Frage an Karsten Jung von Katja R. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Dr. Jung,
ich haben eben den Kandidatencheck auf abgeeordnetenwatch gemacht und war doch bei einigen Ihrer Antworten mehr als nur irritiert.
Aber bei der Frage zu den Aufstocker ist mir bei Ihrer Antwortsbegründung dann die Luft weg geblieben.
Sie schrieben:
"Aufstocken ist nichts Unanständiges. Sollte ein Alleinverdiener mit zwei Kindern sein Existenzminimum allein erwirtschaften, muss sein Lohn bei über 15 Euro liegen. Das fordert niemand - Aufstockung wird es also immer geben. "
Es hat niemand gesagt, das der Aufstocker etwas unanständiges tut, sondern es ist aus meiner Sicht der Arbeitgeber, der ein derart schlechtes Geschäftsmodell hat, das er seinen Mitarbeitern keinen Lohn zahlen kann, von dem diese leben können. Das soll ich mit meinem Steuergeld auch noch belohnen? Es wird auf Harz IV Niveau aufgestockt, das heisst, Leistung lohnt sich in diesem Fall auch nur für den Arbeitgeber, denn der Arbeitnehmer könnte auch zuhause sitzen und hätte das gleiche Geld, super Idee.
Aus meiner Sicht ist es einzig bei gemeinnütigen Arbeiten sinnvoll, das Gehalt aufzustocken, in keinem anderen Fall. Welches Zeichen wird damit den für Unternehmer gegeben, drückt die Löhne sogut es geht, unterbietet die anderne, die bessere Löhne zahlen, das lohnt sich für Euch?
Bei der Aussage, das Leiharbeiter weniger verdienen dürfen als festangestellt fehlte sogar jede Begründung, war das so ein Bauchgefühl, oder was?
Bei der Privatisierung der Wasserversorgung mit der Telekom zu argumentieren, ist dann schon wieder abenteuerlich, sollen die Mitbewerber auch neue Wassernetze bauen, damit der Vergleich auch nur näherungsweise stimmt? Warum sollte ein Bereich der Daseinsvorsorge einem gewinnorientieren Unternehmen überlassen werden, wie könnte da bei einem Defaktomonopol der Infrastrucktur etwas billiger, geschweige denn besser werden? Alle Erfahrungen deuten auf das Gegenteil hin.
Mit freundlichen Grüssen
Katja Rauschenberg
Sehr geehrte Frau Rauschenberg,
Sie bringen zwei Dinge durcheinander, die nur wenig miteinander zu tun haben. Wovon Sie reden, ist unsittliches Lohndumping, das bereits jetzt verboten ist.
Ob jemand aufstockt oder nicht, dafür ist nicht relevant, wie viel er in der Stunde verdient, sondern wie seine Lebenssituation ist. Jemand, der eine Familie ernähren muss, braucht mehr Geld, als ein Single. Ein Stundenlohn, der einem Single eventuell zum Leben reicht, kann für eine Familie zu wenig sein.
Diese Faktoren kann der Arbeitgeber nicht berücksichtigen - für ihn muss gelten, dass eine Leistung einen bestimmten Lohn verdient. Hier also muss der Staat eingreifen.
Das Beispiel Familie belegt: Um das Existenzminimum für eine vierköpfige Familie zu erwirtschaften, müsste jemand einen Stundenlohn von 15 Euro verdienen. Niemand in der Politk, selbst nicht die Linkspartei, fordert einen so hohen Mindestlohn. Das heißt aber im Umkehrschluss: Selbst wenn Mindestlöhne eingeführt würden, wird es immer Aufstocker geben. Es gehört zu unserer sozialen Verantwortung, diese Menschen nicht hängen zu lassen.
Ich plädiere daher dafür, die Diskussion um die Aufstocker endlich davon zu befreien, dass es sich bei dem Modell der Aufstockung um etwas "unanständiges" handelt. Aufstockung ist etwas, was in der sozialen Marktwirtschaft immer vorkommen wird, also etwas Normales.
> Es wird auf Harz IV Niveau aufgestockt, das heisst, Leistung
> lohnt sich in diesem Fall auch nur für den Arbeitgeber, denn der
> Arbeitnehmer könnte auch zuhause sitzen und hätte das gleiche Geld, super
> Idee. Aus meiner Sicht ist es einzig bei gemeinnütigen Arbeiten sinnvoll, das
> Gehalt aufzustocken, in keinem anderen Fall. Welches Zeichen wird damit den
> für Unternehmer gegeben, drückt die Löhne sogut es geht, unterbietet die
> anderne, die bessere Löhne zahlen, das lohnt sich für Euch?
> Bei der Aussage, das Leiharbeiter weniger verdienen dürfen als
> festangestellt fehlte sogar jede Begründung, war das so ein Bauchgefühl,
> oder was?
Es bedarf keiner Begründung, sondern ist das gute Recht in einer freien Gesellschaft, dass ich meine Verträge selbst aushandele.
> Bei der Privatisierung der Wasserversorgung mit der Telekom zu
> argumentieren, ist dann schon wieder abenteuerlich, sollen die Mitbewerber
> auch neue Wassernetze bauen, damit der Vergleich auch nur näherungsweise
> stimmt?
Es gibt nur ein Telefonnetz (im Festnetz), daneben das Kabelnetz des Kabelfernsehens. Ebenso ist es beim Strom. Genauso wie also beim Telefonieren und beim Strom würden bei einer Marktfreigabe der Wasserversorgung die Wasserversorger das gleiche Netz nutzen. Es geht im übrigen nicht um eine Privatisierung, sondern um eine Marktfreigabe, in der staatliche Unternehmen wie kommunale Wasserversorger mit privaten konkurrieren und der Kunde eine Wahlfreiheit hat. Die Erfahrung im Strom- und Telefonbereich lehrt, dass die Preise purzeln, ohne dass die Qualität leidet. Jeder, der über 30 ist, kann sich noch an Zeiten erinnern, wo ein Ferngespräch schnell unerschwinglich wurde. Das ist glücklicherweise vorbei.
Das Argument mit der Daseinsvorsorge ist ein denkbar schlechtes. Alle Bereiche der Daseinsvorsorge - vom täglichen Brot über die Heizung bis zum Strom werden von privaten, gewinnorientierten Unternehmen gewährleistet. Diese Unternehmen machen das besser, als der Staat es je könnte. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass dies beim Wasser anders sein sollte. Letztlich beruht die Gegnerschaft gegen die Marktöffnung im Wasserbereich auf unbegründeten Ängsten. Schon Tacitus schrieb über die Germanen, dass Durst für sie unerträglich sei - heute sollten wir uns von tief im Volksempfinden wurzelnden Vorurteilen lösen.