehört die Gewaltenteilung. Sie ist eine in der Verfassung beschriebene Selbstbeschränkung der Staatsorgane und damit ein demokratisches Wesenselement. Sie gehört zu den Grundsätzen, die nicht geändert, ja nicht einmal berührt werden dürfen. Was unabhängige Gerichte entscheiden, muss gelten.
Wichtig ist, dass wir uns an die Regeln, die wir demokratisch aufgestellt haben, auch halten. Gerichte müssen unabhängig von der Mehrheitsmeinung urteilen. Eine Behörde, ein Gericht, auch eine Regierung darf die Regeln nicht mal eben umgehen, weil sie findet, dass gerade eine andere Stimmung im Land herrscht. Das Recht muss angewendet werden und zwar für alle Menschen gleich.
Richter entscheiden unabhängig auf der Grundlage von Gesetzen. Die Politik muss sich dem fügen – nicht umgekehrt. Aber es ist natürlich Aufgabe der Politik, darüber zu diskutieren, ob man die Regeln verändern muss. Da darf es dann keine Denkverbote geben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Katarina Barley, MdB