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Kasimir Romer
Volt
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Frage von Alex S. •

Frage an Kasimir Romer von Alex S. bezüglich Gesundheit

Aktuell wird in der Politik eine Impfpflicht gegen den Covid-19 Virus diskutiert.
Ob es für geimpfte Privilegien geben soll, Wiedererlangung der Reisefreiheit, evtl. ein paar Freunde oder Familienmitglieder mehr treffen dürfen...
Diese Diskussion ist sehr befremdlich, da für mein Verständnis Grundrechte an keine Bedingungen geknüpft und unveräußerlich sind. Sie existieren nebeneinander und nicht in einer Rangfolge. Sonst sind sie nur Verhandlungsmasse je nach Gefälligkeit.

1:

Würden Sie sich dafür einsetzen, dass eine Impfpflicht für Corona innerhalb der EU erst rechtlich bindend wird, wenn die Impfstoffe die gewöhnlichen Langzeittests von ca. 10 Jahren erfolgreich bestanden haben? Nach einer Studiendauer, wie es auch in der Vergangenheit gut und üblich war?

Dies würde ein höheres Vertrauen in den Impfstoff fördern, als Beteuerungen der Impfstoff sei ungefährlich, verträglich, sicher und solidarisch.

Bitte auch auch unter den Aspekt beantworten, dass nach einem Jahr Corona erkennbar ist, dass hauptsächlich ältere Menschen über 65 Jahre mit schweren Folgen einer Erkrankung rechnen müssen und für die Menschen unter 65 Jahre das Sterberisiko nach den Zahlen des Statistischen Bundesamt in Höhe des Sterberisikos im Straßenverkehr liegt.

2:
Würden Sie sich für Privilegien für geimpfte Personen einsetzen oder eher dafür, dass es keine Impfpflicht über Umwege gibt. D.H. Ungeimpfte dürfen keine Veranstaltungen, Kinos etc.. besuchen?

Es gibt persönliche Gründe sich nicht impfen lassen zu können.
Bei einer Krebsbehandlung ist das Immunsystem geschwächt und eine Impfung kann negative Reaktionen erzeugen. Man möchte durch eine nicht vorhandene Impfung seinen Gesundheitsstatus nicht öffentlich machen.

3:

Wie bewerten Sie, dass es keine Impfpflicht für Influenza gibt, welche identische gesundheitliche Probleme hervorrufen kann und es dort die Empfehlung gibt, dass nur Risikopatienten mit ärztlicher Betreuung eine Impfung vornehmen sollten.

Danke

Portraitfoto von Kasimir Romer, Kandidat in den Wahlkreisen Ulm und Biberach
Antwort von
Volt

Hallo,

vielen Dank für Ihre Frage.

Durch die Corona-Pandemie sind unser aller Grundrechte stark beschnitten worden. Das betrifft nicht nur die älteren Teile unserer Bevölkerung, die insbesondere durch die Kontaktbeschränkungen an Einsamkeit litten, sondern auch die Solidarität der vielen jungen Mitbürger:innen, die nicht nur mangelnde soziale Kontakte hatten, sondern auch ihre Schulbildung vernachlässigt sehen und womöglich vermehrt langfristige Schäden davontragen ( https://www.tagesschau.de/inland/kinder-corona-109.html).

Eine generelle Impfpflicht halte ich aus mehreren Punkten für falsch. Der Staat soll niemanden dazu zwingen. Eine Diskussion im Deutschen Ethikrat hingegen halte ich für ratsam. Reiseeinschränkungen gibt es aktuell nicht für ungeimpfte Personen. Hier ist entscheidend, ob jemand akut erkrankt ist, oder nicht.

Gerne möchte ich Ihnen auf Ihre Fragen antworten.

1. Würden Sie sich dafür einsetzen, dass eine Impfpflicht für Corona innerhalb der EU erst rechtlich bindend wird, wenn die Impfstoffe die gewöhnlichen Langzeittests von ca. 10 Jahren erfolgreich bestanden haben? Nach einer Studiendauer, wie es auch in der Vergangenheit gut und üblich war?

Wie eingangs schon gesagt, eine generelle Impfpflicht halte ich für falsch. Genauso halte ich es für falsch, noch 9 Jahre zu warten, bevor man den Impfstoff anwendet. In der EU erfolgte keine Notfallzulassung, sondern eine bedingte Zulassung ( https://www.spektrum.de/news/wie-werden-impfstoffe-schnell-zugelassen/1809422). Im Gegensatz zu den Notfallzulassungen (wie z.B. in den USA oder Großbritannien) wird der Hersteller hier nicht aus der Haftung genommen. Auch werden die bisherigen Studien kontinuierlich weitergeführt. Eine genaue Beschreibung des Zulassungsvorgang in der EU können Sie unter https://ec.europa.eu/germany/news/20201215-biontech-impfstoff_de lesen.

Weiterhin konnte die Zulassung aus zwei wichtigen Gründen zügiger erfolgen: die Prozesse liefen vermehrt nebenläufig ab, und nicht sequentiell, wie bislang ( https://www.spektrum.de/kolumne/covid-19-impfung-geht-das-mit-den-impfstoffen-viel-zu-schnell/1808840), und durch das Grassieren des Virus kam die erforderliche Zahl an Infektionen (“Events”) für die statistische Auswertung schnell zusammen.

Darüber hinaus bereitet mir der Impfstoff auch so wenig Sorgen. Das Konzept des Impfens ist hinlänglich bekannt und sicher, und auch auf molekularbiologischer Ebene verständlich ( https://biontech.de/de/covid-19-portal/mRNA-impfstoffe). Die Folgen einer Nicht-Impfung sind deutlich schwerwiegender als die zu erwartenden Nebenwirkungen.

Es ist zwar sicherlich so, dass hauptsächlich ältere Mitbürger:innen an schweren COVID-19-Verläufen leiden. Es ist allerdings nicht richtig, dass nur Mitbürger:innen mit Vorbelastung oder Ältere an COVID-19 leiden. Im Gegenteil, es ist auch vermehrt von Fällen berichtet worden, dass Jugendliche an COVID-19 verstorben sind. Auch Langzeitfolgen sind, gerade bei jüngeren Patient:innen mit leichten Verläufen, relativ häufig zu beobachten ( https://www.helmholtz.de/gesundheit/welche-schaeden-drohen-nach-einer-ueberstandenen-infektion/, https://www.lung.org/blog/long-term-covid-19-effects). Deswegen ist es aus meiner Sicht falsch sich, wie viele Medien, fast ausschließlich auf die Todesopfer von COVID-19 zu konzentrieren. Über die tatsächlichen Langzeitfolgen werden wir aber vermutlich erst in den nächsten Monaten mehr lernen, auch wenn sich bedenkenswerte Verläufe abzeichnen. Allerdings steht die Wissenschaft erst noch davor, hier genaue Erkenntnisse zu Langzeitfolgen zu sammeln ( https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(20)30701-5/fulltext). Es wird allerdings ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Langzeitfolgen, wie extreme Müdigkeit, Muskelschwäche, Gedächtnisverlust, Konzentrationsverlust, Kurzatmigkeit, etc. auch bei leichten oder milden Verläufen vorkommen !

2. Würden Sie sich für Privilegien für geimpfte Personen einsetzen oder eher dafür, dass es keine Impfpflicht über Umwege gibt?

Privilegien für Geimpfte halte ich für falsch. Darüber, dass Geimpfte wieder ihre Grundrechte wahrnehmen können, darf aber gerne diskutiert werden. Der Deutsche Ethikrat hatte sich dieser Frage zuletzt angenommen, die Entscheidung aber vertagt. (https://www.swr3.de/aktuell/nachrichten/ethikrat-impfprivilegien-100.html).
Ebenso wie der Ethikrat möchte ich aber zu bedenken geben, dass aus wissenschaftlicher Sicht noch nicht geklärt ist, ob eine Impfung auch eine Infektion und insbesondere Ansteckung von anderen Personen verhindert. Solange dies noch nicht geklärt ist, halte ich die Diskussion aber noch für zu früh. Über die Rücknahme von Einschränkungen für Teile der Bevölkerung sollte der Deutsche Ethikrat auch weiter entscheiden.

3. Wie bewerten Sie, dass es keine Impfpflicht für Influenza gibt, welche identische gesundheitliche Probleme hervorrufen kann und es dort die Empfehlung gibt, dass nur Risikopatienten mit ärztlicher Betreuung eine Impfung vornehmen sollten?

Die Grippe ist nur schwerlich mit COVID-19 zu vergleichen. Der Verlauf von COVID-19 ist potenziell deutlich gefährlicher als der einer Grippe. Bei COVID-19 werden mehr Organe befallen, es kommt häufiger zu Nierenversagen, zu mehr Dialysen und häufiger zu einem septischen Schock (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/119475/Was-COVID-19-von-der-saisonalen-Influenza-unterscheidet).
Insgesamt liegt die Beteiligung des Atemwegapperats und die Mortalität bei COVID-19 deutlich höher als bei einer Grippe, und das auch bei Kindern, obgleich hier die relativ geringe Anzahl an Studien Teilnehmer:innen zu beachten ist (https://www.thelancet.com/journals/lanres/article/PIIS2213-2600(20)30527-0/fulltext). Das Sterberisiko bei COVID-19 ist deutlich höher als bei einer Grippe. Dies wird auch in einem weiteren Vergleich mit den Grippe-Pandemien 1918 und 2009 deutlich (https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(20)30484-9/fulltext). Ein entscheidender Unterschied zwischen Corona und Grippe ist, dass das Virus deutlich ansteckender ist als die Grippe (auch weil man länger ansteckend bleibt). Alle Studien betonen, dass insbesondere bei Patient:innen mit Vorerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder Übergewicht ein deutliches höheres Sterberisiko vorliegt ( https://www.thelancet.com/journals/lanres/article/PIIS2213-2600(20)30577-4/fulltext ).

Auch ist es keinesfalls so, dass die Grippe-Impfung nur für Risikopatienten in ärztlicher Betreuung empfohlen ist. Alle Personen ab 60 Jahren, Menschen mit chronischer Grunderkrankung, Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, medizinisches Personal, Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr, Kontaktpersonen von Menschen mit bestimmtem Risiko und Schwangere sollten sich impfen lassen (https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/Faktenblaetter/Influenza.pdf?__blob=publicationFile).

Wie bereits mehrfach betont, eine generelle Impfpflicht halte ich für falsch. Aber ich empfehle jedem (nach Konsultation eines Arztes), der in diese Risikogruppen fällt, auch eine Grippeimpfung an. Ebenso empfehle ich jedem, der eine Impfung gegen COVID-19 angeboten bekommt, auch diese wahrzunehmen. Denn, wen sie auch angesprochen haben, sind Menschen mit geschwächtem Immunsystem. Dies trifft nicht nur auf Krebspatienten zu, sondern z.B. auch auf Menschen mit Autoimmunerkrankungen. Grundsätzlich liegt es besonders im Interesse dieser Mitbürger:innen, dass möglichst schnell eine Herdenimmunität erreicht wird, da für sie ein sehr hohes Risiko von der Erkrankung ausgeht. Solange diese nicht erreicht ist, werden jene Menschen auch v.a. dadurch von der Gesellschaft ausgeschlossen, da sie Kontakte noch viel stärker meiden müssen als Menschen mit gesundem Immunsystem. Von daher sollte jeder, der eine Impfung gegen COVID-19 angeboten bekommt, diese auch annehmen.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen damit umfassend beantworten.

Liebe Grüße,

Kasimir Romer