Frage an Karl Mennicken-Martensen von Oliver Z. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Mennicken-Martensen,
dieses Forum bietet in der "Themenauswahl" leider nicht das Schlagwort "Gesellschaft von morgen". Ersatzweise habe ich mich für das Schlagwort "Arbeit" entschieden, was aber den Kern meiner Frage nicht umfänglich beschreibt.
Ich werte die Idee eines "bedingungslosen Grundeinkommens" als richtungsweisenden Ansatz, die "Gesellschaft von morgen" zu gestalten. Jede/r Bürger/in erhält lebenslang eine ausreichende Summe Geldes, die ihr/ihm ein Auskommen sichert, ohne einen "Arbeitszwang" oder eine entwürdigende Konfrontation mit der Sozialadministration (Bsp. Hartz iV).
Die Menschen werden so in die Lage versetzt werden, sich analog ihrer persönlichen Ressourcen an der Gesellschaft zu beteiligen, und ich bin fest davon überzeugt, sie werden es dann auch in allen Segmenten tun.
Mir ist sehr wohl bewußt, dass dies die Grundfeste unseres Systems erschüttert, halte es gleichzeitig für unabdingbar, daß unser System grundlegende Veränderung erfährt.
Viele lanjährige erfolgreiche Modelle, haben m.E. ihren Zweck sehr segensbringend erfüllt, sind mittlerweile aber nicht mehr "DIE Lösung" für die Fragen von heute, zum Glück haben wir uns ja weiterentwickelt.
So finde ich es z.B. sehr paradox, daß Technologie, die uns doch de facto Erleichterung verschafft, uns huptsächlich Sorgen bereitet, weil sie Arbeitsplätze überflüssig macht.
Paradox finde ich auch, daß in einer Gesellschaft, in denen ca. 60% der Bürger von sogenannten Transfereinkommen leben, BEZAHLTE Arbeit als DAS entscheidende Kriterium gilt.
* Wie stehen Sie zu der Vision "bedingungsloses Grundeinkommen"?
* Sehen Sie die Optimierung der bestehenden Systeme oder "System-Neuerfindungen"
als Zukunftsmodell für unsere Gesellschaft?
* Welche weiteren Ansätze verfolgen Sie Gesellschaft "neu zu Denken"?
* Was werden Ihre Beiträge zum Thema "Gesellschaft von morgen" sein?
Vielen Dank für Ihre Bereitschaft sich hier zu präsentieren!
Viele Grüße
Oliver Zastrow
Sehr geehrter Herr Zastrow,
vielen Dank für Ihre Frage.
Gesellschaftliche und soziale Ausgrenzung sind keine Randerscheinungen. Formen sozialer Ausgrenzung und die Sorge vor Ausgrenzung sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Kritik an der Angemessenheit und Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaates geht damit einher. In diesem Zusammenhang gewinnt die Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen ständig an Bedeutung.
Wir Grünen nehmen diese Vorschläge sehr ernst. Unseres Erachtens ist aber Skepsis angebracht, wenn damit geworben wird, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen eine globale Alternative zum bestehenden Sozialstaat sein könnte. Die meisten sozialstaatlichen Institutionen werden (auf lange Sicht) nicht entbehrlich. Die Rentenversicherung kann nicht über Nacht abgeschafft werden, über viele Jahrzehnte wären die erworbenen Ansprüche zu bedienen. Auf die Krankenversicherung, Pflegeversicherung oder auch die Eingliederungshilfe für Behinderte kann gar nicht verzichtet werden. Da viele Bürgerinnen und Bürger arbeiten wollen, wird unseres Erachtens auch Arbeitsmarktpolitik nicht entbehrlich. Ganz davon zu schweigen, dass Bildungseinrichtungen verbessert und ausgebaut werden müssen und nicht abgebaut werden können.
Wir werden uns also auch in Zukunft darüber zu unterhalten haben, wie viel Geld wir für diese Aufgaben ausgeben wollen und wie Bildung oder auch der Schutz bei Pflegebedürftigkeit am besten gewährleistet werden können.
Ein bundeseinheitliches Grundeinkommen wäre zudem nicht überzeugend. Die sehr unterschiedlichen Wohnkosten müssten zum Beispiel berücksichtigt werden (über eine Regionalisierung oder über das Wohngeld). Auch können die Bedarfe der Antragsteller nicht über einen Kamm geschoren werden. Besondere Bedarfe wären rechtlich also zu decken.
Auch wer ohne Erwerbsarbeit ist oder sich aus anderen Gründen in einer Notlage befindet, muss ein Leben in Würde und Selbstbestimmung führen können. Deshalb sind wir Grünen für eine Grundsicherung, die es mit der Selbstbestimmung und Würde von Menschen ohne Arbeit und in sonstigen Notlagen ernst nimmt. Wir Grünen treten ein für einen Neuen Gesellschaftsvertrag, bei dem darauf geachtet wird, dass keine Generation einseitig belastet wird, nicht die heutigen und nicht die zukünftigen Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, nicht die aktuellen und nicht die zukünftigen Rentenbezieherinnen und Rentenbezieher. Bürgerinnen und Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass sie als langjährige Versicherte der gesetzlichen Rentenversicherung im Alter nicht auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen sein werden. Darum werden wir Grünen unzureichende Ansprüche auf ein Mindestniveau aufstocken, welches den Grundbedarf für alle sichert.
Mit freundlichem Gruß,
Karl Mennicken-Martensen