Karsten Jung
FDP
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Frage von Katja R. •

Frage an Karsten Jung von Katja R. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Jung,

danke für Ihre Antwort, aber dadurch stellen sich für mich nur neue Fragen. Zuerst wunderte es mich, das ein Theologe in der FDP sein kann, aber dann wurde mir klar, das das Marktverständniss der FDP auch viel mit Glauben zu tun hat, von daher kann ich es wieder verstehen.

"Es bedarf keiner Begründung, sondern ist das gute Recht in einer freien Gesellschaft, dass ich meine Verträge selbst aushandele. "
Wie frei ist denn ein Mensch in ALG2 Bezug, seine Verträge auszuhandeln? Das ist ja wohl ein Witz, jemand, der überleben muss, wird jeden Job annehmen, auch wenn die Bedingungen objektiv mies sind. Eben noch von sozialer Verantwortung zu schreiben und dann diese Aussage, ist das für Sie keine Wiederspruch? Ist es in Ihren Augen in Ordnung, wenn 2 Menschen für die gleiche Arbeit unterschiedlich bezahlt werden, war es nicht Ihr Motto, das Leistung sich lohnen soll? Wissen Sie, wie niedrig der Schwelle bei unsittlichem Lohn liegt?

Bei Ihrer Argumentation pro Privatisierung dann aber sogar mit dem Strom zu kommen, das hat was. Die Qualität leidet nicht, wie stellt man denn sowas fest? Die Preise sind gesunken, wo denn? Das es einer extra Bundesnetzagentur zur Überwachung eines halbwegs funktionierenden Wettbewerbs bedarf, ist Ihnen wohl entgangen? Das es grosser Mühen und viel Geld bedarf, die privaten Unternehmen nun zu einer ökologisch sinnvolleren Energieerzeugung zu bringen, ist bei Ihren Aussagen auch kein Thema.
Wie will denn die FPD die Energiewende hinkriegen? Solange die Energiewirtschaft mit den alten AKW, die der Steuerzahler gebaut hat, ohne viel Aufwand Geld verdienen können, werden die von sich aus nicht nach Alternativen suchen, warum auch?
Alle Erfahrungen, auch in Deutschland,z.B. Berlin, lehren, das Wasserprivatisierung für den Kunden schlechter und teurer wird. Ich denke auch nicht, das private alles besser als der Staat können, sie etwa?

Mit freundlichen Grüssen
Katja Rauschenberg

Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Rauschenberg,

das Christentum ist eine Religion der Freiheit. Kern des christlichen Glaubens ist, dass Gott den Menschen als Individuum geschaffen und mit unverbrüchlicher Würde ausgestattet hat hat (Gen 1-2), der Mensch die freie Wahl des Handelns auf Erden hat, sich dabei aber immer wieder in Schuld verstrickt (Gen 3), aus der uns Gott durch Christus aber - und das ist die Pointe der christlichen Freiheit - befreit (Gal 5). Für diese Befreiung will Gott keine Gegenleistung, sondern ihm reicht der Glaube (Röm 3,28).
Das passt ganz gut mit dem Liberalismus zusammen. Nur der Liberalismus setzt sich konsequent für die Freiheit ein. Während andere politische Auffassungen den Menschen letztlich als unmündig ansehen und ihn mit Verboten bedrängen - hier sind insbesondere die Grünen zu nennen - oder ihn gleichmachen wollen (SPD, Linke) sind die Liberalen die einzigen, die die christliche Einsicht in die Individualität des Menschen vollständig umsetzen.

Ihre Gegensetzung von Glauben und Wissen ist im übrigen sowohl philosophisch falsch (Glaube ist nicht, was ich nicht weiß, sondern lediglich eine Bezeichnung für einen Erkenntnisprozess, der anders funktioniert, als beispielsweise die Erkenntnis der Schwerkraft) wie auch politisch. Ich bin überzeugt, dass der Liberalismus im Gegensatz zu allen anderen politischen Anschauungen weitgehend ohne das auskommt, was Sie als "Glauben" bezeichnen; gemeint ist ja offensichtlich Ideologie. Die einzige unbeweisbare Prämisse, die der Liberalismus setzt, ist sein optimistisches Menschenbild, indem er darauf vertraut, dass Menschen am besten wissen, was gut für sie ist.

> "Es bedarf keiner Begründung, sondern ist das gute Recht in einer freien
> Gesellschaft, dass ich meine Verträge selbst aushandele. "
> Wie frei ist denn ein Mensch in ALG2 Bezug, seine Verträge auszuhandeln?
> Das ist ja wohl ein Witz, jemand, der überleben muss, wird jeden Job
> annehmen, auch wenn die Bedingungen objektiv mies sind.

Die Hartz-IV-Sätze sind faktisch so hoch, dass er eben keinen Job annimmt, "um zu überleben", sondern sich in Hartz-IV ganz gut einrichtet. Sie dürfen nicht nur den Auszahlungssatz nehmen: Zu Hartz-IV kommen ja noch Leistungen wie Miete, Nebenkosten, Sonderausgaben hinzu. Da hat ein Single schnell 1000 Euro an Leistungen zusammen. Eine vierköpfige Familie kommt auf rund 2500 Euro Leistungen. Das ist mehr, als so mancher hat, der hart dafür arbeitet, gerade im Bereich der Familien. Ich empfehle Ihnen einmal, mit einem Arbeitgeber zu sprechen: Die Erfahrung lehrt, dass von rund 30 Bewerbern, die das Arbeitsamt schickt, höchstens 1-2 arbeitswillig sind. Der Rest bleibt lieber zu hause. Warum arbeiten, wenns fürs Nichtstun das Gleiche gibt.
Zum Aushandeln von Verträgen: Selbstverständlich gibt es viele Lebensbereiche, wo man seinen Arbeitsvertrag nicht aushandeln kann. Ich selbst konnte das auch nicht, sondern musste die Vorgaben akzeptieren. Nur: Niemand hat mich gezwungen, meinen Vertrag zu unterschreiben. Ich hätte es bleiben lassen können und was ganz anderes werden. Diese Freiheit hat jeder.

> Eben noch von
> sozialer Verantwortung zu schreiben und dann diese Aussage, ist das für
> Sie keine Wiederspruch? Ist es in Ihren Augen in Ordnung, wenn 2 Menschen
> für die gleiche Arbeit unterschiedlich bezahlt werden,

Das finde ich nicht nur in Ordnung, sondern sogar wünschenswert. Es leisten nämlich selbst in standartisierten Bereichen selten zwei Menschen die gleiche Arbeit, bloß weil sie die gleiche Zeit anwesend sind. Die Idee, Menschen für Anwesenheit zu vergüten und nicht für die Qualität ihrer Arbeit, lehne ich absolut ab. Sie führt dazu, dass sie sich keine Mühe geben und den Fleißigen die Aufstiegschance gestohlen wird.
Bei der Leiharbeit liegen Sie im übrigen falsch, weil Sie die Sache von der falschen Seite her betrachten: Die Leiharbeit ist für den Unternehmer, der Leiharbeiter anstellt, viel teurer, als die Stammbelegschaft. Er wird von Leiharbeitern daher nur zähneknirschend Gebrauch machen, und zwar dann, wenn es einen kurzfristigen Arbeitsbedarf hat, den er sonst nicht decken kann. Der Unternehmer hat ein natürliches Interesse, so viele Stammmitarbeiter zu haben, wie möglich. Daher sehe ich das Problem hier nicht. Viel interessanter wäre im übrigen die Frage, warum der Unternehmer so viel mehr zahlt, um Leiharbeiter einzustellen - das hat eine Menge mit einem Kündigungsrecht zu tun, das für volatile Branchen zu unflexibel ist.

> war es nicht Ihr
> Motto, das Leistung sich lohnen soll?

Die würde sich weitaus mehr lohnen, wenn der Staat nicht immer mehr davon stehlen würde, um es denen zu geben, die nichts leisten wollen, obwohl sie könnten. Missverstehen Sie mich nicht: Es geht nicht um Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind. Denen zu helfen, ist selbstverständlich und im übrigen auch Teil des christlichen Menschenbildes.

> Bei Ihrer Argumentation pro Privatisierung dann aber sogar mit dem Strom
> zu kommen, das hat was. Die Qualität leidet nicht, wie stellt man denn
> sowas fest? Die Preise sind gesunken, wo denn?

Die Qualität unserer Stromversorgung stellen Sie sehr schnell fest, wenn Sie mal außerhalb Europas sind. Ostern war ich in Ägypten, in Alexandria, also außerhalb der typischen Urlaubsorte. Dort fiel jeden Tag der Strom mehrere Stunden aus. Ich glaube, den letzten längeren Stromausfall in Deutschland habe ich in meiner Kindheit erlebt.
Dass die Preise nicht sinken, sondern steigen, liegt daran, dass rot-grün die Energiewende systematisch verschleppt zugunsten einer höchst widerlichen Subventionspolitik für Dachflächenbesitzer. Eine Stunde Photovoltaikstrom hat an der Leipziger Strombörse einen Wert von 1-3 cent. Der Erzeuger, also ein Dachflächenbesitzer aus ihrer Nachbarschaft, bekommt dafür aber bis zu 36 cent. Die bekommt er von Ihnen. 20 Milliarden Euro wurden auf diesem Weg schon von Ihnen und mir an die Dachflächenbesitzer Deutschlands gezahlt. Der Ertrag: nicht mal 4% des Stroms werden aus Photovoltaik erzeugt. Hätte man dieses Geld tatsächlich in die Energiewende gesteckt, könnten wir hier viel, viel weiter sein. Glauben Sie bitte nicht den Einlassungen insbesondere der Grünen: Die haben nicht das geringste Interesse an der Energiewende, obwohl sie viel davon reden. Es geht hier um ein gigantisches Geldverschiebegeschäft - und die Grünen sehen ihre vorrangigste Aufgabe darin, ihrer eigenen Klientel möglichst viel vom Kuchen zuzuschanzen. Wer die Energiewende will, darf als letztes die Grünen wählen.

> Das es einer extra
> Bundesnetzagentur zur Überwachung eines halbwegs funktionierenden
> Wettbewerbs bedarf, ist Ihnen wohl entgangen?

Selbstverständlich ist die Netzüberwachung eine hoheitliche Aufgabe. Das würde auch für Wasser gelten.

> Alle Erfahrungen, auch in Deutschland,z.B. Berlin, lehren, das
> Wasserprivatisierung für den Kunden schlechter und teurer wird. Ich denke
> auch nicht, das private alles besser als der Staat können, sie etwa?

Die Frage ist nicht "Privatisierung oder nicht", die Frage ist "Monopol oder nicht". Es ist ein einfacher wirtschaftswissenschaftlicher Grundsatz: Bei Monopolen steigen die Preise und sinkt die Qualität. Solange das Wasser in Monopolen verkauft wird, ist die Privatisierung ebenso teuer, wie ein Betrieb durch den Staat, im Beispiel Berlin sogar teurer. Die Privatisierung bringt hier also nichts.
Würde ein Markt entstehen, könnte jeder Berliner den Berliner Wasserbetrieben den Vertrag kündigen und mit jemand anderem einen Vertrag eingehen, so wie es beim Strom auch üblich ist. Dort können Sie durch einen Vertrag mit einem anderen Betreiber als den örtlichen Stadtwerken oftmals im Jahr 100 Euro oder mehr sparen.

MfG
Karsten Jung