Frage an Karl-Heinz Karch von Sonja I. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Karch,
ich denke es reicht nicht, nur die richtige Meinung zu haben, sondern es ist wichtig, andere und besonders viele Menschen davon zu überzeugen sowie Aktionen aus den Überzeugungen abzuleiten und durchzuführen. Ohne eine gründliche, übergreifende Planung inclusive fundierter Stakeholderanalyse (wie beim Projektmanagement) geht es auch in der Politik nicht, wie das Beispiel Schulreform gezeigt hat. Dort wurden leider viele Fehler gemacht, obwohl das Ziel längeres gemeinsames Lernen sehr gut war. Wie sehen Sie das und warum sollte ich Sie wählen? Welche Ziele würden Sie nach der Wahl verfolgen und was würden Sie nach der Wahl tatsächlich aktiv tun?
Viele Grüße,
Dr. Sonja Isaacs.
Sehr geehrte Frau Dr. Isaacs,
vielen Dank für Ihre Fragen, zu denen ich gerne Stellung nehme.
Ja, im Zusammenhang mit der Schulreform wurden Fehler gemacht. Und die wesentlichen Fehler wurden vor der eigentlichen Kampagne gemacht, bei der Wahl der Umsetzungsstrategie. Dass das längere gemeinsame Lernen mit der Einführung der Primarschulen an den Beginn des Reformprozesses gesetzt wurde, war wohl der wesentliche Fehler. Diese Strukturreform hat andere wichtige inhaltliche Reformen, die die Organisation des Unterrichts betreffen, überschattet. Viele Menschen hielten die Primarschule für eine verlängerte Grundschule - und lehnten dies ab.
Ich teile Ihre Einschätzung, dass nicht genügt, Gutes zu wollen und zu tun, sondern man muss auch darüber reden - vorallem mit den Menschen, deren Leben durch die Ideen und Projekte beeinflusst werden kann! Das Instrument dafür ist die frühzeitige und umfassende Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei allen Entwicklungsprojekten, die ihr Lebensumfeld betreffen. Ich persönlich habe damit in den vergangenen zwölf Jahren recht gute Erfahrungen im Rahmen der Bürgerbeteiligung in den größten Stadtteilentwicklungsprojekten Deutschlands (Horner Geest, Entwicklungsraum Billstedt-Horn) gemacht. Dabei wurde deutlich, dass sich die Nachbarinnen und Nachbarn für ihr "Revier" interessieren und bereit sind, sich einzubringen und mitzuarbeiten, wenn es darum geht ihre nachbarschaftliches Umfeld zu gestalten. Einander widerstrebende Interessen konnten dabei oft schon recht früh zu einem angemessen Ausgleich gebracht werden.
Bürgerbeteiligung darf aber nicht zu einer "Alibiveranstaltung" werden, bei denen PlanerInnen ihre Pläne vorstellen, dann nach Anregungen und Kritik fragen, und wenn nichts entsprechendes kommt weitermachen "wie geplant". In Ihrer Frage sprachen Sie von Projektmanagement, das im Feld der Politik und Verwaltung durchaus zum Einsatz kommt. Leider orientieren sich diese Projekte immer noch zu häufig am sogenannten "Wasserfall-Modell". Ich bin der Meinung, dass auch politische Projekte "agiler" werden müssen und iterativ und inkrementell abgewickelt werden sollten! Wirklich gute Problemlösungen lassen sich nur durch einen Ausgleich der Interessen aller Betroffenen und Beteiligten erreichen. Dies lässt sich nicht mit einer "Anhörung" im Rahmen des herkömmlichen Politikmodells (Idee haben - debattieren - entscheiden - umsetzen) erreichen. Es müssen Möglichkeiten zur Nach- und Feinsteuerung entwickelt werden. Angesichts des oftmals beschränkten Zeithorizontes der Politik, man will ja bis zur nächsten Wahl etwas "handfestes" vorweisen können, kommt es dann zu Fehleinschätzungen wie im Falle der Schulreform, die auch mir erst zu spät bewusst geworden sind.
Durch die Volksgesetzgebung haben die Hamburger Wählerinnen und Wähler ein Instrument in der Hand, mit dem sie als falsch eingeschätzte Festlegungen der Politik - z.B. solche, die "von oben verordnet" und nicht genügend kommuniziert wurden - im nachhinein wieder "abgeschaffen" können. Viel Arbeit und Geld kann dadurch "vernichtet" werden, und diese Ressourcenverschwendung halte ich für nicht sinnvoll. Die Volksgesetzgebung erfordert deshalb, dass Politik dialogorientierter werden muss, um diesen neuen Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Und an der Entwicklung dieses Politikfeldes möchte ich im Rathaus aktiv mitwirken und meine auch auf Grund meiner beruflichen Erfahrungen kreative Beiträge liefern zu können!
Weitere Arbeitsschwerpunkte für mich sehe ich in der Kommunalpolitik für meinen Stadtteil Horn (das geplante Stadtteilhaus muss mit Leben gefüllt werden), der Gesundheits- und Sozialpolitik (Sicherstellung der medizinischen Versorgung in den sozial benachteiligten Stadtteilen) sowie bei den Themen „Neue Medien“ (Datenschutz, Informationsfreiheit, Rechte der VerbraucherInnen im Internet) und den Rechten der ArbeitnehmerInnen.
Mit freundlichen Grüßen,
Karl-Heinz Karch