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Katarina Barley
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Frage von Birgit und Reinhard G. •

Frage an Katarina Barley von Birgit und Reinhard G. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Barley,

welche wohnungspolitische Position beziehen Sie zur Freistellungspraxis bei Sozialwohnungen?

Hier ein Beispiel aus Hamburg, dass stellvertretend für viele bundesdeutsche Städte stehen kann:

In einer Antwort der Hamburger Bürgerschaft (Eingabe 344/15) vom 04.09.2015 wurden Freistellungen im Sozialwohnungsbestand im Stadtteil St. Georg zum 01.01.2015 auf Grundlage von Quellen der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (Sozialwohnungsbestand) und der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (Freistellungen) wie folgt dargestellt:
- SAGA/GWG 132 Wohneinheiten davon 132 durch Kooperationsvertrag freigestellt
- Genossenschaften 299 Wohneinheiten davon 229 durch Kooperationsvertrag freigestellt
- Sonstige Eigentümer 376 Wohneinheiten davon 0 freigestellt

Die Summe des Sozialwohnungsbestands betrug zum 01.01.2015 im Stadtteil St. Georg 807 Wohneinheiten, davon wurden 361 von der Belegungsbindung freigestellt. Dies entspricht einer Freistellungsquote von ca. 45 %.
Austausch-/Ersatzwohnungen wurden laut zuständiger Behörde nicht ermittelt.

Da die Sozialwohnungsquote in St. Georg laut Hamburger StadtteilProfile 2015 bei 13,8 % des Gesamtwohnungsbestands lag, reduzierte sich der Anteil der Sozialwohnungen durch die Freistellung von der Belegungsbindung nochmals um 6,2 % auf einen Anteil von nur noch 7,6 %. Damit wurden Geringverdiener erheblich benachteiligt und aus dem Stadtteil verdrängt, da günstige Wohnungen nicht mehr zur Verfügung standen.

Bei Neubauten wird oftmals davon gesprochen, dass anteilig 1/3 öffentlich geförderter Wohnraum geschaffen wird. Wenn diese Wohnungen später aber wiederum von der Belegungsbindung freigestellt werden und der Sozialwohnungsbestand dadurch nicht steigt, sondern weiterhin sinkt, halten wir dies für eine Täuschung der Öffentlichkeit.

Mit freundlichen Grüßen
Birgit G. und Reinhard Gerstmeier

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Antwort von
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Antwort von Dr. Katarina Barley, MdB:

Die Zuständigkeit für die soziale Wohnraumförderung und damit auch für die Sozialbindung liegt bei den Bundesländern. Im Rahmen der Föderalismusreform wurde die Zuständigkeit für die Gesetzgebung zur sozialen Wohnraumförderung 2006 vom Bund auf die Länder übertragen. Diese Aufgabenübertragung berücksichtigt insbesondere, dass sich der Wohnungsbedarf regional sehr unterschiedlich entwickelt hat. Als Ausgleich für den durch die Abschaffung u. a. der Finanzhilfen zur sozialen Wohnraumförderung bedingten Wegfall der Finanzierungsanteile des Bundes stehen den Ländern seit Anfang 2007 und bis Ende 2019 Kompensationsmittel aus dem Bundeshaushalt zu. Diese mussten nicht zweckgebunden ausgegeben werden, sondern nur investiv.

Die wachsende Nachfrage von Mietern und Anlegern, aber auch die Versäumnisse im Wohnungsbau der letzten Jahre haben zu erheblichen Steigerungen bei Mieten und Kaufpreisen geführt. Vor allem einkommensschwächere Haushalte, aber zunehmend auch Haushalte mit mittleren Einkommen haben Schwierigkeiten, eine bezahlbare Wohnung zu finden.
Das Problem ist der SPD sehr wohl bewusst. Wir halten den Rückgang des Bestandes an Sozialwohnungen für fatal, denn das Auslaufen der Bindung ist häufig mit steigenden Mieten und einer Verdrängung der Mieter/Innen aus ihrem angestammten Wohnumfeld verbunden. Die derzeitigen Bindungszeit-räume von 15 bis 20 Jahren halten wir nicht für ausreichend und plädieren für eine längerfristige Bindung.

Zum Ende eines Jahres verlieren Tausende von Wohnungen ihre Eigenschaft als Sozialwohnung. Die öffentlichen Baudarlehen sind zurückgezahlt beziehungsweise laufende Aufwendungshilfen werden nicht mehr gewährt oder die zehn- bis 15-jährige sogenannte Nachwirkungsfrist bei vorzeitiger Rückzahlung öffentlicher Mittel ist abgelaufen. Dadurch entfällt sowohl die Belegungsbindung als auch die Bindung an die Kostenmiete (Mietpreisbindung). Das führt zu der Situation, dass rd. 100.000 Wohnungen jährlich aus der Bindung entfallen, aber nur rund 20.000 neue Sozialwohnungen errichtet werden. Tatsächlich müssten pro Jahr in Deutschland rund 350.000 bis 400.000 Wohnungen gebaut werden, davon müssten 80.000 Sozialwohnungen sein, damit der Bestand nicht weiter zurückgeht.

Dem können wir nur Einhalt gebieten durch bauen, bauen, bauen. Wir wollen bezahlbaren Wohnraum für alle schaffen. Dazu haben wir in der 18. Legislaturperiode eine Verdreifachung der Bundesmittel für die soziale Wohnraumförderung auf 1,5 Mrd. Euro jährlich durchgesetzt, mit der die Länder den Wohnungsbau voranbringen können. Diese Mittel wollen wir künftig an den steigenden Bedarf nach Sozialwohnungen anpassen. Wir wollen, dass der Bund auch nach dem Auslaufen seiner Zahlungsverpflichtung 2019 die soziale Wohnungspolitik mitgestaltet. Wir wollen gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen unterstützen und mittels Investitionszuschüssen Genossenschaften und kommunale Wohnungsbaugesellschaften stärken, die vor Ort als Korrektiv am Markt auftreten und bezahlbaren Wohnraum schaffen. Auf unserem Parteitag Anfang Dezember haben wir beschlossen, uns auch künftig für eine nachhaltige und sozial gerechte Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik einzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen
i.A.

Mirabell Schatz
Wissenschaftliche Mitarbeiterin

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