Frage an Karl Richter von Andreas A. bezüglich Soziale Sicherung
Herr Richter,
entschuldigen Sie bitte, wenn ich nach Ihrer Antwort noch nachhaken muss, weil sie mir nicht ganz schlüssig ist.
Ich weiss nicht, wie Sie darauf kommen, dass wir uns einig sind in den Begriffen "soziale Unternehmenspolitik", "sozialer Rechtsstaat" und "soziale Marktwirtschaft". Mit Interesse - und Verwunderung - lese ich allerdings, dass Sie - und offensichtlich auch Ihre Partei - sich zum "sozialen Rechtsstaat" und zur "sozialen Marktwirtschaft" bekennen; was Sie der "etablierten Politik" nicht unterstellen. Was verstehen Sie und Ihre Partei denn unter "sozialem Rechtsstaat" und "sozialer Marktwirtschaft"?
"Das Soziale" und "Staatsbürgerrecht" hängt z.B. für mich schon auch zusammen, besonders bei Fragen, die an Sie und Ihre Partei gerichtet sind. - Denn wer ist nun für Sie und Ihre Partei ein "Deutscher"? Und nehmen Sie tatsächlich auf "die Betrachtungen" der Einzelnen und Betroffenen denn überhaupt Rücksicht, ob sie sich als Deutsche fühlen - oder nicht? Und habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie David Odonkor lediglich "nur" als "Paß-Bundesbürger " sehen? (Ich muss zugeben, der Begriff ist mir in heutiger Zeit wieder neu und sehr befremdend! - Entweder man ist Bundesbürger oder nicht! "Paß-Bundesbürger" - was Sie nicht einmal in Anführungszeichen setzen, ist mir unbekannt)
Einstweilen
Ihr
Andreas Albrecht
Sehr geehrter Herr Albrecht (sollte es nicht für eine freundliche Anrede noch reichen?),
da brauchen Sie sich doch nicht zu entschuldigen, daß Sie noch "nachhaken" möchten - dafür ist kandidatenwatch.de ja da.
Die Sache ist doch ganz einfach. Es ist allerdings schade, daß wir inzwischen offenbar nicht einmal mehr über Grundwerte wie die soziale Marktwirtschaft und den sozialen Rechtsstaat in Deutschland Konsens haben. Aber ich brauche in dieser Frage gar nicht lange herumzufabulieren, was ich persönlich vielleicht unter der sozialen Marktwirtschaft verstehe. Mir genügt zum Beispiel vollkommen, was eine offizielle Publikation der bayerischen Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit vom Jahre 1979 dazu aussagt - ich habe den Band zufällig noch aus meiner Schulzeit in meiner Bibliothek. Dort heißt es zur "sozialen Marktwirtschaft":
"In der Bundesrepublik Deutschland wurde nach dem 2. Weltkrieg die soziale Marktwirtschaft eingeführt. Sinn der sozialen Marktwirtschaft ist es, das Prinzip der Freiheit auf dem Markte mit dem des sozialen Ausgleichs zu verbinden (nach Müller-Armack). Es hat sich nämlich gezeigt, daß die im 19. Jahrhundert vor allem in England praktizierte völlig freie Marktwirtschaft (ohne jeglichen Staatseingriff) erhebliche nachteilige Folgen nach sich zog: Monopolbildungen (Alleinherrschaft eines Unternehmens am Markt), Wirtschaftskrisen und soziale Ungerechtigkeiten. Die Schwächen einer völlig freien Marktwirtschaft sollen bei der sozialen Marktwirtschaft durch eine ziel
bewußte Wirtschaftspolitik überwunden werden." (H. Randak, Im Kreislauf der Wirtschaft, Hrsg. Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1979, S. 32)
Darf ich Sie auch an das Grundgesetz erinnern? Art. 20, Abs. 1: "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat." Für den sozialen Rechtsstaat s. Art. 20, Abs. 3.
Also: mir reichen diese Positionsbestimmungen völlig aus, ich teile sie ohne Wenn und Aber. Die NPD im übrigen auch. Darf ich Sie bei dieser Gelegenheit vielleicht fragen, wie alt Sie sind? Während meiner Schulzeit stand es nämlich noch völlig außerhalb jeder Diskussion, daß die Bundesrepublik ein sozialer Rechtsstaat sei und daß wir es in Deutschland mit einer sozialen Marktwirtschaft zu tun haben. Mag sein, daß man das in einer Ära des entfesselten Markt-Fetischismus inzwischen anders sieht. Ich nicht.
Punkt zwei: wer ist Deutscher?
Auch dazu gibt es dankenswerterweise zwei völlig eindeutige Urteile des Bundesverfassungsgerichts, die heute allerdings "rassismus"-verdächtig sein dürften. Sie wurden aber meines Wissens nie aufgehoben, weshalb die rot-grünen Änderungen des Staatsangehörigkeitsrechts von 1999 auch schlicht und einfach grundgesetzwidrig sind und bei nächster Gelegenheit schleunigst wieder außer Kraft zu setzen sind.
Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31.07.1999: "Deutscher ist, wer sich zum deutschen Volkstum bekennt, sofern dieses Bekenntnis durch Merkmale wie Absta
mmung, Sprache, Erziehung und Kultur bestätigt wird."
Siehe außerdem: BvR 373/83 vom 21.10.1987: "Das Festhalten an der deutschen Staatsangehörigkeit in Art. 116, Abs.1, 16, Abs.1 GG (Grundgesetz) und damit an der bisherigen deutschen Identität des Staatsvolkes des deutschen Staates ist normativer Ausdruck dieses Verständnisses und dieser Grundentscheidung. (...) Aus dem Wahrungsgebot folgt insbesondere die verfassungsrechtliche Pflicht, die deutsche Identität des deutschen Staatsvolkes zu erhalten."
Kann sein, daß das für Sie starker Tobak ist. Ich bleibe aber dabei: wie "deutsch" sich Paß-Bundesbürger wie Herr Odonkor fühlen, das müssen Sie sie vermutlich selber fragen. Nach höchstrichterlicher Rechtssprechung ist es mit ihrer deutschen Identität leider nicht weit her. Tut mir leid, wenn Sie damit Schwierigkeiten haben.
Noch ein Satz zur Klarstellung: es mag sein, daß man durch Aushändigung eines Passes Bundesbürger wird. Deutscher nicht. Und Sie werden sicher Verständnis dafür haben, daß ich mich als von deutschen Bürgerinnen und Bürgern gewählter Mandatsträger in erster Linie Deutschland verpflichtet sehe. Kleingedrucktes wie das Paßrecht ist da relativ zweitrangig.
Noch Fragen? Nur zu.
Herzlichst
Ihr
Karl Richter