Frage an Kasimir Romer von Alex S. bezüglich Gesundheit
Hallo Herr Romer,
Danke für Ihre Antwort
Allerdings möchte ich gerne Nachfragen stellen, um Missverständnisse auszuschließen.
Ich denke nicht, dass Sie das Konzept des Impfens als hinlänglich bekannt (Schutzimpfungen) verwechseln mit der neuartigen mRNA Impfung (Biontech), die erstmals Ende 2020 durch Regulierungsbehörden zugelassen wurden?
(Vektorimpfstoffe ausgenommen)
Das sie meine Bedenken zwecks der Risiko-Nutzen Abwägung bei der Gruppe 0-65 Jahre bezüglich nicht vorhandener Langzeitstudien und möglicher Langzeitfolgen anders bewerten ist völlig ok. Letztlich geht es hier um Meinungsaustausch und den Standpunkt der Bewerber.
Die Funktionsweise der Impfstoffe erschließt sich mir auch, allerdings gewichte ich Erfahrungswerte anders als Theorie.
Können Sie mir den Unterschied erklären zur ihrer Aussage:
"Privilegien für Geimpfte halte ich für falsch. Darüber dass geimpfte wieder ihre Grundrechte wahrnehmen können, darf aber gerne diskutiert werden."
Wo sehen sie da einen relevanten Unterschied?
Vielleicht war meine Frage missverständlich. Das Wiedererlangen der Grundrechte wird als Privileg für geimpfte diskutiert. Diese Diskussion ist für mich völlig entgegengesetzt zu meinem demokratischen Verständnis der Unveräußerlichkeit von Grundrechten, die nebeneinander und ohne Rangfolge existieren.
Auch Ihr Vergleich zur spanischen Gruppe empfinde ich etwas befremdlich, da zumal hauptsächlich 20-40-jährige betroffen waren und Schätzungen von 20 bis 50 Mio. Todesfälle weltweit, bei einer Weltbevölkerung von ca. 1,8 Milliarden.
Ich denke nicht, dass hier ein Vergleich gezogen werden sollte, da die Ausgangsbasis vor fast 100 Jahren und heute doch sehr unterschiedlich erscheint.
Kann ich Ihre Aussagen im letzten Teil ihrer Antwort deuten wie:
Herdenimmunität kann nur durch eine Impfung erreicht werden, die jeder annehmen sollte, wenn er sie angeboten bekommt, nur so lassen sich gesellschaftliche Restriktionen schneller abbauen?
Danke!
Hallo,
vielen Dank für Ihre Rückfrage.
1. Frage: Ich denke nicht, dass Sie das Konzept des Impfens als hinlänglich bekannt (Schutzimpfungen) verwechseln mit der neuartigen mRNA Impfung (Biontech), die erstmals Ende 2020 durch Regulierungsbehörden zugelassen wurden? (Vektorimpfstoffe ausgenommen)
Auch bei Vektorimpfstoffen gibt es genbasierte Varianten, die z.B. beim Ebola-Impfstoff verwendet wurden.
Die mRNA-Impfstoffe sind insofern tatsächlich sehr interessant: die Transkription, der Schritt von DNA nach RNA, wurde hier (anders als bei Vektorimpfstoffen) schon im Labor unternommen. Das heißt die menschl. Wirtszelle muss nicht mehr “überredet” werden, doch bitte den “Vektor” zu lesen, und DNA in RNA zu transkribieren.
Eine lesenswerte Beschreibung wie der mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer funktioniert finden Sie hier: https://berthub.eu/articles/posts/german-reverse-engineering-source-code-of-the-biontech-pfizer-vaccine/ .
Mir ist der Unterschied zwischen diesen beiden Arten der Impfung (mRNA- und Vektorimpfung) selbstverständlich bekannt.
Darüber hinaus sind sowohl mRNA-Impfstoffe und genbasierte Vektorimpfstoffe nicht vollkommen neu. Über mRNA-Impfstoffe ist, insbesondere durch Tierversuche, bereits einiges an Wissen zusammengekommen ( https://www.nature.com/articles/nrd.2017.243 ). Bei der Gelben Liste ( https://www.gelbe-liste.de/nachrichten/unterschiede-corona-impfstoffe ) werden als potentielle Gefahren von mRNA-Impfstoffen die Bildung von Ödemen durch freie mRNA im Impfstoff angegeben (die man durch Zugabe von RNAsen verhindern kann), sowie Thrombenbildung durch extrazelluläre RNA.
Beides sind Nebenwirkungen, die wenn, direkt nach der Impfung auftreten, und daher bereits in Phase3-Studien oder aktuell in Impfzentren (Israel, USA, EU, …) aufgetreten wären. Impfschäden, die erst Jahre nach einer Impfung auftreten, sind auch dem Paul-Ehrlich-Institut generell nicht bekannt und aufgrund der Wirkweise von Impfstoffen im Allgemeinen auch nicht zu erwarten ( https://www.come-on.de/leben/gesundheit/impfschaeden-corona-impfung-jahre-spaeter-risiko-langzeit-nebenwirkungen-folgen-covid-impfstoffe-zr-90190683.html ). Die Möglichkeit, dass sich freie RNA über Monate hinweg sammelt und es erst dann zu einer Nebenwirkung kommt, halte ich für äußerst gering, da mir keine (peer-reviewed) Expertenmeinung hierzu bekannt wäre.
2. Frage: Wo sehen sie da einen relevanten Unterschied?
Der relevante Unterschied ist, dass Privilegien suggerieren, dass jemandem zusätzliche Rechte zugestanden werden. Aber wir müssen eigentlich darüber reden, ob die Gesellschaft geimpften Mitgliedern ihre eigentlichen Rechte zurückgeben möchte.
Für die Rückgabe von Rechten und Freiheiten gibt es gute Gründe, zum Beispiel, dass sonst Grundrechte, mit das höchste Gut, welches der Staat seinen Bürger:innen garantiert, eingeschränkt sind. Aber auch die bereits angesprochenen Auffälligkeiten bei Kindern, die aktuell nicht mit Gleichaltrigen spielen können, gilt es zu beachten. Es gibt aber auch Gründe dagegen, den gesellschaftlichen Zusammenhang zum Beispiel, die Solidarität innerhalb der einzelnen Alters- und Impfgruppen.
Mit dem Deutschen Ethikrat haben wir in Deutschland ein Gremium, dass in solchen Konstellationen hoffentlich eine gute Balance finden kann. Dennoch ist es äußerst wichtig eine Strategie zu entwickeln, um möglichst bald nicht mehr auf Restriktionen angewiesen zu sein.
3. Frage: Ihren Vergleich zur spanischen Gruppe empfinde ich etwas befremdlich
In angesprochenen Artikel wird neben der Spanischen Grippe auch z.B. SARS-CoV und die Influenza Pandemie 2009 verglichen. Unabhängig von der Bevölkerungsstruktur zeigt sich hier, dass sich SARS-CoV-2 deutlich besser überträgt als die Grippe (in beiden Pandemien).
Auch, die Zeit zwischen Beginn von Symptomen und maximaler Ansteckungsfähigkeit unterscheidet sich enorm zwischen SARS-CoV-2 und Influenza.
In der Tat, die Bevölkerungsstruktur 1918 und heute ist unterschiedlich.
Piroth et al. vergleichen COVID-19 allerdings auch mit der Grippesaison 2018/2019 und stellen dort eine höhere Sterberate von hospitalisierten COVID-19 Patienten fest.
An den verlinkten Publikationen war ich selbst nicht beteiligt, sondern Fachleute, die im Allgemeinen wissen was sie tun. Der peer-reviewed Artikel erschien im wissenschaftlich bedeutenden Journal “The Lancet”. Der von Petersen et al. gemachte Vergleich wird daher seriös sein, sonst wäre der Artikel so nicht publiziert worden.
4. Herdenimmunität kann nur durch eine Impfung erreicht werden, die jeder annehmen sollte, wenn er sie angeboten bekommt, nur so lassen sich gesellschaftliche Restriktionen schneller abbauen?
Die Zusammenfassung so ist m.E. nicht differenziert genug. SARS-CoV-2 ist auf dem Weg endemisch zu werden. Das heißt, dass wir langfristig wohl mit dem Virus leben werden müssen.
Impfungen sind der beste Weg dafür, dass ein großer Teil der Bevölkerung gegen das Virus immunisiert wird. Die Alternative, das Provozieren von möglichst vielen Infektionen (“gezielte Durchseuchung”), dürfte der deutlich leidvollere Ansatz sein, der keine Vorteile, aber viele Nachteile gegenüber der flächendeckenden Impfung hat.
Nichtsdestotrotz ist eine Impfung nur eine Maßnahme von vielen, um die gesellschaftlichen Restriktionen abzubauen: einfache, regelmäßige und viele Tests können auch dazu beitragen, (a)symptomatische Infektionen zu erkennen, und somit die Ansteckung weiterer Mitbürger:innen zu verhindern. Auch diese Maßnahme trägt dazu bei das Infektionsgeschehen niedrig zu halten, und folglich Restriktionen abbauen zu können.
Unter der Berücksichtigung, dass COVID-19 auch bei 18-60-Jährigen fatale Langzeitschäden verursachen kann, könnte ich mir ein Modell vorstellen, in dem insbesondere die Bereiche, die Kinder betreffen, bevorzugt geöffnet werden. Erwachsene können eine Pandemie noch eher begreifen als Kinder. Mit steigender Immunisierung in der Bevölkerung könnten dann nach und nach immer mehr Bereiche öffnen. Weiterhin sollte viel getestet werden, und insbesondere sollten die Mutationen auch in Deutschland sehr engmaschig überwacht werden.
Zuletzt möchte ich allerdings noch anmerken: ich bin weder Gesundheits- noch Ethikexperte. In beiden Bereichen gibt es Gremien, in denen Experten sitzen, die sinnvolle Strategien ausarbeiten können. Diese Experten anzuhören, ihre Argumente zu verstehen, nachzuvollziehen, und dann umzusetzen - das wird uns sicherlich einfacher durch die Pandemie bringen als mancher Aktivismus, der aktuell in der Politik vorherrscht. Wozu haben wir denn diese Experten (ausgebildet), wenn wir nicht auf sie hören wollen?
Mit besten Grüßen,
Kasimir Romer